Druckartikel: Geschmackloser Lutscher

Geschmackloser Lutscher


Autor: Julia Volkamer

Kitzingen, Mittwoch, 26. Januar 2022

Seit Anfang des Jahres müssen auch Kindergartenkinder regelmäßig getestet werden. Warum das am besten zu Hause passiert. Und selbst für die Jüngsten verständlich ist.
Ein Strich auf dem Teststreifen ist ein gutes Zeichen: Dann kann es ab in den Kindergarten gehen. Dreimal in der Woche sind Eltern von Kindergartenkindern aufgerufen, ihre Kleinen daheim zu testen.


Linus muss nur kurz überlegen. „Der schmeckt nach Nutella!“ 30 Sekunden lang schiebt der Fünfjährige den imaginären Lolli von der einen Backe in die andere, um möglichst viel Spucke für seinen Schnelltest aufzusaugen. Die Kassette mit dem Ergebnis muss er in seinen Kindergarten mitbringen, mitsamt einer unterschriebenen Bestätigung der Eltern. So oder ähnlich beginnen seit dem Ende der Weihnachtsferien auch für die Kindergartenkinder im Landkreis Kitzingen drei Tage pro Woche. Die Möglichkeit der Pool-Testung in den Kindertagesstätten ist hier, im Gegensatz zum Landkreis Würzburg, kein Thema.

Corinna Petzold-Mühl führt stellvertretend für das Landratsamt verschiedene Gründe an. Insgesamt könne die Situation in den Kindertageseinrichtungen nicht 1:1 mit der in den Schulen verglichen werden, wo es mit den PCR-Pool-Tests quasi reibungslos läuft. „Das ist vor allem deshalb so, weil alle Kinder zur selben Zeit in der Schule sind und die Tests zügig vor Ort gemacht werden“, erklärt die Pressesprecherin. „In den Kindertageseinrichtungen sieht die Situation anders aus.“ Der Zeitraum, in denen die Kinder zwischen einem und sechs Jahren dort hingebracht werden, erstreckt sich von 7 bis 9.30 Uhr. Diesen Zeitraum abzudecken, sei personell kaum möglich, und so müssten die Bringzeiten gegebenenfalls eingeschränkt werden. Zusätzlich müsse gewährleistet sein, dass die Tests zu einem bestimmten Zeitpunkt abgeholt und zum Labor gebracht werden könnten.

Überlastete Labore

Womit Corinna Petzold-Mühl beim nächsten Punkt ankommt – den Laboren. Sie seien „absolut überlastet“. Zwar bekommt der Landkreis die PCR-Ergebnisse des Labors Synalb in Weiden aktuell noch zuverlässig innerhalb von 24 bis 48 Stunden.

„Allerdings ist die Frage, ob das Labor, das letztlich den Auftrag bekommen würde, die Mehrarbeit leisten kann und wie sich die Zeiträume, in denen die Ergebnisse zu erwarten sind, bei steigenden Omikron-Fällen entwickeln“, meldet sie Bedenken an, dass die Labore die Auswertung von zusätzlichen PCR-Pool-Testungen überhaupt stemmen könnten. Zudem dürfe man als verantwortliche Institution für die Pool-Tests schließlich nur dann auf eine teilweise Bezuschussung der Kosten durch den Freistaat rechnen, wenn das Ergebnis spätestens am darauffolgenden Tag vor Öffnung der Einrichtung bekannt gegeben wird – was bei der Aufteilung auf mehrere Labore noch weitere Unregelmäßigkeiten mitbringen könnte.

Letztendlich sei die Situation der Testungen in den Schulen nicht mit der in den Kindertagesstätten vergleichbar. Während die einen fast durchgehend eine Maske tragen und im Großen und Ganzen zuverlässig die Hygieneregeln beachteten, sei das bei kleineren Kindern grundsätzlich anders. Sie tragen keine Maske, suchen eher den Körperkontakt, niesen und husten vielleicht nicht immer in die Armbeuge.

