Druckartikel: Nicht mehr wegzudenken

Nicht mehr wegzudenken


Autor: Ralf Dieter

Kitzingen, Donnerstag, 17. Mai 2018

Die Alte Synagoge in Kitzingen ist vor 25 Jahren aus der Asche auferstanden. Seit der Renovierung hat sie sich zu einem Kulturzentrum entwickelt. Mit zwei Veranstaltungen wird jetzt dem Jubiläum gedacht.
Da war die Welt noch in Ordnung: Vom 7. bis 9. September 1883 wurde die Synagoge in Kitzingen feierlich eingeweiht.


Ihre Türme sind von weither sichtbar, aus dem Stadtbild ist sie längst nicht mehr wegzudenken. Was heute eine Selbstverständlichkeit ist, war vor mehr als 25 Jahren hart umkämpft und in Kitzingen heiß diskutiert. Am Pfingstwochenende wird in der Großen Kreisstadt 25 Jahre Alte Synagoge gefeiert.

Vor einem Vierteljahrhundert, am 19. Mai 1993, wurde die ehemalige Synagoge Kitzingen nach mehrjähriger Renovierung eröffnet. Seither hat sich die Synagoge zu dem Kulturzentrum in der Stadt entwickelt. Mit zwei Veranstaltungen wird dem Jubiläum gedacht. Am Samstag, 19. Mai, lädt der Förderverein ehemalige Synagoge Kitzingen um 14 Uhr zu einer öffentlichen Führung ein.

Margret Löther ist die Vorsitzende des Vereins, der vor etwa 35 Jahren gegründet worden ist. Damals war die Alte Synagoge noch eine Ruine – mitten in der Stadt. „Die Gründergeneration des Vereins wollte bewirken, dass die Ruine nach so vielen Jahrzehnten nach der Reichspogromnacht 1938 endlich in einen würdigen Zustand versetzt wird“, berichtet Löther. Das Gebäude sollte nach so langer Zeit einem sinnvollen Zweck zugeführt werden.

Bis Anfang der 1980er Jahre hatte sich kaum jemand um die Synagoge und ihre Geschichte gekümmert. In den 1980er Jahren drohte gar der Abriss. Der Stadtrat hatte es schon so entschieden. Dann gründeten engagierte Bürger einen Förderverein, der Beschluss wurde revidiert, neun Millionen Mark in den Umbau, der einem Neubau glich, investiert.

Eine erstaunliche Entwicklung, diente das Gebäude nach dem Zweiten Weltkrieg doch zunächst als Heimat für Handwerksbetriebe, stand dann für kurze Zeit leer, um anschließend von der katholischen Kirche als Proberaum für Chöre und Blasorchester genutzt zu werden. „Manche hätten an Stelle der Alten Synagoge am liebsten einen Parkplatz und eine Gedenktafel errichtet“, berichtete Michael Schneeberger im September 2002 – der Förderverein ehemalige Synagoge feierte damals 20-jähriges Jubiläum. Ein ehemaliger Staatssekretär habe geschrieben, es wäre das Beste gewesen, man hätte das Bauwerk noch in der NS-Zeit abreißen sollen, dann hätte man die Probleme nicht. „Es waren keine guten Zeiten“, erinnerte sich Schneeberger.

Klaus Heisel kann dem nur zustimmen. Seit beinahe 40 Jahren beschäftigt sich der Bürgermeister und langjährige SPD-Stadtrat mit der Geschichte, Gegenwart und Zukunft der Alten Synagoge. Heisel wird beim Jubiläumsabend am Montag, 21. Mai, die Begrüßung übernehmen und auf die Gründungszeit der Alten Synagoge zurückblicken.

„Die Eröffnung der Alten Synagoge war das Highlight meiner Stadtratsarbeit.“
Klaus Heisel, Bürgermeister

„Die Begeisterung in der Stadt und im Stadtrat war anfangs nicht besonders groß“, erinnert er sich an die ersten Vorschläge für einen Wiederaufbau beziehungsweise eine Renovierung zurück. Etliche Bürger hatten sich jedoch jahrelang für eine Erinnerungskultur in Kitzingen stark gemacht. Heisel nennt exemplarisch den damaligen Kulturbeirat oder die Mitglieder des Bernbeck-Kreises.

