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Freunde, Fieslinge, Falschgeld


Autor: Diana Fuchs

Kitzingen, Freitag, 18. Mai 2018

Ratsrekord: Franz Böhm blickt auf 40 Jahre im Kitzinger Stadtrat.
Franz Böhm und der 5000-Rumpel-Mark-Schein: Was es mit der „Blüte“ auf sich hatte, schildert der dienstälteste Kitzinger Stadtrat im Interview.


Wenn er in der Stadt unterwegs ist – und das ist der Stammtischfreund häufig –, braucht er Zeit. Denn „der Fränz“ ist in Kitzingen in etwa so bekannt wie der Falterturm. Als kommunikativer Mensch bleibt Franz Böhm gern für das eine oder andere Pläuschchen stehen. Viele seiner Wege sind den Kitzingern längst bekannt: Allmorgendlich trifft er sich mit seiner „Gang“ in der Eisdiele am Markt und donnerstagabends ist sehr oft der Weg zum Rathaus angesagt, zur Stadtratssitzung. 40 Jahre gehört Franz Böhm dem Kitzinger Ratsgremium jetzt an. Im Interview erklärt er, wie sich die Kommunalpolitik verändert hat. Und was einen guten Stadtrat ausmacht.

Was hat Sie im Alter von 33 Jahren dazu getrieben, für den Stadtrat zu kandidieren?

Franz Böhm: Zwei CSU-Leute – Ewald Steck und Conny Imhof – hatten mich damals angesprochen. Und ich hatte wirklich Lust und fand es interessant, in der Kommunalpolitik aktiv zu werden. Aber ich bin ehrlich: Ich bin zwar konservativ, aber hätten mich damals Freie Wähler oder so angesprochen, dann wäre ich wohl so genannter Freier Wähler geworden.

So aber waren Sie schon nach nicht einmal einem Jahr Fraktionsvorsitzender der CSU.

Ja, ich war ein eifriger Grünschnabel, habe alles mitgeschrieben, was in der Sitzung passiert ist. Als Bürgermeister Richard Lorenz starb und die CSU seinen Nachfolger stellte, war der Fraktionsvorsitz frei – und die alten CSU-Recken schenkten mir ihr Vertrauen. Mit Dr. Fritz Klein, Gudrun Kittel, Karl Will oder Dr. Franz-Josef Oschmann hatte ich zuverlässige und erfahrene Menschen hinter mir. Man könnte sagen: Ich hatte Soldaten. Heute sind da viele Egoisten. Mehrheiten entstehen heute zufällig.

War das damals anders?

Ja. Wir waren Strategen. Mehrheiten wurden schon vor den Sitzungen klar gemacht.

Wo? Am Stammtisch?

Nicht unbedingt, aber das gab's schon auch. Aber man hat sich schon eher zusammengesetzt als heute. Man hat mehr miteinander geredet, fraktionsübergreifend.

Woran liegt das? Wird Parteipolitik in einer kleinen Stadt wie Kitzingen zu groß geschrieben?

Ja. Andererseits: Für eine Einheitsliste wie auf manchen Dörfern ist Kitzingen auf jeden Fall zu groß. Nach welchen Kriterien sollte man diese Liste zusammenstellen? Es muss also Parteien geben. Aber die könnten besser miteinander kommunizieren.

Seit 40 Jahren sind Sie durchgehend im Stadtrat – das ist Kitzinger Rekord. Welche Zeit war die schönste?

Die Zeit, in der ich als Bürgermeister den OB vertreten habe, von 1996 bis 2008. Ich hatte einen guten Draht zum damaligen OB Bernd Moser. Er hat mir vertraut, weil er wohl gemerkt hat, dass ich etwas für die Stadt bewegen will. Vor allem für die Städtepartnerschaften und für den Tourismus konnte ich mich in der Zeit einsetzen, zum Beispiel für den Wohnmobilstellplatz.

Eine Legislaturperiode lang waren Sie auch Kreisrat.

Ja, aber ganz ehrlich: Das war mir doch zu langweilig. Wir haben mit Tamara Bischof so eine exzellente Landkreis-Chefin, dass die Sitzungen überhaupt nichts Überraschendes an sich hatten.

Mehr „Action“ bieten also die Stadtratssitzungen?

Ja (grinst). Da haben wir schon so einiges erlebt...

Welcher „Gag“ ist Ihnen denn besonders in Erinnerung geblieben?

Klaus Christof ist am 1. April 1992 mit einem großen Karton in die Stadtratssitzung gekommen. Darin waren 30 Millionen „Rumpel-Mark“ – so stand es auf den einzelnen Scheinen, in Anspielung auf Erwin Rumpel, den damaligen Oberbürgermeister, und seinen Haushalt. Die „Rumpel-Mark“ hat damals bundesweit für Schlagzeilen gesorgt, das LKA nach Kitzingen gelockt und der KIK eine Anzeige wegen Geldfälschung eingebracht.

