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Die Rangerin und der Wald-Knigge


Autor: Diana Fuchs

Markt Einersheim, Donnerstag, 09. Juni 2022

Wenn der Mensch in der Heimat von Tier und Pflanze unterwegs ist, sollte er ein paar Regeln kennen. Rangerin Liliane Irle erklärt bei einem Spaziergang rund um die Ruine Speckfeld bei Markt Einersheim, worauf in der Natur zu achten ist.
Von der Ruine Speckfeld aus hat man einen tollen Blick Richtung Bullenheimer Berg. Rangerin Liliane Irle weiß, dass dieser Aussichtspunkt bei Wanderern beliebt ist. Doch nicht alle verhalten sich in der Natur wie gute Gäste.Fotos (2): DIANA FUCHS


In den Auen des (Alt-)Mains und an den Hängen des Steigerwalds ist es besonders schön. Das hat sich längst herumgesprochen, weshalb Erholungssuchende speziell am Wochenende gern unsere Wanderwege und Aussichtspunkte fluten. Diese Tatsache hat Folgen für Tiere und Pflanzen, deren Heimat da gestürmt wird. Liliane Irle, Rangerin im Naturpark Steigerwald, verrät, wie man sich als naturfreundlicher Besucher verhält.

Frage: Ein Picknick im Sonnenuntergang und dann ab ins Zelt – wo in Franken ist wildes Campen erlaubt?

Liliane Irle: In Deutschland gilt das Betretungsrecht. Das heißt, jeder Erholungssuchende darf in Wald und Flur umherspazieren, sofern er keine Natur- und Tierschutzregeln bricht. Übernachten im Freien ist allerdings nicht so ohne Weiteres erlaubt – und Campen nur an bestimmten Plätzen.

Das heißt konkret?

Irle: Während biwaken – also übernachten ohne Zelt – oft noch geduldet wird, darf man auf öffentlichem Grund eigentlich nirgendwo ein Zelt aufschlagen. Ebenso darf man ja auch das Wohnmobil nicht einfach irgendwo in der Natur abstellen. Aber deshalb muss niemand auf ein ursprüngliches Naturerlebnis verzichten. Im Steigerwald gibt es zum Beispiel zehn Trekkingplätze mit Komposttoilette und Lagerplatz. Hier darf man Feuerholz sammeln, um abends ein Lagerfeuer zu entzünden, und man schläft mitten im Grünen und mit Blick in den funkelnden Sternenhimmel ein. Infos gibt´s online unter trekkingerlebnis.de.

Apropos Feuer. Angenommen, man hat einen schönen Aussichtsplatz gefunden und würde dort gerne den Handgrill auspacken oder Würstchen überm Feuer grillen. Geht das?

Irle: Nur an extra ausgewiesenen Stellen. Das generelle Feuerverbot hat auch wirklich Sinn, denn durch den Klimawandel ist die Brandgefahr nicht zu unterschätzen. Sogar im Winter ist die Trockenheit oft so groß, dass jeder Funke einen Flächenbrand auslösen kann. Deswegen ist es auch wichtig, Zigarettenstummel nicht einfach in den Wald zu werfen.

Abgesehen davon, dass die Gifte darin die Umwelt belasten.

Irle: Ja genau. Der herkömmliche Filter besteht aus Kunststoff, der zu Mikroplastik zerfällt. Jeder Stummel enthält außerdem Nikotin, Arsen, Cadmium, Blei, Benzol, Chrom, Blausäure und andere Gifte, die Tiere und Pflanzen schädigen. Laut Weltgesundheitsorganisation WHO verseucht jede Zigarettenkippe 40 Liter Grundwasser. Bei 75 Milliarden Zigaretten, die jährlich allein in Deutschland geraucht werden, summiert sich das… Raucher können für unterwegs zum Beispiel Taschenaschenbecher benutzen.

Auch anderen Müll, Getränkeflaschen oder Dosen, wirft man natürlich nicht in die Natur. Aber wie ist das mit Biomüll wie Obstschalen?

Irle: Bananen- und Orangenschalen verrotten sehr langsam, zudem sind sie auch oft pestizidbelastet. Von daher ist es schon ehrenwert, sie nicht einfach im Wald zu „entsorgen“.

Was tun, wenn man auf Toilette muss, aber weit und breit keine in Sicht ist?

Irle: Entweder man gräbt ein kleines Loch in den Waldboden – oder man nimmt sein „großes Geschäft“ anschließend wieder mit. Das macht man mit Hundekot ja auch. Zum Abwischen nimmt man entweder Blätter oder im Winter Schnee. Will man das nicht, dann kann man natürlich Klopapier oder Taschentücher verwenden, die man dann aber ebenfalls wieder mit nach Hause tragen sollte, denn die verrotten im Wald nur sehr langsam. Und wenn überall Klo-Utensilien herumliegen, ist das halt auch wenig appetitlich.

Welche Menschen treffen Sie draußen am liebsten?

Irle: Schön finde ich immer, wenn Menschen mit allen Sinnen, mit Herz und Hirn durch die Natur gehen – dann machen sie automatisch ganz viel richtig. Man kann nur schützen, was man kennt, heißt es immer so schön; und das stimmt. Hundebesitzer zum Beispiel, die wissen, dass gerade im Frühsommer viele Bodenbrüter und Jungwild unterwegs sind, führen ihre Hunde automatisch an der Leine. Oder Menschen, die wissen, dass Küchenschelle, Adonisröschen und Schlüsselblume geschützt sind, die pflücken sich halt einen Wildblumenstrauß aus anderen Arten.

Haben Sie einen Tipp für „Naturanfänger“, die sich solches Wissen aneignen wollen?

Irle: Unter www.wisia.de kann man sehen, ob und wie bestimmte Tiere und Pflanzen geschützt sind. Es werden nur die angezeigt, die unter Schutz stehen. Und es gibt natürlich auch zahlreiche Bestimmungsbücher, die auch für Anfänger geeignet sind. Und da die meisten ohnehin immer das Handy dabeihaben: Apps wie „flora incognita“ vermitteln einem jede Menge Wissenswertes. Ich nutzte die auch!

Zur Person

Liliane Irle ist in Siegen (Nordrhein-Westfalen) aufgewachsen, hat in Berlin zunächst Mediengestalterin für Bild und Ton gelernt – „Ich wollte Dokus drehen“ –, sich dann aber dafür entschieden, lieber direkt mit Menschen in der Natur zu arbeiten. Nach ihrem Studium („Landschaftsnutzung und Naturschutz“) an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde möchte die zertifizierte Schutzgebietsbetreuerin jetzt als Rangerin im Steigerwald ihre Begeisterung für die Natur weitergeben.