Ein Koch, der dampft
Autor: Diana Fuchs
Kitzingen, Freitag, 17. August 2018
Gastro-Krise: Markus Geißel sucht jahrelang vergeblich nach einem Koch-Lehrling
Da sitzt er, umgeben von dampfendem Kaffee, Zigarettenrauch und vielen, vielen Zetteln. Es ist fast Mitternacht. Markus Geißel hat die Küche in seinem Landgasthof „Zur Krone“ aufgeräumt und sich eine Etage höher ins Arbeitszimmer begeben. Hier endet der Tag des „Krone“-Frontmanns inmitten von Zahlen und Berechnungen. Geißel ist ein Wirt in weißer Koch-Livree, wie wir ihn in Franken kennen – noch. Denn seine Zunft schrumpft. Geißel wundert das nicht. Es sei fast unmöglich, gutes Personal zu finden, sagt er. Personal, mit dem man rechnen kann.
Der Gastronom aus Brünnau bei Prichsenstadt (Landkreis Kitzingen) nennt dafür mehrere Gründe, vor allem den gesellschaftlichen Wandel und Probleme bei der Ausbildung in Berufsschule und Betrieb.
Geißel, Jahrgang 1975, führt den Landgasthof in der siebten Generation. Er ist quasi mit dem Sauerbraten aufgewachsen. Schon als Kind verbrachte er viele Stunden in der Küche der Oma. Seine Lehrjahre im Romantikhotel „Zur Schwane“ in Volkach prägten ihn ebenso wie die spätere Stellung als Sous-Chef in einem Romantikhotel bei Miltenberg. Kurz vor der Jahrtausendwende übernahm er den heimischen Herd. „Ich will unseren Gästen ehrliche, fränkische Küche bieten.“ Darin unterstützen ihn seine Eltern und seine Frau Kerstin, Ziehsohn Wolfgang Fröttinger (23) und Tochter Lea (17), die Hotelfachfrau lernt. Insgesamt kann Geißel auf ein neunköpfiges Team bauen.
Trotz dieser guten Voraussetzungen lässt Markus Geißel seine „Krone“ ab sofort montags geschlossen, „und vielleicht bald auch noch dienstags“. Seit sechs Jahren sucht Geißel einen Koch, den er langfristig anstellen möchte, um selbst entlastet zu werden. Doch keiner der Kandidaten wollte auf Dauer den geteilten Dienst – Mittags- und Abendservice mit längerer Nachmittagspause dazwischen – mittragen.
Neben diesem Problem ist der Brünnauer auch sicher: „Während der Koch-Lehre werden falsche Schwerpunkte gesetzt.“ Den Berufsschullehrern fehle Zeit für „das wirklich wichtige Thema natürliche Nahrungsmittel“. Das Thema „Arbeitsrecht“ werde im zweiten Lehrjahr dafür ausführlichst besprochen. „Ein Lehrling konnte zum Beispiel fertige Lammlachse zubereiten. Aber er hatte keine Ahnung, was er mit einem geschlachteten Tier anstellen sollte. Oder wie man Schlagsahne steif kriegt.“ Auch, dass Parmesan laktosefrei ist, habe er nicht gewusst, aber er habe „von studierten Paragrafenreitern gelernt, nach wie vielen Stunden er Pause machen soll“.
Im Betrieb seien solche jungen Menschen überfordert; einer habe in seiner Not mal per Handy ein You-Tube-Video übers Auslösen einer Rehkeule angeklickt. „Die junge Generation lernt in der Schule nicht genug über die Zusammensetzung und die Wertigkeit von Lebensmitteln! Und sie lernt nicht, dass man auch mal durchhalten muss. Dass es auch Spaß machen kann, nach der anstrengenden Stoßzeit zusammen durchzuatmen und sich über das Lob der Gäste zu freuen.“
Ein guter Koch, meint Geißel, müsse wertiges Essen schätzen. Er müsse Verantwortung übernehmen für die Lebensmittel, die er verwendet. „Mir ist es zum Beispiel wichtig, kein Fleisch aus industrieller Massenproduktion anzubieten.“