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Ein Extremjahr auf den Feldern


Autor: Johanna Gerasch

Kitzingen, Donnerstag, 28. Juli 2022

Dieses Jahr ist die Getreideernte im Landkreis Kitzingen schon Ende Juli so gut wie beendet. Hitze und Trockenheit haben Spuren hinterlassen, das erste Fazit fällt gemischt aus.
DieGetreideernte geht ihrem Ende entgegen. Die letzten Ähren wurden vielerorts schon geerntet und das Getreide abgeliefert oder zum Lagern abgekippt.


Seit Ende Juni drischt Thomas Schmitt aus Willanzheim nun schon. Dabei folgt eine Frucht der anderen, es geht Schlag auf Schlag. Die einzige kurze Pause gab es zwischen der Wintergerste und dem Dinkel, gerade einmal drei bis vier Tage. Jetzt geht die Getreideernte ihrem Ernte entgegen – deutlich früher als sonst.

Gemeinsam mit seinem Schwiegervater drischt Thomas Schmitt nicht nur seine eigenen Felder, sondern auch in Lohnarbeit. Zirka 250 Hektar von insgesamt zehn Landwirten haben sie schon abgeerntet. Je nach Struktur des Felder 15 bis 20 Hektar pro Tag. Der Tag des Willanzheimers startet in der Erntezeit wie jeder andere auch, um 6 Uhr morgens geht es erst mal in den Stall. Gleich danach aber werden die Maschinen gewartet, und ist das getan, geht es mit dem Claas-Mähdrescher mit einem Mähwerk von 6,60 Meter Breite aufs Feld.

Zwei Wochen früher

„Keine Ernte ist wie die andere“, sagt Tobias Haupt, Betriebsleiter der BayWa Agrar in Dettelbach, „und dieses Jahr ist sie früher.“ Unter normalen Bedingungen fände die Weizenernte Mitte Juli bis Mitte August statt. Dieses Jahr ist der Weizen um diese Zeit schon eingefahren. In der Flur sind derzeit schon nur noch Stoppelfelder und Rundballen zu sehen.

Schuld an der frühen Weizen-Ernte trägt vor allem die Trockenheit und die daraus resultierende „Notreife“ des Getreides. Die Pflanzen konzentrieren sich aufgrund des fehlenden Wassers auf ihr Überleben und vernachlässigen somit die Ausbildung der Früchte. Kleine und harte Körner sind die Folge. Außerdem sinkt die Qualität des Weizens, da die Pflanze kaum noch Stoffwechsel betreibe, bei dem sie Stickstoff in Proteine umwandelt. Weshalb auch der Proteingehalt des Weizens, der in engem Zusammenhang mit der Qualität stehe, dieses Jahr so gering sei wie nie, erläutert Michael Sailer, Geschäftsführer der „Schwäbischen Landprodukte“, kurz SLP.

Ertrag und Preis

Außerdem lässt die Hitze die Restfeuchtigkeit in den Körnen sinken. Der Richtwert des Kornfeuchtegehaltes liegt bei 14 Prozent. „Dieses Jahr sind wir bei zirka zehn Prozent. Dadurch geht auch Gewicht verloren“, erklärt Thomas Schmitt.

Bei den Anlieferstellen im Landkreis herrscht in der Erntezeit Hochbetrieb. Innerhalb von gut zehn Tagen liefern viele Landwirte in der Region ihr Getreide ab. Allerdings wurde bei der Anlieferstelle von SLP in Gnötzheim bis zu 20 Prozent weniger Weizen im Vergleich zum Vorjahr angeliefert. „Die Anbauverträge mit den Landwirten sind die gleichen wie im Vorjahr. Die Hektarzahl hat sich nicht verändert, die Erträge sind jedoch geringer“, sagt Michael Sailer. Ein Aufnahmestopp dürfte dieses Jahr deshalb nicht erfolgen. Die 50.000 Tonnen Lagerkapazität des SLP-Standorts in Gnötzheim sollten ausreichen.

