Hanf-Dampf in allen Gassen?
Autor: Ralf Dieter
Kitzingen, Donnerstag, 02. Mai 2019
Der Organisator des ersten "Global Marijuana March" in Kitzingen kämpft für eine Legalisierung von Cannabis und ruft zum Protestmarsch am 4. Mai auf.
Christian Müller ist überzeugt: Die Legalisierung von Cannabis wird kommen. Früher oder später. Mit einem Protestmarsch will er auf die Thematik hinweisen. Am Samstag, 4. Mai, findet der erste „Marijuana March“ in Kitzingen statt. Motto: „Keine Pflanze ist illegal“.
Andere Länder habe es vorgemacht: Uruguay hat im Dezember 2013 als erste Nation den Anbau von Cannabis legalisiert. Im letzten Jahr zog Kanada nach, in einigen Bundesstaaten der USA ist der Besitz von Marihuana ebenfalls straffrei. Jetzt denkt sogar Luxemburg an eine Legalisierung. „Deutschland ist diesbezüglich ein Entwicklungsland“, bedauert Christian Müller, der zwischen 1998 und 2003 selbst Cannabis eingenommen hat und von einer „stark therapierenden Wirkung“ spricht. Ein leichtes Asperger-Syndrom sei bei ihm diagnostiziert worden. Durch den Cannabis-Konsum habe er das erste Mal einen Zugang zur Realität gefunden.
Gegner einer Legalisierung dürfte das wundern. Sie stören sich gerade an der rauschhaften Wirkung von Cannabis, an dessen Suchtpotenzial. Vor allem junge Menschen sind gefährdet. Und die greifen immer häufiger zu Drogen, wie der Pressesprecher der Polizei in Unterfranken, Michael Zimmer, berichtet. „Wir beobachten die Entwicklung der Rauschgiftkriminalität mit kritischem Blick“, sagt er. „Insbesondere bereitet uns die Steigerung bei den jugendlichen Tatverdächtigen im Alter von 14 bis 18 Jahren Sorge.“ Mit einem Wert von 14,7 Prozent habe sich deren Anteil an den Delinquenten in den letzten zehn Jahren verdoppelt.
Die Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz mit Cannabis haben sich unterfrankenweit in den letzten fünf Jahren beinahe verdoppelt. 2013 waren es 1.788 Fälle, im vergangenen Jahr 3.093. „Rauschgiftkriminalität ist ein Kontrolldelikt“, erklärt Zimmer. Und die Kontrollen haben in den letzten Jahren zugenommen. Zurecht, wie Zimmer findet. Zwei Tote hat es 2017 bei Unfällen gegeben, bei denen Drogen im Spiel waren. Im letzten Jahr zählte die Polizei 61 Verletzte bei Fahrten unter Drogeneinfluss.
Ob diese Zahlen bei einer Legalisierung weiter steigen oder vielleicht sogar sinken, weil der Reiz des Unerlaubten wegfällt? „Wir sind die Exekutive“, erinnert Michael Zimmer. Die Gesetze machen andere.
Kerstin Celina ist Landtagsabgeordnete der Grünen und wird am Samstag in Kitzingen sprechen. Sie war früher gegen die Legalisierung von Cannabis. „Das hat sich aber geändert, nachdem ich mich intensiv mit dem Thema beschäftigt habe“, sagt sie. Jetzt ist sie überzeugt davon, dass eine gute Drogenpolitik anders aussehen muss, als die aktuelle Drogenpolitik in Bayern.
Ausschlaggebend für die Abgeordnete war die Lektüre des Buches von Jugendrichter Andreas Müller und Interviews mit ihm. Müllers These: Auch heute kifft schon jeder, der kiffen will. Und legalisieren heißt nicht verharmlosen. „Das sehe ich genau so“, meint Celina, die eine Zeit lang als Schöffin am Amtsgericht gearbeitet hat. Ihre Erfahrung: zwei Drittel der Fälle dort hatten mit Drogen zu tun. „Das ist eindeutig zu viel“, meint sie. Viele, die dort vor Gericht standen, seien weder Straftäter noch verantwortungslose Menschen gewesen. „Es blockiert unser Justizsystem und bringt nichts.“