Druckartikel: Kitzinger sagen „Nein!“ zum Krieg

Kitzinger sagen „Nein!“ zum Krieg


Autor: Daniela Röllinger

Kitzingen, Mittwoch, 09. März 2022

Über 250 Menschen zeigen sich solidarisch, wollen helfen, unterstützen, um Frieden beten: Bewegende Worte bei der Mahnwache auf dem Kitzinger Marktplatz.
„Wir sagen nein zum Krieg und rufen auf zu Frieden in der Ukraine und Europa“, lautete die unmissverständliche Botschaft von Eva Trapp, den anderen Rednerinnen und den vielen Teilnehmern der Mahnwache auf dem Kitzinger Marktplatz. Fotos: Daniela Röllinger


Als Olga Kimbel ans Mikrofon tritt, kommt der Krieg in der Ukraine noch ein bisschen näher. Jeden Morgen, so erzählt die Frau, die seit 22 Jahren in Kitzingen lebt, ruft sie ihre Familie und Freunde in der Ukraine an. „Sind alle noch am Leben? Geht es Euch gut?“ Es sind Worte, die den Teilnehmern Tränen in die Augen treiben bei der Mahnwache „Frauen für Frieden“ auf dem Kitzinger Marktplatz. Etwa 250 Menschen haben sich dort zusammengefunden, um gemeinsam ein Zeichen zu setzen gegen den schrecklichen Angriffskrieg, um Solidartät zu zeigen mit den Opfern.

Es ist ein symbolischer Akt moralischer Unterstützung, initiiert vom Ortsverband der Grünen und zugleich überparteilich. Veranstaltet am Weltfrauentag und zugleich legen auch Männer Kerzen nieder. Weil der Krieg in der Ukraine alle gleichermaßen entsetzt und beängstigt.

Frauen besonders im Fokus

Besonders wolle man an diesem Tag der dramatischen Lage ukrainischer Frauen gedenken, sagte Eva Trapp, Vorstandssprecherin der Grünen. Der Frauen, die im Kriegsgebiet ausharren, die gegen russische Soldaten kämpfen, die ihr Land verlassen mussten oder um ihre Liebsten und Freunde im Kriegsgebiet bangen oder gar trauern müssen.

Man habe die Veranstaltung bewusst auf den Weltfrauentag gelegt, so Trapp, denn eine wesentliche Voraussetzung für Gleichberechtigung seien Frieden und Freiheit. „Wie fragil Frieden und Freiheit sein können, erleben wir gerade in der Ukraine – mitten in Europa.“ Das Recht auf Selbstbestimmung und die Hoffnung auf ein Leben in Frieden werde den Ukrainer*innen rücksichtslos abgesprochen. Die Welt schaue mit Erstaunen und Respekt darauf, wie mutig sich auch die Zivilbevölkerung den kriegerischen Akten entgegenstellt, um ihr Land, ihr Volk und ihren Weg zu Demokratie und Gleichberechtigung zu verteidigen. Niemand wisse, wie lange dieser einseitig erklärte Krieg noch anhält. „Gibt es noch eine Hoffnung auf Rückkehr zum Völkerrecht? Auf ein Ende der brutalen Gewalt in der Ukraine? Auf Frieden in Europa? Wir alle wollen so gerne daran glauben“, so Trapp.

Unermessliches Leid

Traurig, fassungslos, wütend, empört – sowohl Landrätin Tamara Bischof (FW) als auch Margit Hofmann (SPD) drückten in ihren Redebeiträgen aus, was die Menschen hier empfinden über den Angriffskrieg Putins, über das unermessliche Leid, das dieser mit sich bringt. „Man kann es nicht glauben“, so die Landrätin, in den Medien kaum mitansehen, was in der Ukraine passiert. „Krieg auf europäischem Boden? Niemals wieder wollten wir uns das vorstellen.“

Millionen Menschen seien nun auf der Flucht und benötigten Hilfe in den Nachbarländern und in Deutschland. Im Landkreis Kitzingen hätten sich bereits viele gemeldet, die helfen wollen – mit Geld- und Sachspenden, mit Wohnraum oder als Übersetzer. Für diese Hilfe sprach Landrätin Bischof den Bürgern ihren Dank aus.

Sie bewundere den Mut der Frauen, die den Weg aus der Ukraine in eine unsichere Zukunft alleine angetreten seien, sagte Bischof. „Das muss ein furchtbar schwerer Weg sein“, nicht wissend, ob sie Söhne, Männer und Väter jemals gesund wiedersehen, Eigentum, Haus und Freiheit zurücklassend. „Es ist unser aller Pflicht, sie hier willkommen zu heißen und ihnen einen guten Start zu ermöglichen.“ Die Herausforderung sei groß, „aber wir sind ihnen Respekt und Solidarität schuldig“.

