„Wir können zum Beispiel Flüchtlinge integrieren.“
Michael Schwägerl, DeHOGa-Geschäftsführer
Fakt ist, dass die Gastronomen sich ihre Lehrlinge längst nicht mehr aussuchen können. Sowohl in der Küche als auch im Service herrscht landesweit Nachwuchsmangel. „Kurz vor Ausbildungsstart haben wir zirka neun Prozent weniger Auszubildende im Hotel- und Gaststättengewerbe in Mainfranken als im Vorjahr“, stellt Dr. Lukas Kagerbauer fest, Bereichsleiter Berufsbildung an der IHK Würzburg-Schweinfurt. Bei den Köchen seien die Ausbildungszahlen zwar etwa auf Vorjahresniveau, „aber wir wissen ja, dass der Bedarf viel höher ist“.
Insgesamt sinkt die Zahl der Ausbildungsverhältnisse im Hotel- und Gaststättengewerbe laut Kagerbauer seit zehn Jahren quasi kontinuierlich. „Das ist bedenklich.“ Als Gründe nennt der Fachmann die Demografie – es gibt insgesamt weniger Nachwuchs – und die Fokussierung auf akademische Karrieren. Die IHK steuere durch Projekte wie die Berufs-Scouts und Image-Kampagnen („Elternstolz“) gegen. Kagerbauer meint, nicht die Berufe selbst seien das große Problem, sondern die Tatsache, dass viele Jugendliche sie gar nicht richtig kennen oder kennen lernen wollen. „Gastro-Berufe können viel Spaß machen. Man kann direkte, positive Resonanz von den Menschen bekommen. Als Koch etwa kann man Kreativität ausleben und Menschen glücklich machen.“
Ähnlich äußert sich Michael Schwägerl, unterfränkischer Bezirksgeschäftsführer des Hotel- und Gaststättenverbandes DeHoGa. „Wir würden gern mehr ausbilden.“ Leider sei die Abbrecherquote im Gastgewerbe hoch. Gerade Hotelfachleute werden von anderen Branchen, etwa Versicherungsagenturen oder Arztpraxen, die bessere Arbeitszeiten bieten, „mit Kusshand genommen“. Bei Köchen sei es ähnlich: „Manche gehen in Produktionsküchen oder Kantinen mit familienfreundlicheren Arbeitszeiten.“
Was kann man dagegen tun? „Arbeitszeiten können wir nicht verändern, aber wir können zum Beispiel Flüchtlinge integrieren“, sagt Schwägerl. „Wir fordern auch, dass gerade Menschen aus europäischen Nicht-EU-Staaten wie Serbien oder Montenegro einfacher hier angestellt werden können.“
„Es wird ein schwieriger und langwieriger Prozess werden“, blickt Schwägerl in die Gastro-Zukunft. „Wir müssen individuelle Lösungen für Betriebe finden, flexiblere Arbeitszeitmodelle, auch für Mütter nach der Babypause.“ Dass die Ausbildung selbst ein Problempunkt ist, glaubt Schwägerl nicht. „Die Ausbildungspläne werden alle fünf bis acht Jahre vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag überarbeitet. Und das duale Ausbildungssystem ist auf jeden Fall ein Erfolg – also die parallel laufende schulische und betriebliche Ausbildung.“
Auch aus Sicht von Frank Delißen, Leiter des Stattlichen Schulzentrums der Beruflichen Schulen Kitzingen-Ochsenfurt, ist die Ausbildung nicht Schuld am Dilemma. „Wir haben hier an der Schule eine hervorragende Ausbildung.“ Der Unterricht bestehe immer aus Theorie und Praxis, der Lehrplan sei sehr gut aufgestellt, sagt der gelernte Bäcker, der Ernährungswissenschaften studiert hat. Er hat die Erfahrung gemacht, dass es viele gute Ausbildungsbetriebe gibt, aber auch ein paar weniger gute.
Umworben von allen Seiten
„Die Jugendlichen werden umworben von allen Seiten. Sie suchen sich das aus, was für sie am angenehmsten ist.“ Deshalb sei die gesamte Gastro-Branche gefragt, bessere Rahmenbedingungen zu schaffen. Aber auch die Einstellung der Jugend zur Berufsfindung müsse sich vielleicht ändern. Markus Geißel meint dazu: „Viele jungen Leute wollen nicht mehr wissen, was Dienstleistung bedeutet. Dass man sich selbst zurücknimmt und dem Kunden schöne, unbeschwerte Stunden Freizeit ermöglicht.“
Geißels Ziehsohn Wolfgang Fröttinger tut genau das. „Als Restaurantfachmann im Gastgewerbe kann ich zwischen 1600 und 1900 Euro netto verdienen, plus interessante Trinkgelder. Ich bin glücklich hier“, sagt der 23-Jährige, der im Winter weitere Berufserfahrungen in einem Hotel in Kitzbühel sammeln wird. Das wird den Personalmangel bei Geißels natürlich nicht verkleinern. Markus Geißel hat entschieden, das Mittagsgeschäft künftig alleine beziehungsweise mit seiner Mutter zu stemmen und sich „mit wenigen, guten Fachkräften“ auf den Abendservice zu konzentrieren.
Wenn er heute nochmals vor der Entscheidung stünde, das Gasthaus der Eltern zu übernehmen oder nicht? „Dann würde mein Herz sehr schwer werden“, sagt der Gastwirt und zieht noch einmal an seiner Zigarette. Es ist kurz vor 1 Uhr morgens. Die in Brüssel erdachte Arbeitszeitverordnung gilt ja nicht für den Chef. „Zum Glück“, sagt der dazu, und: „Gute Nacht.“