Der Wolf ist endgültig im Freistaat angekommen
Autor: Ralf Dieter
Kitzingen, Mittwoch, 04. Januar 2017
Im Landkreis Kitzingen gab es bislang keine offiziellen Sichtungen. Aber das muss nichts heißen.
Nein, Beweise gibt es nicht. Zumindest noch nicht. Die Wahrscheinlichkeit ist trotzdem hoch, dass Wölfe durch den Landkreis Kitzingen gezogen sind. Nicht vor hunderten von Jahren, sondern ganz aktuell.
Vor Weihnachten war die Überraschung groß: In der Nähe von Bamberg sind Wolfsspuren entdeckt worden. Augenzeugen haben auf Wiesen am südwestlichen Stadtrand Pfotenabdrücke entdeckt. In der Nähe von Nürnberg sind Wölfe schon mehrfach gesehen worden. Für Tierschützer gibt es auch deshalb schon länger keinen Zweifel mehr: Bayern, bislang „Wolfserwartungsland“, ist jetzt Wolfsland: „Der Wolf ist endgültig im Freistaat angekommen. Er ist da und ist keine Ausnahmeerscheinung mehr, darüber freuen wir uns“, sagt der Vorsitzende des Landesbundes für Vogelschutz (LBV), Norbert Schäffer. Die Vogelschützer sind der federführende Verband beim bayerischen Wolf-Monitoring, das beim Landesamt für Umwelt (LfU) in Augsburg angesiedelt ist.
50 Kilometer pro Nacht
Ulrike Geise, Sprecherin Artenschutz im Bund Naturschutz Bayern und zweite Vorsitzende in Kitzingen, ist sicher, dass Wölfe auch schon durch den Landkreis Kitzingen gestreift sind. Im Altmühltal oder auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz von Grafenwöhr sind Einzelgänger bereits nachgewiesen worden. Meistens sind es junge Rüden, die auf der Suche nach einem neuen Revier sind. „Diese Tiere können 50 Kilometer pro Nacht laufen“, sagt Geise. Ein „Abstecher“ in den Landkreis Kitzingen sei ein „Klacks.“
Offiziell gesichtet wurde der Wolf in unseren Breiten noch nicht. Die Regierung von Unterfranken teilt auf Anfrage mit, dass bislang keine verbürgten Meldungen von Wolfssichtungen in Unterfranken vorlägen. Auch an der Unteren Naturschutzbehörde, angesiedelt am Landratsamt Kitzingen, sind noch keine gesicherten Meldungen eingelaufen. „Es gab mal eine Falschmeldung“, erinnert sich Mitarbeiter Hartmut Brick. Er gibt aber auch zu bedenken, dass Beobachtungen ein Zufall wären. „Wölfe sind normal sehr scheu.“
Neun „amtlich bestätigte“ Wolf-Sichtungen hat es laut der Homepage des LFU heuer im Freistaat gegeben, zwei davon in Franken, im Nürnberger Land. Dabei handelte es sich wohl um Einzelgänger – Männchen, die auf der Jagd oder auf der Suche nach einem Revier oft weit durchs Land streunen. Weitaus mehr Wölfe und gesicherte Beobachtungen gibt es in der Lausitz im Bundesstaat Sachsen. Im Jahr 2000 gelang es einem aus Polen zugewanderten Wolfspaar dort erstmals seit 150 Jahren wieder Welpen in Deutschland aufzuziehen. Deutschlandweit wurden Mitte 2015 insgesamt 31 Wolfsrudel, acht Paare und sechs territoriale Einzeltiere in sechs Bundesländern nachgewiesen.
Keine Reisewarnung für Lausitz
Muss der Mensch deshalb wieder Angst vor dem „bösen Wolf“ haben? Die Fachleute verneinen dies. Selbst in der Lausitz ist kein Fall eines Angriffs von Wölfen auf Menschen bekannt geworden. Ulrike Geise kommentiert nicht ohne Ironie: „Mir ist nicht bekannt, dass es eine Reisewarnung für die Lausitz gegeben hat.“ Der Wolf sei grundsätzlich für den Menschen ungefährlich. Dennoch könne es zu Problemen kommen, gerade mit landwirtschaftlichen Betrieben. Im Nürnberger Land hat ein Wolf im Frühjahr 2016 ein Schaf gerissen, aus anderen Regionen werden unter anderem Angriffe auf Dam- oder Rotwild gemeldet. Knapp 200 solcher Vorfälle hat es nach Angaben von Jägerverbänden 2015 in Deutschland gegeben.
Schnell wird dann die Forderung laut, dem Raubtier mit der Flinte auf den Pelz zu rücken – das aber beißt sich mit dem Gesetz, denn die Wölfe stehen unter striktem Naturschutz.