Erzählungen für die Nachwelt
Autor: Ralf Dieter
Dettelbach, Freitag, 19. Januar 2018
Zeitzeugen erinnern sich in Dettelbach an die Schicksale der jüdischen Mitbürger.
Etwa 40 Personen waren da. Und sie hatten fast alle etwas zu erzählen. Elisabeth Rost vom Katholischen Frauenbund hatte zum Zeitzeugen-Café ins Pfarrheim geladen. Thema: Die jüdische Geschichte in Dettelbach.
Eine Synagoge gab es einst in Dettelbach – und eine Judenschule. Alles unter einem Dach. Bis ins Jahr 1938. Bis die Nazis die Synagoge anzündeten. Vier Jahre später wurden die verbliebenen jüdischen Mitbürger auf Karren geladen und Richtung Würzburg gefahren. Von dort ging es ins Konzentrationslager – und in den Tod.
Gleich zwei Deportationen hat es 1942 gegeben. „Wir mussten alle zuschauen, wie die Männer mit Stöcken zusammengetrieben und auf die Lkw verfrachtet wurden“, erinnert sich Ernst Dill. Junge Burschen waren sie damals – er, Alfons Knauer, Franz Then, Ludwig Nagel und Otto Stöcklein. Jetzt sitzen sie im Pfarrheim und erinnern sich an die Ereignisse, die auch in Dettelbach zu den schwärzesten Kapiteln der Geschichte gehören.
Elisabeth Rost interessiert sich für die Dettelbacher Geschichte. Noch mehr interessiert sie sich dafür, diese Geschichte und die dazugehörigen Geschichten für die nachfolgenden Generationen zu bewahren. Mit Zeitzeugin Käthe Plannasch war sie vor ein paar Jahren in der örtlichen Realschule. Dabei kam sie auf die Idee, die jüngere jüdische Geschichte Dettelbachs auch für einen größeren Kreis an Interessenten zu thematisieren.
Seit dem 14/15. Jahrhundert sind Juden in Dettelbach nachgewiesen. Im Jahr 1928 lebten noch 58 in der Weinstadt. Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten emigrierte etwa die Hälfte nach England oder in die USA. Diejenigen, die blieben, sollten 1942 ins Konzentrationslager geschickt werden. Keiner ist lebend zurückgekommen.
„Vor 1938 hatten wir keine Ahnung von den antisemitischen Tendenzen im Land“, erinnert sich Franz Then. „Zu Hause ist darüber nicht gesprochen worden.“ Von einem guten Miteinander und einem freundschaftlichen Umgang zwischen den jüdischen Kindern und den katholischen beziehungsweise evangelischen berichten alle Zeitzeugen. Man habe zusammen gespielt, zusammen die Nachmittage verbracht. Die Juden waren integriert. Ernst Dill erinnert sich, dass er am Sabbat das Feuer für eine jüdische Familie geschürt hat. Er war nicht der einzige junge Bursche damals. „Fünf Mark habe ich dafür bekommen. Das war mein erstes Taschengeld.“
Dann kam das Jahr 1938. Die Synagoge, die auf dem Platz der heutigen Sparkasse stand, wurde angezündet. Die damaligen Feuerwehrkommandanten waren schnell zur Stelle, löschten das Feuer. „Zum Dank“ wurden ihnen eine Woche später von den Nazis die Fensterscheiben ihrer Privathäuser eingeworfen.