Dennoch sollte es bis ins Jahr 1986 dauern, ehe die erste Gedenkveranstaltung für die Opfer der Pogromnacht in Kitzingen über die Bühne gehen sollte. Sieben Jahre später konnte die Alte Synagoge eröffnet werden. „Das Highlight meiner Stadtratsarbeit“, sagt Heisel, der dem Gremium seit mehr als 30 Jahren angehört. Beim Förderverein „Alte Synagoge e.V.“ war er nicht nur Gründungsmitglied, sondern in den ersten drei Jahren auch als Kassier tätig. „Der erste Punkt in unserer Satzung lautete: Wiederherstellung der Synagoge“, denkt er zurück. 1993 wurde dieser Wunsch erfüllt. Die Alte Synagoge wird seither mit Leben gefüllt. „Das entspricht auch ganz unserem Wunsch von damals“, betont Heisel. Das Gebäude sollte auf keinen Fall einen musealen Charakter haben.

Etwa 150 Veranstaltungen finden Jahr für Jahr in dem Gebäude statt. Die Alte Synagoge hat sich längst zu dem Kulturzentrum Kitzingens entwickelt. Für die Organisation ist seit 25 Jahren Richard Arndt-Landbeck von der Vhs verantwortlich. Fünf verschiedene Arten von Veranstaltungen locken Jahr für Jahr tausende Neugierige in das Gebäude: Kulturreihen, Bildungsveranstaltungen der Vhs, Angebote des Fördervereins Ehemalige Synagoge, Veranstaltungen von Musikschule und anderen städtischen Einrichtungen sowie Vermietungen an Veranstalter wie Schulen, Banken, die Klinik Kitzinger Land oder andere Interessenten wie den Rotary- oder den Lions-Club. Das oberste Ziel lautet: eine Vielfalt präsentieren.

„Die Frage nach den Menschenrechten ist auch heute noch aktuell.“
Margret Löther, Vorsitzende Verein Alte Synagoge

Für Arndt-Landbeck ist das Gebäude viel mehr als eine bloße Arbeitsstätte. Die Alte Synagoge ist auch ein Stück Verantwortung. Die Erinnerungen an die Vernichtung der Juden sollen lebendig erhalten werden. „Aus unserer Perspektive ist die Synagoge nicht nur ein Kulturgebäude, sondern auch ein (Ge-)Denkort für die jüdischen Kitzinger, deren Geschichte und Schicksal und den Umgang mit dieser Minorität“, bestätigt Margret Löther und betont, dass ihr nicht nur die Vergangenheit, sondern auch die Gegenwart und Zukunft des Gebäudes am Herzen liegen. „Die Frage nach den Menschenrechten ist auch heute noch aktuell“, sagt sie. Die Gesellschaft sei zwar pluraler geworden, aber die Toleranz sei deshalb nicht automatisch mitgewachsen.

Dem Verein mit seinen rund 100 Mitgliedern sei es deshalb wichtig, Führungen für Schulklassen und andere Gruppierungen, die sich vorher anmelden, anzubieten. Und gleichzeitig Kontakt zu den anderen religiösen Gemeinschaften in Kitzingen zu halten.

Feierlichkeiten

Geschichte: 1882 bis 1883 ist das Gebäude in der Landwehrstraße erbaut worden. Es hat schwere Zeiten hinter sich. In der „Reichspogromnacht" am 10. November 1938 wurde die Synagoge ein Opfer der Flammen. Der Wiederaufbau erfolgte Anfang der 90er-Jahre. Die Wiedereröffnung fand am 19. Mai 1993 statt.

Festprogramm: Samstag, 19. Mai, 14 Uhr: Öffentliche Führung mit dem Förderverein.

Montag, 21. Mai, ab 19 Uhr: Jubiläumsabend für geladene Gäste.

Wettbewerb: Außerdem hat der Verein einen Malwettbewerb für Kinder und Jugendliche initiiert. Die Bilder werden im unteren Foyer ausgestellt.