Die Saat geht auf
Autor: Ralf Dieter
Kitzingen, Montag, 10. Dezember 2018
Immer mehr Menschen interessieren sich für die Kurse von Barbara und Martin Keller.
Die junge Frau schaut ein wenig perplex. Mit dem Teppichklopfer soll sie so fest wie möglich auf das Betttuch klopfen. Ein paar Mal hintereinander. Nach kurzem Zureden schlägt sie tatsächlich beherzt drauf los. Die Samen müssen ja schließlich vom Stilgerüst getrennt werden.
Rund 15 Hobbygärtner aus Stadt und Landkreis Kitzingen haben sich im Werkraum der Vhs in der Luitpoldstraße versammelt. Sie wollen lernen, wie sie Saatgut selbst vermehren können. Ihre Instruktoren haben jahrzehntelange Erfahrung mit diesem Verfahren. Barbara und Martin Keller haben einst das Saatgut-Festival in Kitzingen aus der Taufe gehoben, seither geben sie immer wieder entsprechende Kurse. „Die Nachfrage steigt“, freut sich Martin Keller, während seine Frau den Mangold aus dem Betttuch befreit, die Körner von den letzten Stängeln befreit und die Samen in eine Handwippe aus Holz schüttet. Vorsichtig bläst sie in die hölzerne Schale hinein, trennt so noch einmal mögliche Staubpartikel vom Saatgut. Die verbliebenen Samen verschließt sie in einer luftdichten und lichtundurchlässigen Dose. „So hält das Saatgut vier bis acht Jahre“, erklärt Martin Keller und gibt den Kursteilnehmern noch einen dringenden Ratschlag mit: „Beschriften Sie die Dose unbedingt. Mit dem Namen des Gemüses und dem Jahr.“
Keine Angst vorm Klimawandel
Überwiegend Frauen sind zu dem Kurs gekommen, auch ein paar Männer sind dabei. Die Motivation der Kursteilnehmer ist unterschiedlich. Oft haben Familien das Haus ihrer Großeltern geerbt – und den Garten gleich mit dazu. „Sie wollen die alten Sorten gerne erhalten“, erklärt Keller, der generell ein gestiegenes Interesse an der privaten Saatgutgewinnung feststellt. „Es macht ja auch Spaß, die eigene Lieblingssorte zu finden und anzubauen.“ Der Klimawandel ist dabei mehr Herausforderung als Hemmschuh. „Das Saatgut passt sich den wechselnden Bedingungen an“, erklärt er. Wer das richtige Saatgut hat, der müsse sich auch nicht vor heißen und trockenen Sommern fürchten.
Beispiel Tomaten: In ihrem Hausgarten haben die Kellers eine Sorte, die nicht nur aromatisch schmeckt, sondern auch sehr gut mit den veränderten Klimabedingungen zurecht kommt. „Wir haben sie trotz des Rekordsommers nur einmal angießen müssen“, versichert Keller. Ein tiefes Loch gegraben, die Jungpflanze gesetzt und mit rund 20 Litern Wasser begossen. „Und das war's“, sagt er.
Robust und anpassungsfähig
Samenfeste Sorten haben eine größere genetische Bandbreite aufzuweisen als Hybride. Deshalb können sie sich besser anpassen und so finden sich unter den samenfesten Sorten nicht nur trockenheitsverträgliche, sondern auch hitzetolerante wie zum Beispiel der Romanasalat mit dem erstaunlichen Namen Teufelsohren und die Stangenbohne Jimenez. Die genetische Vielfalt spiegelt sich auch in der Kältetoleranz von Mangoldsorten aus der Schweiz und dem Hunsrück wieder. „Samenfeste Pflanzen sind ganz generell viel robuster als die Hybridpflanzen“, erklärt er. Sie sind anpassungsfähiger und ihre Wurzelbereiche tendenziell stärker ausgeprägt. Auch das Zeitfenster für eine Ernte ist viel größer als bei den Hybridpflanzen, die nicht nachbaubar sind.
Vor das Anpflanzen hat der Gemüsegott allerdings ein wenig kreative Arbeit gesetzt. Martin Keller drückt einer anderen Kursteilnehmerin eine Axt in die Hand und spricht ihr Mut zu: „Einfach drauf auf den Kürbis.“ Mit einem Schlag zerteilt sie die Frucht, und die Kerne zur Saatgutgewinnung können entnommen werden. Gründlich reinigen, trocknen und ab in die dunkle Dose zur Lagerung. „Aber das Beschriften auf keinen Fall vergessen“, erinnert Martin Keller. Damit aus dem vorgesehenen Mangold-Beet nicht irgendwann ein Kürbis hervorlugt.
Termin vormerken: Das nächste Saatgut-Festival findet am Samstag, 9. Februar, von 11 bis 17 Uhr, in der Mainschleifenhalle Volkach statt.