Gemeinsam statt einsam
Autor: Ralf Dieter
Kitzingen, Freitag, 23. August 2019
Seit zehn Jahren gibt es die Selbsthilfegruppe für Schlaganfallpatienten im Landkreis Kitzingen. Hier werden Schicksalsschläge zusammen aufbereitet und verarbeitet.
Es gibt Sekt und Hugo. Alles alkoholfrei. Dazu Kaffee und Kuchen an einem fein gedeckten Tisch. Die Damen und Herren haben einiges zu feiern. Dass es ihre Gemeinschaft seit mittlerweile zehn Jahren gibt, beispielsweise. Und dass sie noch am Leben sind.
Im September 2009 ist die Selbsthilfegruppe Aphasie und Schlaganfall im Landkreis Kitzingen gegründet worden. Den Anstoß gab Dr. Wolfgang Karmann, Facharzt für Innere Medizin an der Klinik Kitzinger Land. Sein Anliegen ist auch zehn Jahre später noch modern und zielführend.
22 Mitglieder hat die Selbsthilfegruppe. Sie sind zwischen 45 und 90 Jahre alt, kommen aus dem gesamten Landkreis Kitzingen. So unterschiedlich die Menschen auch sind, eines eint sie: eine schmerzhafte und einschneidende Erfahrung.
Der Schlaganfall zählt zu den häufigsten Krankheiten in Deutschland. Alle zwei Minuten erleidet ein Mensch in Deutschland einen solchen, wie die Deutsche Schlaganfall-Gesellschaft berichtet. Schlaganfälle sind die dritthäufigste Todesursache und der häufigste Grund für Langzeitbehinderungen im Erwachsenenalter.„Laufen, Reden, Konzentrieren. Es gibt alle möglichen Probleme nach einem Schlaganfall“, weiß auch die Vorsitzende der Gruppe, Brunhilde Klein. Die Aphasie (Sprachstörung) ist eine davon.
Werner Hofmann hat der Schlaganfall im Schlaf überrascht. „Da hat sich nichts angekündigt“, erinnert er sich. „Das kam für mich völlig überraschend, wortwörtlich über Nacht.“ Zum Glück ist er relativ schnell in die Klinik eingeliefert worden, seine Frau hatte gleich den Notarzt verständigt. Es blieb eine Sprachstörung, die Worte kamen nur langsam. Dank vieler Logopädiestunden kann sich Werner Hofmann heute wieder sehr gut mitteilen. „Nur wenn ich aufgeregt bin, wird es schwierig“, sagt er und lächelt. Die Selbsthilfegruppe gibt ihm Selbstvertrauen. Hier kann er frei erzählen – von seinen Erfahrungen, von seinen Ängsten
„Letztendlich haben wir alle die gleichen Probleme“, sagt Brunhilde Klein. Sie hat der Schlaganfall beim Line-Dance getroffen. Mitten drin in der Übungsstunde. „Ich fühlte mich plötzlich wie auf einer Wolke“, erinnert sie sich. Klein wollte schnell nach Hause fahren und ins Bett. „Zum Glück haben mich die anderen nicht weggelassen, sondern gleich den Sanka gerufen.“ Mit Blaulicht ging es in die Klinik Kitzinger Land und direkt in die „Stroke Unit“ – eine Spezialabteilung, in der die Schlaganfallpatienten sofort durchleuchtet werden.
„Beim Schlaganfall zählt jede Minute“, sagt Dr. Karmann. Als Richtschnur gilt: Wer innerhalb von viereinhalb Stunden eingeliefert und behandelt wird, der hat gute Chancen, dass keine langfristigen Schäden zurückbleiben.