Im Kitzinger "Ghetto" ist noch viel zu tun
Autor: Diana Fuchs
Kitzingen, Dienstag, 28. Mai 2019
Wegweiser-Team und Sozialpädagoginnen sind sich einig: Vertrauenspersonen für Notwohner könnten einiges zum Guten wenden
Manuela Link ist zuverlässig. Immer wieder kommt sie ins Kitzinger Notwohngebiet. Im Wechsel mit ihren neun ebenso zuverlässigen Ehrenamts-Kollegen schließt sie mittwochs die Begegnungsstätte „Wegweiser“ auf, kocht für die Bewohner Tee und Kaffee, schmiert Brote, hilft bei kleinen alltäglichen Problemen und hört sich die großen Sorgen der Menschen an. Sie ist ein freundlicher, geduldiger, ruhiger Mensch. Doch sie und das ganze Wegweiser-Team fragen sich: Wann beginnt im „Ghetto“, in dem derzeit 105 Menschen (darunter neun Kinder) leben, endlich wirklich ein Umbruch?
Schimmel, keine Duschen, kein Warmwasser – die desolaten Zustände in den Notwohnblocks der Egerländer Straße 22, 24 und 26 sowie nebenan in der Tannenbergstraße 37 waren nicht nur in Kitzingen viele Jahre lang ein Streitthema, sondern sorgten 2018 auch in der überregionalen Presse für Negativschlagzeilen. Die „Schlichtwohnungen“ stammen aus den 60er Jahren und haben teilweise bis heute keine Bäder.
Biebl: „Herkulesaufgabe“
Die Stadt reagierte mit „Sofortmaßnahmen“. Unter anderem leitete sie ein auf zwei Jahre angesetztes ökumenisches Projekt in die Wege: Die „soziale Beratung Notwohngebiet Kitzingen“ finanzieren Stadt und Landkreis gemeinsam unter Trägerschaft von Diakonie und Caritas; dadurch konnten ein hauptberuflicher Hausmeister und zwei Sozialarbeiterinnen eingestellt werden.
Hausmeister Gunther Dürner sorgt nun seit August 2018 für Ordnung in Haus und Hof. Im Herbst startete zudem Sozialpädagogin Christina Flurschütz mit einer Kollegin die „Sozialberatung“ in der Egerländer Straße (-> Interview „Mittendrin“-Seite) . Doch die hygienischen Verhältnisse sind nach wie vor prekär. Alle alten Wohnungen mit einer Dusche auszurüsten – oder zumindest eine frei stehende Wohnung pro Block in eine Gemeinschaftsdusche umzubauen – ist wegen der baulichen Mängel nicht möglich. Kleine Boiler sollen nun die größte Not lindern; bis zum nächsten Winter soll es laut Stadtverwaltung in jeder Wohnung zumindest ein bisschen Warmwasser geben.
„Ich möchte nicht jammern und meckern“, sagt Manuela Link. „Aber wir betreiben jetzt schon drei Jahre lang ehrenamtlich die Begegnungsstätte Wegweiser und noch immer können die Bewohner nirgends duschen außer in unserer Nasszelle hier im Wegweiser.“ Das sei sehr frustrierend. „Wer geht schon gern ungewaschen irgendwo hin? Selbst aufs Amt möchte man doch nicht stinkend gehen.“ Und auch, wenn jemand schon einen Boiler besitze, könne er sich in den kleinen Waschbecken nicht richtig säubern. „Zum Haare waschen kriegt man den Kopf in den Mini-Becken schon gleich gar nicht unter den Hahn.“
Während der Öffnungszeiten des Wegweisers sei die Dusche quasi dauerbesetzt. Eine Nasszelle reiche einfach nicht für die vielen Menschen.
„Wir können sehr gut nachvollziehen, dass es den eifrigen und fleißigen Helfern im Wegweiser zu langsam geht“, sagt Claudia Biebl, die Pressesprecherin der Stadt Kitzingen. Die „Herkulesaufgabe“, einen sozialen Brennpunkt zu befrieden, brauche jedoch Zeit. Das Büro, das mit der Neukonzeption für das Notwohngebiet beauftragt ist, soll sein Konzept „im Sommer“ präsentieren.