Es gibt noch viel zu tun
Autor: Ralf Dieter
Kitzingen, Donnerstag, 29. November 2018
Immer mehr Flüchtlinge kommen in Arbeit. Hilfe ist jedoch sehr komplex.
Von September 2017 bis August 2018 haben 657 arbeitslos gemeldete Flüchtlinge eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung im Agenturbezirk Würzburg aufgenommen. Das waren doppelt so viele wie in den zwölf Monaten zuvor. Klingt gut. Und dennoch gibt es noch sehr viel zu tun – wie das Beispiel Hossein Sarwari und die Firma Rökü in Kitzingen zeigt.
Stefan Beil ist der Leiter der Agentur für Arbeit in Würzburg. Er hat sicher recht, wenn er sagt, dass ein Arbeitsplatz nicht nur wichtig ist, um sich eine Existenz aufzubauen. Er ist auch ein wichtiger Schritt für die gesellschaftliche Integration. „Um die berufliche Integration zu fördern, ist es unabdingbar, die zu uns geflüchteten Menschen im Rahmen ihrer Möglichkeiten zu qualifizieren“, so Beil. „Hiervon profitiert am Ende auch die Region, denn Arbeitskräfte werden in fast allen Branchen dringend benötigt.“
Claudia Röder-Dehn und ihr Mann Jürgen Dehn von der Firma Rökü in Kitzingen benötigen neue Arbeitskräfte. Und sie haben positive Erfahrungen mit „ihrem“ Flüchtling, Hossein Sarwari gemacht. Dennoch würden sie zurzeit keinen zweiten Mitarbeiter mit Flüchtlingshintergrund anstellen. „Die bürokratischen Hürden sind einfach zu hoch“, sagt Claudia Röder-Dehn. Die Unterstützung, die sie als Arbeitgeber geleistet haben, sei unglaublich zeitintensiv und anstrengend gewesen.
Hossein Sarwari kam mit seiner Frau 2015 mit der großen Flüchtlingswelle aus Afghanistan nach Deutschland. Sie landeten in Kleinlangheim, erhielten eine Anerkennung als Flüchtlinge. Hossein Sarwari machte sich auf die Suche nach Arbeit, absolvierte unter anderem ein dreiwöchiges Praktikum bei der Firma Rökü, die in Kitzingen Maßbezüge für Autositze herstellt und immer wieder erfahrene Schneider sucht. „Die Voraussetzungen für eine Einstellung waren da“, erinnert sich Claudia Röder-Dehn. Was fehlte waren die Sprachkenntnisse. Das Einleben in eine völlig andere Kultur mit völlig anderen Herausforderungen fiel schwer.
Hossein Sarwari wollte und will gerne seine Deutsch-Kenntnisse vertiefen. Doch am Tag muss er arbeiten – und abends werden so gut wie keine Kurse angeboten. Außerdem: Wie sollte er von Kleinlangheim zu einem Deutsch-Kurs in Kitzingen oder gar in Würzburg gelangen? Mit öffentlichen Verkehrsmitteln? Ein Ding der Unmöglichkeit. Mittlerweile lebt er mit seiner Frau in Kitzingen, bei der Wohnungssuche haben ihm seine Arbeitgeber geholfen. „Aber auch jetzt ist es fast unmöglich, einen Deutschkurs für ihn zu finden“, ärgert sich Jürgen Dehn.
Ohne die Hilfe seiner Arbeitgeber hätte Hossein Sarwari manche Probleme bekommen. Beispiel: Seine Frau ging eineinhalb Jahre zur Schule nach Würzburg, übernahm dann einen 450-Euro-Job in einer Gärtnerei. Drei Monate pflanzen und ernten. Danach vergaß sie, sich wieder als arbeitssuchend zu melden, merkte erst, dass etwas nicht stimmte, als die Krankenkasse einen Bescheid schickte, dass 900 Euro nachzuzahlen seien. „Die Kasse war äußerst kulant“, freut sich Claudia Röder-Dehn. Sie hatte sich um die Korrespondenz gekümmert.
„Bei uns ist alles so kompliziert“, bedauert sie und bezeichnet den bürokratischen Aufwand, den sie für die Einstellung ihres Mitarbeiters aus Afghanistan hatte, als „extrem.“ Verschiedene Ämter waren involviert, teils würden sich die Angaben widersprechen, die gefordert werden. „Wie soll ein Flüchtling da durchblicken?“, fragt Röder-Dehn. „Diese Formulare sind schon für uns kaum verständlich.“ Ihre Konsequenz aus den letzten Jahren: Noch einmal will sie einen Flüchtling nicht einstellen. „Die Begleitumstände sind einfach zu kompliziert.“