Musikalisch eine ganz besondere Zeit
Autor: Daniela Röllinger
Kitzingen, Mittwoch, 12. Dezember 2018
Das bekannteste deutsche Weihnachtslied entstand vor 200 Jahren, die Geschichte der Weihnachtsgesänge reicht viel weiter zurück.
Sie sind momentan allgegenwärtig, werden in Kirchen, Kindergärten, Schulen und Konzerthallen gesungen, erklingen im Radio, im Fernsehen, beim Einkaufen. Von Advents- und Weihnachtsliedern geht eine besondere Faszination aus – vor allem von den historischen, findet Christian Stegmann.
Der Regionalkantor hat ein Buch in der Hand. „Das Buch der Weihnachtslieder“ lautet der Titel, es beinhaltet 151 deutsche Advents- und Weihnachtslieder. In seiner Studienzeit hat er es bekommen und seitdem oft zur Hand genommen, sich detailliert über die Entstehung und Entwicklung des Weihnachtsfestes informiert.
„Mich fasziniert die Advents- und Weihnachtszeit“, sagt Christian Stegmann, und das hat natürlich mit seinem Beruf zu tun. „Die Zeit ist voller Musik, sie bietet musikalisch unglaublich viel.“ Deshalb hat er schon mehrfach in Vorträgen über Weihnachtslieder im Laufe der Jahrhunderte informiert, beispielsweise in dieser Woche bei den Rotariern in Volkach.
„Weihnachtslieder haben in der kalten Jahreszeit einen erwärmenden Charakter“, findet er. Im Mittelpunkt stehe die Weihnachtsgeschichte selbst, der theologische Gedanke, dass Gott sich klein macht und als sein Sohn auf die Welt kommt. Es sei beeindruckend, dass diese Botschaft durch alle Epochen und in der Sprache der jeweiligen Zeit in den Liedern ausgedrückt wird.
Anfangs sang nur der Klerus
Viele Bräuche und Gesänge rund um das Christfest haben sich erst mit den Jahrhunderten zu der Form entwickelt, wie wir sie heute kennen, erklärt der Kantor. „In den ersten tausend Jahren des Christentums wurde das Weihnachtsfest ausschließlich im Rahmen von Gottesdiensten und in Klöstern gefeiert.“ Lateinische gregorianische Gesänge zum Weihnachtsfest sind aus dieser Zeit überliefert.
Ab dem 11. Jahrhundert wurden szenische Spiele in die Gottesdienste eingebaut, „um dem einfachen Volk das Weihnachtsgeschehen näher zu bringen“. Und während bis dahin der kirchliche Gesang ausschließlich dem Klerus vorbehalten war, durfte nach und nach auch das Volk mitsingen. Aus dieser Zeit sind die ersten Weihnachtslieder in deutscher Sprache überliefert, bei denen das Volk im Wechsel mit den lateinischen Gesängen des Klerus sang. „Sei uns willkommen, Herre Christ“ ist laut Stegmann das älteste überlieferte Weihnachtslied. Der Wechsel zwischen lateinischen und deutschen Gesängen wurde allgemeine Praxis. „Bekanntestes Beispiel ist das Lied 'In dulci jubilo'“, so der Kantor.
Aus dem ausgehenden Mittelalter stammt der Brauch des „Kindelwiegens“: In einer Wiege vor dem Altar lag ein Christkind aus Wachs, das gewiegt werden durfte – verbunden damit sind viele Wiegenlieder entstanden wie „Joseph, lieber Joseph mein“. Aus dieser Zeit stammen aber auch viele ernstere Lieder, die laut Christian Stegmann teils einen sehr mystischen Text haben. „Es ist ein Ros' entsprungen“, nennt er als Beispiel, oder „O Heiland, reiß die Himmel auf“.