„Bis das Ergebnis eines Pool-Tests in der Einrichtung oder bei den Eltern ankommt, ist der eine Kindergartentag längt um und der nächste hat mit großer Wahrscheinlichkeit schon begonnen.“

Der Kreis Kitzingen folgt damit unter anderem der Einschätzung der Wü-Kita-CoV-Studie. Die Experten aus Universität, Klinikum und Stadt schreiben in ihrer „Handreichung zu SARS-CoV-2 Testungen in vorschulischen Kinderbetreuungseinrichtungen“, dass es zum ersten „aktuell unklar ist, ob eine PCR-Testung oder ein Antigenschnelltest das bessere Verfahren für die regelmäßige Testung darstellen“. Schließlich sei bei Durchführung von PCR-Testungen entscheidend, dass das Ergebnis noch am Tag der Testung, das heißt vor dem nächsten Kita-Besuch verfügbar sei und im Fall eines positiven Nachweises den Eltern mitgeteilt werde. „Es ist davon auszugehen, dass entsprechende Laborkapazitäten nicht flächendeckend zur Verfügung stehen.“ Die Antigen-Schnelltests zu Hause lieferten also nicht nur ein schnelleres, sondern auch ein, unter den beschriebenen Bedingungen, sicheres Ergebnis.

Schummelei beim Test?

Vorausgesetzt, sie werden zuverlässig an drei Tagen in der Woche durchgeführt. Möglicherweise gibt es Eltern, die beim Testen vielleicht „schummeln“, ihn gar nicht oder bei einem anderen Kind oder bei sich durchführen und trotzdem die Bestätigung erhalten. Nicht so bei Linus. Für ihn gehört der „Lolli“ am Morgen schon dazu. Er hat das Glück, dass die Apotheke, die für seinen Kindergarten die Tests besorgt, diese Schnelltests für den Mundraum ergattern konnte. Schließlich denkt er an seine Erfahrung mit den Nasentests nicht gerne zurück. „Das hat immer so gekitzelt und auch ein bisschen weh getan“, erinnert sich das Vorschulkind, das auch noch einen jüngeren Bruder im Kindergartenalter hat. „Aber die Mama hat uns immer gut zugeredet. Und danach gab es Gummibärchen.“

Corinna Petzold-Mühl erachtet es – wie übrigens auch die Würzburger Expertenrunde – für sinnvoll, dass, gerade bei den kleinen Kindern, die Eltern zu Hause im gewohnten Umfeld den Test durchführen, und nicht, womöglich unter Zeitdruck, im Kindergarten. Das sei auch mit PCR-Tests möglich, löse aber weder das personelle noch das logistische Problem – im Gegenteil. Und „Schummeln“ könne man sowieso jederzeit.

Für Linus kein Thema – auch wenn er mit seiner Fantasie, was die Geschmacksrichtung des Lollis angeht, so langsam an seine Grenzen stößt. „Wo ist eigentlich die Firma, die solche Tests herstellt?“, fragt er seine Mama. „Wir sollten da mal hingehen und denen sagen, dass sie wirklich Lollis mit Nutella-Geschmack backen müssen. Sonst machen wir einfach nicht mehr mit.“

Auch wenn der Fünfjährige sich das Ausmaß dieser Entscheidung nicht vorstellen kann – so einfach wird es nicht sein. Grundsätzlich gelten aber weder Schul- noch Kindergartenkinder als Pandemietreiber. „Es gab Folgefälle in Einrichtungen, aber wenige und kaum größere Ausbrüche“, sagt Corinna Petzold-Mühl. Am 20. Januar waren dem Landratsamt 720 Corona-Fälle bekannt, lediglich 48 davon bei Kindern zwischen null und fünf Jahren. Rechnet man die Sechsjährigen noch dazu, wären es 19 Kinder mehr und damit 9,3 Prozent. „Wie viele Fälle durch positive Selbsttests für Kindergärten aufgedeckt wurden, können wir nicht beziffern“, erklärt Petzold-Mühl. So oder so seien die Testungen aber ein Schritt zu etwas mehr Sicherheit in dieser Situation. Das sieht auch ein Fünfjähriger ein – ob mit oder ohne Nutella-Geschmack.