Ein fast schon magischer Ort
Autor: Diana Fuchs
Wiesenbronn, Montag, 27. Sept. 2021
Dort, wo sich die Wiesenbronner einst „mords geplagt“ haben, ist ein Paradies für seltene Tiere und Pflanzen entstanden. Ein Besuch im alten Steinbruch.
Wie sind die Kühe und Ochsen bloß da raufgekommen? Und heil wieder runter? Mit dem eisenbereiften Wagen und der schweren Fracht, die sie transportieren mussten? Staunend steht man am steilen Hang vor dem Wiesenbronner Steinbruch. Bis Mitte des vorigen Jahrhunderts hat man hier grünen Schilfsandstein abgebaut. Hans Schönberger erinnert sich gut daran. Der Wiesenbronner freut sich sehr, dass der besondere Ort mitten im Wald oberhalb von Wiesenbronn nun wie ein kleines Freilandmuseum gestaltet worden ist und Wanderer und Ausflügler begeistert.
Eine echte Schinderei
„Ich war damals 17 oder 18 Jahr', da hat mich der Vater mit in den Steinbruch genommen“, erzählt der jung gebliebene 90-Jährige. Jeder Bürger hatte zu der Zeit das Recht, unentgeltlich Steine zu hauen und für eigene Bauvorhaben zu verwenden. „Man hat nur die Genehmigung der Gemeinde einholen müssen, dann konnte man loslegen.“ Die Schönbergers brauchten die Bruchsteine unter anderem für einen Keller.
Zuerst habe man mit der Spitzhacke eine Rille in den Felsen gehauen, immer schön parallel zu den Gesteinsschichten, erzählt Schönberger und seine Hände untermalen lebhaft seine Worte. An der so entstandenen Sollbruchkante hämmerte man eiserne Keile in den Felsen, bis sich irgendwann eine Gesteinsschicht von der anderen löste. „Des war a Mords-Plagerei!“ Die schwere Arbeit wurde nur durch eine Lore erleichtert, einen Eisenwaggon, der auf Schienen stand und mit dem der Abraum aus dem Steinbruch transportiert werden konnte. „Draußen hat man die guten Steine aufs Fuhrwerk geladen. Und die Reste den Hang hinuntergekippt.“
Bäume wurzeln in der Felswand
Das Fuhrwerk, gezogen von Rindern, musste nun allerdings wieder heil den Berg hinunter. „Dafür hat man an eines der Räder eine so genannte Rauhemm gemacht – eine Art Hemmschuh aus Eisen, der ständig gebremst hat.“
Mindestens 15 Mal, so schätzt der 90-Jährige, hat er seinen Vater in den Steinbruch begleitet. Daheim im Wiesenbronner Altort mauerte ein Verwandter aus den recht unterschiedlich geformten Bruchsteinen schöne Wände.
Während zum Beispiel der Kartoffelkeller der Schönbergers heute noch in voller Pracht zu bewundern ist, kann man im Steinbruch selbst die schwere Arbeit von einst nur noch erahnen. Die Natur hat sich die Felsen und ihre Umgebung zurückerobert, Bäume und Sträucher wachsen darauf – und auch der gegenüberliegende Schotterrangen ist längst grün. Dafür zeigen seit kurzem drei große, grafisch gestaltete Tafeln, was einst im Steinbruch passierte.
Auch die alte Lore hat man wieder auf ein Stück Schiene gesetzt – als Zeugin einer vergangenen Zeit und Wächterin der Gegenwart.