Selbst bei einem Aufnahmestopp würde der Betrieb den Landwirten die in Verträgen festgelegte Menge abkaufen. Die Verträge bieten den Bauern eine gewisse Sicherheit, denn sie wissen, welchen Preis sie für ihr Getreide bekommen. Doch die Getreidepreise, vor allem der Weizenpreis, sind sehr sprunghaft und könnten auch über dem vereinbarten Preis liegen. Viele Faktoren spielen hierbei ein Rolle, beispielsweise der Ukraine-Krieg oder die Börse, wie Thomas Schmitt erklärt. Eine Erhöhung im Vergleich zu dem letzten Jahr ist jedoch bemerkbar.

Auch Tobias Haupt bezeichnet den diesjährigen Ertrag als unterdurchschnittlich bis schlecht. Doch das sei nicht die einzige Folge der Trockenheit: Der niedrige Wasserstand der Flüsse erschwert eine Verladung auf die Schiffe. An guten Tagen werden bei der BayWa Agrar in Dettelbach bis zu 3000 Tonnen von rund 100 bis 120 Landwirten angeliefert. Zu viel sei an den Annahmegossen jedoch nicht los, vereinzelt könne es dennoch zu kurzen Wartezeiten kommen.

Hitze bringt Vor- und Nachteile

Die Wetterbedingungen für die Ernte an sich sind optimal. „Die Landwirte haben keinen Druck, weil kein Regen gemeldet ist“, sagt Haupt. Auch Thomas Schmitt bezeichnet die diesjährige Ernte als relativ entspannt und nicht stressig. Die Trockenheit, die zur Ernte zwar erforderlich ist, birgt aber auch ihre Gefahren und Nachteile: Wald- und Flächenbrände sowie überhitzte Maschinen sind nicht zu unterschätzen. „Die hohen Temperaturen setzen den Maschinen ganz schön zu. Um so wichtiger ist es, dass man sie regelmäßig wartet“, sagt Schmitt. Wilfried Distler, Kreisgeschäftsführer des Bayerischen Bauernverbands, schließt sich dem an: „Die Landwirte sind sensibilisiert, dass nichts passiert. Aber man steckt auch nicht drinnen, falls in der Maschine etwas heiß läuft.“

20 Prozent unter Normal

Um ein abschließendes Fazit zur Ernte geben zu können, ist es noch zu früh. Die allerletzten Felder müssen noch gedroschen werden, und zusätzlich lagern einige Landwirte, wie auch Thomas Schmitt, ihr Getreide erst mal bei sich, bevor sie es im Herbst verkaufen.

Im Durchschnitt rechne man für die Weizenernte laut Distler aber mit 60 Doppelzentnern pro Hektar. Zum Vergleich: Der Durchschnitt in Bayern lag im vergangenen Jahr bei 78 Doppelzentnern pro Hektar. Bei guten Feldern, zum Beispiel Richtung Ochsenfurter Gau oder Biebelried, könne man auch dieses Jahr wieder auf zirka 80 Doppenzentner pro Hektar kommen, meint der Kreisgeschäftführer des Bayerischen Bauernverbands. Auch Schmitt konnte auf einem Feld schon um die 90 Doppelzenter dreschen, berichtet er. Dagegen komme man bei schlechteren Feldern nur auf 30 bis 40 Doppelzentner pro Hektar.

Getreidesorten, die früher geerntet wurden, wie Dinkel, Raps oder Gerste, konnten laut Wilfried Distler noch gute Erträge erzielen. „Große Sorgen bereitet uns der Mais“, erklärt er allerdings. Dieser sei derzeit in der Wachstumsphase der Kolben, die dafür dringend Wasser benötigen. Auch sei der Mais derzeit einen Meter niedriger als in durchschnittlichen Jahren. Allerdings mache ein guter Kolben viel aus, wie Schmitt anfügt. Damit der sich noch weiter entwickeln könne, müsse es in den nächsten Wochen aber regnen. Falls auch der Mais notreif werden sollte, könne es passieren, dass die Maisernte sogar schon Ende August beginnt, statt Mitte September, wie Wilfried Distler berichtet. „Heuer ist ein Extremjahr. Aber wir müssen damit leben. Wir arbeiten mit der Natur“, meint Thomas Schmitt. Bis zur Maisernte hat er jetzt zumindest erst mal Pause vom Dreschen.

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