Druckartikel: Eine runde Sache

Eine runde Sache


Autor: Ralf Dieter

Kitzingen, Montag, 02. Juli 2018

Eine Fußball-WM kann als Ressource für erzieherische Methoden taugen.
Gemeinsam Fußball schauen kann Kinder und Väter näher zusammenbringen – auch wenn die Deutschen längst ausgeschieden sind.


Auch wenn die deutsche Nationalmannschaft ausgeschieden ist. Die Fußball-WM fasziniert immer noch Groß und Klein. Doch ab welchem Alter dürfen die Kleinen zuschauen? Und wie lange? Abendspiele mit möglicher Verlängerung stehen an. Eltern sind als Vorbilder gefragt. Nicht nur was die Fernsehzeiten angeht.

Andreas Laurien schmunzelt. Er hat selbst Zwillinge. Sieben Jahre jung. „Wir sind in der Vorrunde bei den 16 Uhr-Spielen zusammen zum Public-Viewing“, sagt er. Zum ersten Mal. Von zu viel Fernsehen hält Laurien nichts. Vor dem Schuleintritt sollten die Kleinen am besten gar nicht vor der Glotze hocken. „Fernseh schauen spricht gerade mal zwei Sinne an“, sagt er. Dann lieber raus in die Natur.

„Die Begeisterung der

Erwachsenen wird sich in aller Regel auf die Kinder übertragen.“

Andreas Laurien, Leiter Erziehungsberatungsstelle

Zu WM-Zeiten ist das den meisten Kindern natürlich kaum zu vermitteln – und den meisten Erwachsenen auch nicht. Wenn überhaupt draußen, dann beim Public-Viewing. Mit jüngeren Kindern würde Laurien einen Besuch in der Menge allerdings nicht empfehlen. „Zu viel Leute, zu viel Lärm.“ Dann lieber daheim bleiben – und den Kindern ihren eigenen Rhythmus gewähren.

Wer lieber im Sandkasten spielt, als die Fußballer auf dem Rasen anzuschauen, der sollte das natürlich tun. Wobei das eher die Ausnahme bleiben dürfte: Die Begeisterung der Erwachsenen wird sich in aller Regel auf die Kinder übertragen. „Das liegt an den Spiegelneuronen im Gehirn“, erklärt der Leiter der Beratungsstellen für Kinder, Jugendliche und Erwachsene in Kitzingen.

Alle fußballbegeisterten Eltern kennen das: Der Nachwuchs setzt sich mit vor die Glotze – gerade wenn die Vorfreude und die Anspannung bei den Eltern steigen. „Das überträgt sich natürlich auf die Kinder.“ Schlimm ist das gar nicht, im Gegenteil. Selbst wenn der Papa ordentlich flucht, weil Manuel Neuer ein Gegentor fängt, Thomas Müller eine Chance vergibt und die deutsche Mannschaft zum ersten Mal schon in der Vorrunde ausscheidet, ist das kein Beinbruch. „Man sollte halt danach darüber reden und die eigenen Kommentare erklären. „Die Kinder plappern ja gerne alles nach“, sagt Laurien und muss grinsen.

Die Fußballzeit kann durchaus lehrreich sein, sie taugt beispielsweise als Ressource für erzieherische Methoden. Wann ist der Vater schon einmal in einem solch konzentrierten und emotionalen Zustand zu erleben? Wann ist er völlig fokussiert auf eine Sache und lässt sich total mitreißen? „Das lässt sich wunderbar in die Lebenswelt der Kinder übertragen“, meint Laurien. Diese Hingabe und volle Konzentration lässt sich für andere Lebensbereiche nutzen. Beispiel Hausaufgaben und Lernen: Warum nicht mit An- und Abpfiff operieren? Und dazwischen volle Leistung fordern. In der Pause gibt es natürlich eine entsprechende Verpflegung und Zeit zur Entspannung. Wer die Regeln verletzt, erhält eine gelbe Karte. Gerade für die jüngeren Kinder sind Fußballspieler Idole, Vorbilder. Deren Verhalten wird oft ungefiltert übernommen. „Nationalspieler sind maximal angesagt“, weiß Laurien. Die wichtigsten Spielszenen werden nachempfunden, die prägnantesten Aussagen in den Interviews nacherzählt. „Da kann auch ein Stück weit die Politik ins Leben der Kinder Einzug halten“, weiß der Leiter der Beratungsstelle. Andere Länder geraten durch eine WM in den Fokus, die Zusammensetzung der Mannschaft wird diskutiert und damit auch die Herkunftsländer der Spieler thematisiert.

Die Freude an der Identifikation mit der Mannschaft – und damit auch dem eigenen Land – war in diesem Jahr nicht so ausgeprägt wie noch vor vier Jahren, bedauert Laurien. Kein Wunder: Normalerweise wächst die Euphorie bei Groß und Klein von Erfolg zu Erfolg. Und der ist in diesem Jahr bekanntlich ausgeblieben. Dennoch werden manche Kinder auch bei den kommenden Viertel- und Halbfinalspielen unbedingt schauen wollen – und für die Eltern stellt sich die Gretchenfrage: Wie lange sollen sie ihre Kinder schauen lassen – wenn es vielleicht sogar in die Verlängerung geht oder zum Elfmeterschießen kommt?

Lauriens Tipp: Wie die Trainer mit ihren Spielern, so sollten auch die Eltern mit ihren Kindern verfahren und klare Absprachen im Vorfeld treffen. Sollte die Absprache lauten, dass die Kinder bis zum Schluss wach bleiben dürfen, hat Laurien einen praxisnahen Tipp parat, der auch den Erwachsenen helfen kann: Mittagsschlaf halten. Dann sind die Kinder abends besser drauf. Und können notfalls auch bis zum Elfmeterschießen schauen.