Kitzingen: "Es war die Hölle" - Omikron zwingt unterfränkische Pflegekräfte zu Notlösungen
Autor: Ralf Dieter
Kitzingen, Montag, 07. März 2022
Die Omikron-Welle hat den Beschäftigten in der Pflege auch im Landkreis Kitzingen noch einmal alles abverlangt. Überstunden wurden aufgebaut, Urlaub abgesagt. Aber: So kann es nicht weitergehen, sagen Caritas, Diakonie und Co.
Das Gröbste ist geschafft, die schlimmste Zeit überstanden. Jetzt gilt es, Strukturen zu schaffen, damit sich so eine Situation nicht wiederholt. „Es war die Hölle“, sagt Helmut Witt. Der Leiter des Hauses der Pflege in Sickershausen ist an und für sich ein rationaler Mensch. Die letzten Wochen haben allerdings auch ihm zugesetzt. Reihenweise sind die Mitarbeiter ausgefallen, Omikron hatte seine Spuren hinterlassen.
Ein Bereich musste komplett in eine Isolierstation umgebaut werden, etwa die Hälfte der Beschäftigten hat sich angesteckt. „Zum Glück sind die gesunden Kollegen cool geblieben und wir konnten diese Phase überstehen“, berichtet er. Aber natürlich haben sich jede Menge Überstunden aufgebaut – und die Frage steht im Raum, wann sie abgebaut werden können. „Die Personaldecke ist sehr dünn.“
Omikron bringt Caritas an personelle Grenzen
Georg Sperrle geht es nicht anders. Der Geschäftsführer der Caritas-Einrichtungen GmbH berichtet von mehreren Einrichtungen, in denen Omikron gewütet hat. „Von heute auf morgen sind zehn bis 20 Mitarbeiter ausgefallen“, erzählt er. „Das kannst du kaum kompensieren.“ Zeitweise griff die Caritas über Zeitarbeitsfirmen auf externe Hilfe zurück, Sperrle hat auf dem Höhepunkt der Welle sogar überlegt, Angehörige anzurufen und um Hilfe zu bitten. „So eine schwierige Situation haben wir noch nie erlebt.“
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Das Wichtigste: Fast alle Mitarbeiter und auch die Bewohner haben die Omikron-Welle gut überstanden, nur einer musste in die Klinik eingeliefert werden. Das Boostern hat Wirkung gezeigt. Mittlerweile sind auch rund 95 Prozent der Beschäftigten geimpft. Die 60 bis 70 ungeimpften Mitarbeiter möchte Sperrle keinesfalls verlieren. Die Einführung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht könnte aber genau dazu führen. „Das würde uns auf jeden Fall weh tun.“
Carsten Bräumer hat Anfang März die Geschäfte des Diakonischen Werkes in Schweinfurt von Jochen Keßler-Rosa übernommen. „Die Belastung der Mitarbeiter ist im Moment extrem“, weiß er. Dennoch: Für die Bewohner konnten auch in den schwierigsten Momenten alle Leistungen erbracht werden. „Aber wir sind personell überall auf Kante genäht.“ Zeitweise haben Führungskräfte im Pflegebereich ausgeholfen, um die Lücken zu füllen. „Zum Glück haben wir eine Menge intrinsisch motivierter Mitarbeiter“, sagt Bräumer. Auf Dauer müsse sich die Personalsituation aber grundlegend verändern.
Corona-Schnelltest von CITEST: Den Testsieger der Stiftung Warentest bei Amazon ansehenDie Diakonie hat deshalb schon seit längerem das Projekt „Personalgewinnung“ aufgelegt. Mitarbeiter werden darin beispielsweise aufgerufen, neue Mitarbeiter zu werben – und erhalten im Erfolgsfall drei Urlaubstage. „Wir wollen unsere Attraktivität als Arbeitgeber ganz grundsätzlich weiter steigern“, nennt Bräumer das übergreifende Ziel. Im Kern gehe es um die Atmosphäre am Arbeitsplatz, um die Verlässlichkeit der Dienstpläne. „Das Finanzielle ist für die meisten Mitarbeiter gar nicht das Entscheidende“, sagt er.
Mitarbeiter verzichten wegen Omikron auf freie Tage
Georg Sperrle sieht das ähnlich. Die Mitarbeiter würden sich vor allem eines wünschen: Mehr Zeit für die Pflege. Und die Gewissheit, dass ein freies Wochenende nicht kurzfristig gestrichen wird, weil wieder ein Notfall eingetreten ist. Gerade während der Omikron-Welle haben die Mitarbeiter auf freie Tage, Wochenenden und Urlaub verzichtet, sind eingesprungen, wenn es in anderen Einrichtungen zu Engpässen kam. „Das Image des Berufes muss sich verändern“, wünscht sich Sperrle und sieht die Politik in der Pflicht.