Christa Büttner (Grüne) betonte, dass die Ukrainer, die so mutig Gegenwehr leisteten, nicht nur für ihr Land kämpfen, sondern sie verteidigen auch unsere Demokratie und Freiheit. „Darum verdienen sowohl die Kämpfenden als auch die Geflüchteten in dieser traumatisierenden Situation unseren Respekt, unser Mitgefühl und unsere Hilfe.“

Christine Jenike (CSU) zitierte aus einem Brief ihrer Mutter auf der Flucht aus Schlesien 1945 in eine ungewisse Zukunft und erzählte von einer jungen Ukrainerin heute, die der Welt über Bilder und Filme in sozialen Medien die Kriegssituation in ihrer Stadt zeigt. „Nur zwei von Millionen Frauen, Kindern und Männern, die nicht nur in Europa, sondern auf der ganzen Welt von Zerstörung und Tod bedroht sind, die jeden Tag als Bedrohung für das Leben ihrer Kinder erleben, als Verlust von Heimat und Sicherheit, als Kampf ums Überleben. Zwei von Millionen Menschen, die sich nichts sehnlicher wünschen als Frieden.“ Auf dem Marktplatz seien nun Menschen zusammengekommen, um zu zeigen, dass sie für diesen Frieden auftreten, dass sie den Menschen, die von Krieg und Gewalt betroffen sind, nicht gleichgültig gegenüberstehen. Und um denjenigen, die Hilfe brauchen, zu sagen, dass man versuchen werde, ihnen zu helfen mit den Mitteln, die uns zur Verfügung stehen.

Schon während der Mahnwache wurde deutlich, wie diese Hilfe aussehen kann. Nicht nur, dass viele Teilnehmer für die Ukraine spendeten – das Geld wird dem BRK weitergegeben. Auch ein Appell von Olga Kimbel fiel schnell auf fruchtbaren Boden. Die Ukrainerin lebt schon lange in Kitzingen, in ihrem Heimatland aber sind viele Mitglieder ihrer Familie direkt vom Krieg betroffen. Ihre Schwester musste die Ukraine verlassen, ihren Mann dort zurücklassen. Sie ist nach Warschau geflohen. Viele Bekannte seien auf der Flucht. „Morgens frage ich immer alle am Telefon ab: Seit ihr noch am Leben? Geht es euch gut?“

Erste Kontakte geknüpft

Ihr jüngster Sohn stelle Fragen nach der Verwandtschaft in der Ukraine, erzählte Olga Kimbel, sie sind schwer zu beantworten, die Lage schwer zu erklären. Er ist wie seine beiden Geschwister in Kitzingen geboren, der Stadt, die für die Ukrainerin die zweite Heimat geworden ist. „Danke, dass ich hier willkommen bin“, sagte sie und äußerte die Hoffnung, dass die Menschen hier auch anderen aus der Ukraine helfen: „Meine große Bitte: Helfen Sie meiner Freundin“, bat sie mit tränenerstickter Stimme. Die Freundin ist auf der Flucht, in Polen gestrandet, doch weil sie vier Kinder hat, will niemand sie aufnehmen. „Sie schläft irgendwo auf dem Boden.“ Noch während der Mahnwache, während die Anwesenden den tröstenden Worten von Dekanin Kerstin Baderschneider lauschten, die von der Ohnmacht sprach, die man empfinde, vom Trost, die Friedensgebete geben könnten, noch während alle gemeinsam „We shall overcome“ sangen, wurden erste Kontakte geknüpft, um eine Unterkunft für die Frau und ihre Kinder zu finden. Und schon am nächsten Tag war eine Wohnung in Wiesenbronn gefunden, wurde zudem sogar angeboten, die Geflüchteten mit dem Auto in Polen abzuholen – aus über 900 Kilometern Entfernung. Schon an diesem Donnerstag soll die Fahrt stattfinden.

Putin ist der Verantwortliche

Deutlich gemacht wurde in den Redebeiträgen immer wieder, dass die Menschen sehr wohl wissen, dass es Putins Angriffskrieg ist, nicht der der russischen Bevölkerung. Margit Hofmann sprach den russischen Bürgern, die nun vermehrt gegen Putin protestieren, größten Respekt aus. „Wir dürfen nicht die Russen und die russische Kultur als Feindbild sehen“, erklärte auch Eva Trapp. „Die Menschen aus Russland und Spätaussiedler, die hier leben, haben nichts mit Putins Krieg zu tun.“

Am deutlichsten wurde diese Botschaft, als ein junges Mädchen ans Mikrofon trat, spontan, ohne auf der Rednerliste zu stehen. „Es geht nicht nur um die Ukraine“, sagte Lilian Fechtner. „Auch Männer aus Russland müssen in den Krieg ziehen, werden wahrscheinlich sterben. Die Frauen wissen nicht, ob sie sie wiedersehen werden. Und wenn, dann wahrscheinlich krank und verletzt.“ Es sind die Worte und Tränen von Lilian und von Olga bei dieser Mahnwache, die es am deutlichsten machen: Der Krieg ist zwar viele Kilometer entfernt und doch mitten unter uns.