Ein Unding in Corona-Zeiten?
Autor: Ralf Dieter
Kitzingen, Montag, 01. Februar 2021
Die Bundestagswahl im September wirft ihre Schatten voraus. Kandidaten müssen vor Ort aufgestellt werden. Die meisten Parteien setzen dabei auf Präsenzveranstaltungen.
Nachvollziehbar ist das nicht. Aber geltendes Gesetz. Ob man das in diesen Zeiten nicht auch ändern kann? Kann man. Aber ob es was bringt?
Im September ist Bundestagswahl. Die Vorbereitungen laufen schon seit Wochen. Auch und gerade im Lokalen. In den einzelnen Wahlbezirken müssen die jeweiligen Bundestagskandidaten aufgestellt werden. Was in diesen Corona-Zeiten kaum zu vermitteln ist: Diese so genannten Aufstellungsversammlungen müssen Präsenz-Veranstaltungen sein. Mit anderen Worten: Während sich Privatpersonen derzeit maximal mit einer weiteren Person aus einem anderen Haushalt treffen dürfen, während jegliche Veranstaltungen abgesagt sind, müssen sich Parteien in Hallen, Gaststätten oder sonstigen Räumlichkeiten von Angesicht zu Angesicht treffen, um ihren Bundestagskandidaten zu bestimmen.
Die AfD im Kreis Kitzingen hat ihre Aufstellungsversammlung kürzlich in Schwarzach abgehalten. Im Saal des Gasthauses Akropolis waren 33 Menschen zusammengekommen – aus beinahe ebenso vielen Haushalten. „Wir waren im Großen Saal“, berichtet Kreisvorsitzender Christian Klingen. „Wir konnten uns gut auseinander setzen.“ Am Eingang ist Fieber gemessen worden, es gab keine Bewirtung, nach einer Stunde wurde gelüftet. Jeder hat überall eine Maske getragen, versichert Klingen. Das Hygienekonzept ist vom Landratsamt genehmigt worden.
Nach rund zwei Stunden war die Versammlung vorbei. „Virtuell ist so etwas einfach schwer umzusetzen“, meint Klingen und verweist auf die vielen älteren Parteimitglieder, die ihre Fragen gerne direkt stellen und vor Ort eine Antwort erhalten möchten. „So eine Aufstellungsversammlung ist ein sehr komplexes Verfahren“, sagt Volker Halbleib, Landtagsabgeordneter der SPD. Die Delegierten müssten zwingend anwesend sein. So sah es das Wahlrecht bis vor kurzem vor. „Sonst war die Aufstellung rechtswidrig.“
Halbleib ist bewusst, dass diese Vorgaben gerade jetzt, in Corona–Zeiten, Fragen aufwerfen. „Natürlich ist das erklärungsbedürftig.“ Was zeitlich zu schieben ist, das werde von der SPD auch geschoben. Die Neuwahl des Kreisvorstandes, beispielsweise. Bei den Aufstellungsversammlungen gebe es aber eine strikte Verordnung des Bundesinnenministeriums. Die ist am letzten Donnerstagabend vom Bundestag zumindest aufgeweicht worden. Jetzt gibt es zwei Optionen.
Anruf bei der Bundestagsabgeordneten der CSU, Anja Weisgerber: Sie hat Ende letzter Woche für die Zusatzverordnung gestimmt. Im Notfall kann eine Aufstellungsversammlung auf Orts- oder Kreisebene damit auch digital durchgeführt werden – oder der Kandidat per Briefwahl gewählt werden. Weisgerber warnt dennoch vor möglichen formalen Fehlern. „So ein Verfahren ist digital oder per Briefwahl noch nie durchgeführt worden.“ Im schlimmsten Fall unterlaufe einer Partei ein Formfehler und sie kann keinen Bundestagskandidaten aufstellen. „Das kann niemand wollen.“ Die CSU hat mit Abstand die meisten Mitglieder in Bayern. Im ganzen Bundeswahlkreis Schweinfurt-Kitzingen hat die CSU über 100 Ortsverbände. Jeder Ortsverband ist aufgerufen, seine Delegierten für die Kreisversammlung zu wählen. Im Bundeswahlkreis müssen drei Kreisversammlungen stattfinden, in Stadt und Landkreis Schweinfurt und im Landkreis Kitzingen. In den Kreisversammlungen werden wiederum Delegierte für die Bundeswahlkreisversammlung bestimmt. 160 Delegierte stellen dort ihre Kandidatin oder ihren Kandidaten formell auf. Eine virtuelle Basis-Konferenz der CSU-Ortsvorsitzenden und CSU-Kreisvorstände hat bereits Anfang Januar Anja Weisgerber für eine erneute Kandidatur bei der Bundestagswahl 2021 empfohlen. Und jetzt? Präsenzveranstaltungen? Mitten im Lockdown?
„Wir wollen uns vorbildlich verhalten“, betont Weisgerber. Gleichzeitig laufe den Parteien die Zeit davon. Die Ortsversammlungen im Wahlbezirk Kitzingen/Schweinfurt sind seit April/Mai des letzten Jahres immer wieder verschoben worden, jetzt dränge die Zeit. Bis Ende Februar sollten sie stattgefunden haben. „Wir hoffen alle, dass die Inzidenz-Zahlen weiter runtergehen“, sagt Weisgerber und betont, dass jede Versammlung vom zuständigen Landratsamt genehmigt werden muss, dass ein Hygienekonzept erstellt werden muss und dass die Versammlungen möglichst kurz gehalten werden. „Wir werden sie so zügig wie möglich durchziehen.“