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Jetzt ist Haltung gefragt


Autor: Ralf Dieter

Kitzingen, Freitag, 21. Sept. 2018

Causa Maaßen: Lokalpolitiker fordern die SPD-Parteispitze auf, nicht einzuknicken
Die SPD will Haltung zeigen – nicht nur auf Plakaten. Ihr Verhalten in der „Causa Maaßen“ wird sicher auch von der CSU genau beäugt.


In der SPD brodelt es. Der Zorn richtet sich gegen die eigene Parteichefin – aber vor allem gegen Horst Seehofer.

Robert Finster hat einen Brief verfasst. Den hat er am Mittwoch an Andrea Nahles geschickt. 49 Jahre sei er für seine SPD durch dick und dünn gegangen, habe auch in schwierigen Zeiten zu der Linie der Parteispitze gestanden. Ob Agenda 2010 oder die Fortführung der GroKo: Finster verteidigte immer die Entscheidungen gegenüber den Mitgliedern im Orts- und Bezirksverband. Aber nun sei eine Situation eingetreten, die er nie für möglich gehalten hätte: „Ich muss mich für eine Entscheidung, die Sie, Frau Nahles, ausgehandelt haben, schämen.“

Finster ist nicht der einzige, der einen Brief beziehungsweise eine Mail nach Berlin geschickt hat. Auch Kreis-Vorsitzender Heinz Galuschka hat seine Meinung in der „Causa Maaßen“ klar gemacht. Die Entlassung des ehemaligen Präsidenten des Verfassungsschutzes und seine anschließende Beförderung zum Staatssekretär sei ein Unding, die Rolle der SPD-Parteivorsitzenden dabei kein Ruhmesblatt gewesen. „Sie hätte sich wehren müssen“, sagt Galuschka in Richtung Nahles. „Sie hätte der Kanzlerin gegenüber klar machen müssen, dass so eine Beförderung niemandem zu vermitteln ist.“ d, Klaus Heisel.

„Es wird Zeit, dass wir klare Kante zeigen.“
Heinz Galuschka, SPD-Kreisvorsitzender

Via Facebook äußerte sich der SPD-Vorsitzende in Schweinfurt/Kitzingen, Ralf Hofmann, in ähnlicher Weise. Er nannte es einen Fehler, dass Nahles „offensichtlich zugestimmt hat“, dass Maaßen Staatssekretär wird. Dass der „auf dem rechten Auge blind sei“, habe sich schon beim Fall Amri gezeigt, meint Kitzingens Bürgermeister und langjähriges SPD-Mitglie

Bezüglich der Diskussionen um die Vorsitzende Nahles schlägt er gemäßigtere Töne an. Dass innerhalb der SPD jetzt wieder eine Diskussion anfange, findet er „nicht toll“ und wirbt um Verständnis. Das Problem sei, dass Andrea Nahles sowohl die Position der Partei als auch die der Koalition vertreten müsse. Und das sei in diesem Fall nicht in Einklang zu bringen.

Für Robert Finster bestand der Kardinalfehler darin, dass sich Andrea Nahles vor dem Treffen mit Merkel und Seehofer nicht mit den Vorstandsmitgliedern abgestimmt habe. Als dann die Frage im Raum stand, ob es zu einem Koalitionsbruch kommt, stand sie alleine da.

Sie hätte der Kanzlerin klar machen müssen, dass die SPD die Große Koalition verlässt, wenn Seehofer nicht zurückrudert. „Dann wäre der Schwarze Peter bei der Kanzlerin gewesen“, so Finster. „Jetzt ist Merkel wieder fein raus.“

Die müsse endlich „Kante zeigen“, fordert auch stellvertretende Kreisvorsitzende Astrid Glos. Die Kanzlerin dürfe sich nicht immer von Horst Seehofer, für den sie sich mittlerweile fremdschäme, vor den Karren spannen lassen. Was im Moment in der großen Politik geschieht, könne man bei den Wahlkampfveranstaltungen auf der Straße niemandem mehr vermitteln, ärgert sie sich. „Die Leute schütteln alle den Kopf.“ Robert Finster sieht sogar die Demokratie in Gefahr. „Ich habe Angst um unser Land.“ Seine Angst hat viel mit Horst Seehofer zu tun.

„Seehofer zündelt und provoziert.“
Robert Finster Stellvertretender Landrat

Für Finster ist klar, dass der Bundesinnenmister die Beförderung von Maaßen von langer Hand geplant habe. Für Finster ist Seehofer längst untragbar geworden. „Seit einem Jahr stört er die an und für sich gute Arbeit in der Koalition“, ärgert er sich. „Seehofer zündelt und provoziert.“

Der unterfränkische SPD-Vorsitzende Bernd Rützel sieht das ähnlich: Wegen der regelmäßigen Querschüsse des Innenministers komme man nicht zum Regieren, moniert er, während Finster prophezeit: So lange Seehofer im Amt ist, wird es keine Handlungsfähigkeit innerhalb der Regierung geben. Heinz Galuschka sieht das ähnlich. Sollte die Beförderung Maaßens am Montag bei den Koalitionsverhandlungen in Berlin nicht rückgängig gemacht werden, müsse Horst Seehofer entlassen werden. Passiert keines von beidem, sollte die SPD Rückgrat zeigen und die GroKo verlassen. „Es wird Zeit, dass wir klare Kante zeigen“, fordert er. „Die SPD kann nicht mehr alles einfach so hinnehmen.“

Robert Finster hält eine Entlassung Seehofers jedenfalls für überfällig. Und er ist überzeugt davon, dass sich selbst innerhalb der CSU einige Mitglieder über diesen Schritt freuen würden. „Dann hätten die ruckzuck acht Prozent mehr bei den Landtagswahlen“, prognostiziert er. Eine Einschätzung, die CSU-Landtagsabgeordneter Otto Hünnerkopf überhaupt nicht teilen kann. Nicht alle Formulierungen Seehofers in der Vergangenheit seien hilfreich gewesen, gibt er zu und erinnert an die „Mutter aller Probleme“, mit der Seehofer die Migration betitelte.

Dem CSU-Vorsitzenden sei in der „Causa Maaßen“ aber grundsätzlich nichts vorzuwerfen. Der ehemalige Präsident des Verfassungsschutzes habe seine Arbeit gemacht und genau hingeschaut, als es um die Frage ging, ob ein Video von den Hetzjagden in Chemnitz authentisch sei. „Deswegen kann ich doch niemanden fallen lassen.“

Mitten im bayerischen Wahlkampf sorgt die „Causa Maaßen“ für jede Menge Aufregung. Der unterfränkische SPD-Chef Bernd Rützel berichtet von zahlreichen Menschen, die sich bei ihm gemeldet haben, weil sie nicht nachvollziehen können, wie man zu der Maaßen-Entscheidung kam. Robert Finster hatte diese Woche schon fünf langjährige SPD-Mitglieder beruhigen müssen. Sie wollten aus der Partei austreten.

Wie oft Finster diese Überzeugungsarbeit noch leisten muss, hängt maßgeblich vom Ergebnis der Besprechungen am kommenden Montag ab. Und von der Haltung, die Andrea Nahles dabei zeigt.