Warum kann der Versandhandel so viel billiger anbieten?
Unger: Weil er sich auf das reine Versenden von Medikamenten konzentrieren kann. Wir haben ein Labor, leisten Nacht- und Notdienst, erstellen individuelle Rezepturen, haben hohe Handlingkosten für Kühlartikel und Betäubungsmittel, wir beraten, wir müssen einen Beitrag an die Berufsgenossenschaft überweisen, Ersthelfer stellen und vieles mehr. Die Kostenstruktur ist einfach anders.
Für chronisch Kranke kann der Versandhandel durchaus eine Erleichterung sein.
Unger: Klar, wer täglich auf Medikamente angewiesen ist, die Kosten im Blick behalten muss und womöglich auch nicht mehr mobil ist, für den hat der Versandhandel natürlich Vorteile. Wobei: Mittlerweile bieten Apotheken vor Ort quasi immer einen Botendienst an. Der bringt die Medikamente im Eilfall am gleichen Tag, nicht etwa mehrere Tage später und unter zweifelhaften Transportbedingungen. Eigentlich sollten sich alle Verbraucher die Frage stellen, wie wichtig ihnen eine flächendeckende Versorgung mit Apotheken auch in Zukunft ist.
Was kann die Politik tun, um diese flächendeckende Versorgung sicher zu stellen?
Unger: Wir fordern die Einhaltung der Gleichpreisigkeit. Das wäre die sauberste Lösung. So wie sie in etwa drei Viertel der EU-Länder bereits angewandt wird. Bei verschreibungspflichtigen Tiermedikamenten ist der Versandhandel übrigens außen vor. Bei Medikamenten für den Menschen nicht. Manches ist in der EU tatsächlich nicht nachvollziehbar.
Was hat die EU falsch gemacht?
Unger: Der Europäische Gerichtshofs hat den ausländischen Versandapotheken 2016 ein großes Tor geöffnet, in dem er ihnen zusprach, dass sie sich nicht mehr an die festgeschriebenen Arzneimittelpreise halten müssen. Seither können sie Rabatte und Boni gewähren. Dabei sollten Arzneien nicht Rabattschlachten unterworfen sein. Arzneien sind ein besonderes Gut.
Jens Spahn hat eine Beschränkung der Rabatte auf 2,50 Euro ins Spiel gebracht.
Unger: Für mich der falsche Weg. Dann wollen die inländischen Versandhändler auch Boni gewähren. Die Folge wäre ein Preiskampf, den gerade die kleinen Apotheken auf dem Land nicht überstehen würden. Ideal wäre es, wenn die Kunden erst gar nicht auf Schnäppchenjagd gehen müssten.
Wie reagiert die deutsche Politik auf Ihre Forderungen?
Unger: Unterschiedlich. Im Bund sehe ich derzeit keine Mehrheit für unsere Wünsche, Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml hat uns beim Bayerischen Apothekertag in der letzten Woche ihre Unterstützung zugesagt.
Kümmern sich die Politiker nicht um die Belange der Apotheker vor Ort?
Unger: Nein, das würde ich so auf keinen Fall sagen. In den letzten Jahren ist der Fonds für die Nacht- und Notdienste aufgestockt worden, die aufwändige Dokumentation für die Abgabe von Betäubungsmitteln wird mittlerweile honoriert und die Vergütung von individuellen Rezepturen ist ebenfalls verbessert worden. Das sind alles Fortschritte.
Die Ihnen nicht reichen.
Unger: Das Ungleichgewicht mit den Versandhändlern besteht ja immer noch. Es ist in Ordnung, dass unserem Berufsstand gewisse Pflichten auferlegt werden, aber es darf nicht sein, dass andere Leistungserbringer sich die Rosinen raus picken können. Das Ziel muss lauten, dass die Rahmenbedingungen für alle Anbieter gleich sind.