Gibt es auch Themen, die Sie genervt haben?

Was heißt genervt? Ich finde es halt immer wieder unglaublich, wie viele wichtige Themen einen über Jahrzehnte hinweg begleiten! Der Tangentenring um Kitzingen beispielsweise – da hat sich in den vier Jahrzehnten viel getan, aber fertig ist er trotzdem noch nicht. Oder der Kitzinger Bahnhof, der immer wieder Streitthema war und weiter ist.

Sehnt man sich als Stadtrat danach, solche Langzeit-Projekte einmal wirklich abzuhaken? Werden Sie deshalb noch einmal zur Wahl antreten?

Das werde ich kurzfristig entscheiden, die nächste Stadtratswahl ist ja erst 2020. Wenn es mir ein halbes Jahr vor der Wahl gesundheitlich gut geht, dann könnte ich mir vorstellen, noch einmal zu kandidieren. Aber jetzt kann ich das noch nicht sagen.

Haben Sie es je bereut, aus der CSU-Fraktion ausgetreten zu sein und ProKitzingen gegründet zu haben?

Bereut? Nein. Ich bin ja auch noch CSU-Mitglied. Aber die Spannungen in der Fraktion wollte ich damals nicht mehr mitmachen. Wenn ein Mensch falsch ist, dann ist er das Letzte für mich. Meine Konsequenz war der Fraktionsaustritt. Als Zwei-Mann-Gruppierung ist es heute natürlich schwer, eigene Vorstellungen im Rat durchzubringen. Deswegen rede ich in den Sitzungen auch gar nicht mehr viel.

Was zeichnet einen guten Stadtrat Ihrer Meinung nach aus?

Vor allem Vernunft. Und Geduld. Ein guter Stadtrat darf kein Egoist sein. Er muss die Demokratie leben, das heißt, Mehrheiten anerkennen und ein Verständnis dafür entwickeln, wie Mehrheiten entstehen.

Auch außerhalb der Kommunalpolitik sind Sie sehr aktiv: als Vorsitzender der Interessengemeinschaft Alter Friedhof, als Ehrenvorsitzender der Arbeitslosen-Initiative Aplawia, als Förderer des Spielraum e.V. und als Senator der KiKaG. Wollen Sie nicht mal ein bisschen kürzer treten und wieder einmal mit Ihren Enkelinnen in Ihr Lieblingsland, Kanada, reisen?

Das könnte tatsächlich noch einmal passieren. Die jungen Damen fragen schon immer danach. Aber so lange es mir gesundheitlich gut geht, will ich mich gerne auch in Vereinen und Organisationen für Kitzingen einsetzen. Seit meiner erfolgreichen Spinalkanal-OP habe ich keine Schmerzen mehr, das ist wunderbar. Einfach nur daheim sitzen, das ist halt nicht meins.

Franz Böhm feiert

Zur Person: In Mainz geboren, kam Franz Böhm als Zweijähriger mit seinen Eltern nach Kitzingen. Sein Vater, ein Dettelbacher, baute hier eine Spedition auf, in die Franz Böhm nach der Handelsschule und seiner Ausbildung zum Speditionskaufmann einstieg. Die Unternehmerzeit endete in den 90ern mit der Insolvenz der Firma. Schon lange vorher hatte Franz Böhms kommunalpolitische Karriere begonnen. Seit 1978 ist er Stadtrat, führte 17 Jahre lang die CSU-Fraktion, war zwölf Jahre Stellvertreter des Oberbürgermeisters. 2008 gründete er mit Hans Schardt eine eigene Ratsgruppe nebst Verein: ProKitzingen e.V. Böhm hat alle kommunalen Auszeichnungen erhalten, die es gibt, vom Ehrenring der Stadt über die Bürgermedaille in Gold bis hin zur Verdienstmedaille des Freistaates. Verheiratet ist Böhm seit 51 Jahren mit seiner Doris; die beiden haben zwei Töchter, einen Sohn und drei Enkelinnen.

Hobbys: Franz Böhm war lange Jahre Handballer bei der Turngemeinde, Fußballer bei den Kitzinger Bayern, aber auch Golf, Tennis, Rudern und Faustball waren seine Leidenschaften. Später sorgte er mit Wilhelm Straßberger und dem Arbeitskreis Grüngestaltung dafür, dass über 2500 Bäume im Stadtgebiet gepflanzt wurden.

Gratulieren: Wer Franz Böhm gratulieren will – zu 40 Jahren Stadtratsarbeit und zugleich zum Geburtstag –, kann dies direkt an seinem 75. Geburtstag, am Sonntag, 27. Mai, von 11 bis 13 Uhr bei einem privaten Empfang in der Rathaushalle tun. Geschenke wünscht er sich nicht, höchstens eine Spende für den katholischen oder evangelischen Kindergarten. Dafür stellt Böhm eine Spendenbox auf.