Die Zahl der Wanderschäfereien ist rapide zurückgegangen. Im Landkreis Kitzingen macht nur noch Heinz Schmidt den harten Job hauptberuflich. Aber er macht ihn mit Leib und Seele.
Heinz Schmidt setzt den Hut auf, nimmt den langen Stab in die Hand und sofort laufen die Schafe Richtung Tor. Sie wollen raus, in die Natur, genauso wie der Schäfer auch. Der Brünnauer liebt das harte Leben des Berufsschäfer, das in seiner Familie bereits sechs Generationen zurückreicht. „Mindestens“, sagt der 60-Jährige. Von den früheren Kollegen im Landkreis ist keiner mehr übrig. „Heinz Schmidt ist hier der Letzte seiner Art“, sagt Wolfgang Thomann, Fachberater für Schafe, Ziegen und Gehegewild am Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Kitzingen-Würzburg (AELF).
„Ich bin ein kleiner Schäfer“, erklärt Heinz Schmidt, „mini sogar“. Wer mit ihm im Stall bei den Tieren steht, mag das kaum glauben. 430 Schafe sind dort derzeit untergebracht – 370 Mutterschafe und 60 Tiere für die Nachzucht. „Die Größe liegt am unteren Ende der Existenz“, sagt Wolfgang Thomann. 500 Muttertiere seien ein guter Mittelwert, der Trend gehe aber zu 800 bis 1000 Schafen. Der Fachberater verfolgt die Entwicklung der Schäfereien seit Jahren mit großer Sorge. „Die Zahl der Wanderschäfereien nimmt immer mehr ab .“ Im Jahr 1980 gab es 135 in Unterfranken, jetzt sind es nur noch 48, die meisten Betriebe sind im Landkreis Main-Spessart ansässig, die wenigsten im Landkreis Kitzingen, nämlich nur der von Heinz Schmidt.
Erst vor einer Woche ist er mit den erwachsenen Tieren in den Stall im Prichsenstädter Ortsteil Brünnau zurückgekehrt. Er musste von den Wiesen runter, die er beweidet, zugleich mussten die Schafe geschoren werden. Recht kahl sehen sie jetzt aus, wie sie da im Stall stehen und hoffnungsvoll Richtung Tor laufen, als ihr Schäfer für ein Foto zu Hut und Stock greift. Doch der Stall bleibt geschlossen, zu kalt ist es ohne die wärmende Wolle. „Die Schafe würden erfrieren“, erklärt Heinz Schmidt. Zwei bis vier Wochen noch, dann geht es wieder raus.
Im Sommer hütet er seine Tiere auf dem Truppenübungsplatz Hammelburg, die Winterweide ist im Steigerwald. Tagsüber ist der Schäfer bei ihnen, nachts kommen sie in einen Pferch. Die geeignete Stelle dafür zu finden ist nicht immer leicht, vor allem, wenn es regnet und stürmt. Fehlt ein geschützter Platz, wird zum einen die Wolle nass. Zum anderen legen sich die Schafe nicht zum Schlafen hin, wenn der Boden zu nass ist. „Dann schlafen sie tagsüber und fressen zu wenig“, erklärt der Schäfer. Der 60-Jährige selbst fährt abends nach Hause nach Brünnau. „Oft kommt er nicht vor halb zwölf“, erzählt seine Frau, „und früh geht's wieder raus.“ Allein die Fahrt im Sommer dauert zwei Stunden – das Leben eines Schäfers ist hart und trotzdem könnte sich der Schäfermeister nicht vorstellen, etwas anderes zu machen. „Ich wusste schon mit fünf Jahren, dass ich das mache, das war und ist meine Leidenschaft.“ Urlaub? „Kennen wir nicht“, sagt seine Frau. Das Paar nimmt es gelassen, strahlt überhaupt viel Ruhe aus.
Anders Wolfgang Thomann. Er kann sich in Rage reden, wenn es um die Berufsschäfereien geht. Seit den 1980er Jahren verfolgt er die Entwicklung und sieht mit Bedauern, wie sich die Zahl der Schäfereien drastisch vermindert hat. Koppelschafhalter, ja die gibt es nach wie vor, aber es gibt „dramatische Verschiebungen auf Kosten der Wanderschäferei“. Es fehlt an großen zusammenhängenden Weideflächen, die langfristig für den Betrieb der Schäfereien gesichert werden können. Sind die Flächen zu klein, sind sie schnell abgegrast, über frisch bestellte Felder können die Tiere nicht laufen, da stellt sich die Frage: Wohin des Wegs? In der Landschaftspflege, für die eine Schafbeweidung nach Ansicht von Wolfgang Thomann ideal wäre, gibt es Konkurrenz durch andere Tierarten – Ziegen und Alpakas zum Beispiel. Und statt Schafe auf ihre Trocken- und Magerrasenflächen zu lassen, setzt so manche Kommune lieber auf Landwirte aus der Landschaftspflege. Nachvollziehen kann Thomann das nicht. Genausowenig wie die „zunehmende Bürokratie, Willkür, Bevormundung und oft Schikane“, der Schäfer ausgesetzt seien. Viele junge Leute hätten darauf keine Lust mehr, gäben ihre Familienbetriebe auf.
Mehr Kosten, weniger Einnahmen
Auch steigenden Kosten und zugleich sinkende Einnahmen spielen dabei eine große Rolle. Der Preis für die Wolle, der früher bei 1,50 bis 2 Euro pro Kilogramm lag, ist auf jetzt 50 Cent gesunken. Bei 3 Kilogramm Rohwolle pro Schaf macht das 1,50 Euro Einnahmen für die Wolle. Zugleich kostet die Schur 2,50 Euro pro Schaf. Der Schäfer legt drauf – wenn er denn die Wolle überhaupt verkaufen kann. „Aber keiner will mehr Merinowolle“, sagt Heinz Schmidt. „Dabei ist das gute, saubere Ware.“
Neben Milch und Wolle liefert die Schafhaltung natürlich auch Fleisch. Zu Ostern kommt vielerorts Lamm auf den Tisch. Schmidt verkauft seine Tiere an Viehhändler, vermarktet nicht selbst. Dabei war das mal anders gedacht. „Vor ungefähr 25 Jahren haben wir extra ein Schlachthaus gebaut“, berichtet der Brünnauer. Doch die Vorschriften haben sich mit den Jahren immer mehr verschärft, für die nötige EU-Zulassung hätte er eine Umkleide, Desinfektionsvorrichtungen, Toilette und mehr gebraucht. „Die Auflagen sind genauso wie bei einem Großbetrieb“, erklärt Claus Schmiedel vom AELF. Viele Schäfer würden gern direkt vermarkten, wenn die Auflagen und Rahmenbedingungen anders wären. „Die Nachfrage wäre da.“