Nicht beisammen, aber gemeinsam
Autor: Daniela Röllinger
Kitzingen, Freitag, 20. März 2020
Weil in den Kirchen keine Gottesdienste stattfinden dürfen, sind neue Wege in der Seelsorge gefragt. Baderschneider: „Wir sind für die Menschen da.“
Die Flammen flackern im Luftzug. Wer die Kerzen angezündet hat, weiß Kerstin Baderschneider nicht. Aber sie zeigen der Kitzinger Dekanin, dass auch ohne gemeinsame Gottesdienste Menschen in die Kirchen kommen. Für viele seien Kirchen ein bergender Ort, an dem sie ihre Sorgen loswerden können. Für das gemeinsame Gebet aber müssen die Kirchen derzeit neue Wege gehen.
Einige Dutzend Gläubige verfolgen den Gottesdienst mit. Aber Peter Göttke sieht sie nicht, er steht mit zwei Kollegen alleine in der riesigen St. Mauritiuskirche. Aufgrund der Corona-Krise sind Gottesdienste, Andachten und Versammlungen von Glaubensgemeinschaften verboten. Das normale kirchliche Leben, wie wir es seit Generationen kennen, wie es den Menschen, vor allem vielen Älteren, Halt gibt, kann nicht stattfinden. Da ist Kreativität gefragt. Und so wird seit dieser Woche jeden Wochentag um 19 Uhr ein Gottesdienst oder eine Gebetsstunde aus der Wiesentheider St. Mauritiuskirche online übertragen.
„Es liegt eine gewisse Surrealität in der Situation“, beschreibt der katholische Dekan das Gefühl, wenn er gemeinsam mit zwei Kollegen vor leeren Bänken einen Gottesdienst abhält. „Man weiß, dass Menschen auf der anderen Seite sind, aber man sieht sie nicht.“ Die anderen Menschen sitzen zuhause, in ihren Wohnzimmern, in Seniorenheimen.
Göttke fordert die Jüngeren auf, den älteren Bürgern zu helfen, diese Angebote zu nutzen. „Macht IT-Kurse für die Oma, richtet ihr einen Laptop ein, legt ein Gotteslob daneben.“ Er hat von einigen Familien gehört, in denen sich die Jüngeren mit den Senioren gemeinsam hingesetzt und den Gottesdienst verfolgt haben. „Die haben gesagt, das war klasse.“
Weil die St. Mauritiuskirche erst vor kurzem generalsaniert und dabei bereits mit der entsprechenden Technik ausgestattet wurde, konnte Göttke schnell handeln. Andere Kirchengemeinden mussten erst nachrüsten. So laufen Überlegungen, den Ostergottesdienst vom Schwanberg zu übertragen. Ob das technisch umsetzbar sein wird, steht aber noch nicht fest. Der Sickershäuser Pfarrer Simon Gahr überlegt ebenfalls, Gottesdienste oder andere Andachtsformen im Internet hochzuladen. Auf anderen Homepages der evangelischen Kirchen im Dekanat werden geistliche Impulse veröffentlicht. „Viele Kollegen legen die auch in den Kirchen aus“, sagt Dekanin Kerstin Baderschneider. „Es läuft viel über das Lesen.“
Doch selbst, wenn aus der eigenen Gemeinde keine Gottesdienste übertragen werden, kann man am religiösen Leben teilnehmen: Es gibt viele Gottesdienste im Radio oder im Fernsehen, die man zuhause mitverfolgen und mitbeten kann. „Das ist eine Glaubensgemeinschaft, ohne physisch zusammenzusitzen“, sagt die Kitzinger Dekanin Kerstin Baderschneider. Das nationale und internationale Angebot der Kirchen ist groß, es reicht von der Frühmesse des Papstes bis hin zur Mikropredigt der evangelischen Kirche auf Facebook und Instagram. Wie andere Pfarrer aller Kirchen und Glaubensgemeinschaften erlebt auch die Kitzinger Dekanin, dass die Menschen verunsichert sind. „Man weiß nicht, wie es weitergeht“, sagt sie. Der Zeitraum der Pandemie ist nicht zu überblicken, das Virus nicht greifbar oder sichtbar, man weiß nicht, wie es sich auswirkt. Daher liege der Fokus jetzt vor allem auf der Seelsorge. Es sei wichtig, dass die Menschen Ansprechpartner außerhalb des Familienkreises haben. „Jeder kann sich melden, wenn er das Gefühl hat, dass er sich mal alles von der Seele reden muss“, so Baderschneider, „wenn ihm die Decke auf den Kopf fällt oder sich die Situation in der Familie verschärft.“ Die Kontaktaufnahme sei telefonisch oder per Email möglich. „Wir sind immer erreichbar.“
In Peter Göttkes Pfarrei St. Benedikt gibt es ebenfalls mehrere Möglichkeiten für die Gläubigen, mit dem Pfarrer und den Mitarbeitern in Kontakt zu treten: am Telefon, über Email, Messenger-Dienste oder Facebook. Gebetswünsche kann man auf der Homepage eintragen. Dort findet sich außerdem die Rubrik „Wir helfen einander“ – wer Unterstützung braucht, kann sich dort melden. Auch in der Abtei Münsterschwarzach gibt es an sieben Tagen die Woche eine Telefonseelsorge. Gebetswünsche werden über die Homepage entgegen genommen. Ab dem Wochenende plant die Abtei die Übertragung von Gottesdiensten. Sie können über die Website und youtoube gestreamt werden. Die Kirchen des Dekanatsbezirkes Markt Einersheim, in Iphofen und im Bereich des katholischen Seelsorgebereichs Dreifrankenland im Steigerwald läuten ab sofort täglich um 19 Uhr fünf Minuten lang die Glocken. Das katholische Abendläuten um 18 Uhr entfällt in dieser Zeit, das evangelische Abendläuten wird angepasst. Alle Christen sind eingeladen, Psalm 91 zu beten und eine Kerze ins Fenster zu stellen. Pfarrerin Esther Meist vom Dekanat Markt Einersheim: „Wir wollen damit in schweren Zeiten, die verbieten, zusammenzukommen, ein Zeichen der Verbundenheit und der Hoffnung setzen.“