Ralf Dieter: (Sport und nichts Süßes) Es läuft. Nicht unbedingt immer geradeaus und problemlos. Aber das Leben ist ja kein Ponyhof, wie die Mitglieder im Haflinger-Verein zu sagen pflegen. Zweimal am Wochenende joggen. Das hatte ich mir fest vorgenommen. Letzte Woche gelang es mir nur einmal. Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach – vielleicht ist es auch umgekehrt. Als Buße habe ich mich Montagabend an Liegestützen versucht. Drei mal zehn. Und dazu die gleiche Anzahl an Situps. Klingt lächerlich, hat mir aber einen schmerzhaften Dienstag beschert. Schon beim Versuch, aus dem Bett aufzustehen, haben sich die Bauchmuskeln zu Wort gemeldet und mir überdeutlich signalisiert, dass ich heute besser liegen bleiben sollte. Beim Anziehen, bei der Fahrt zum Arbeitsplatz, beim Schreiben an der Tastatur, kurz: Den ganzen Tag über spürte ich Muskeln, von denen ich noch nicht mal im Entferntesten ahnte, dass sie in meinen Körper zuhause sein könnten. Am kommenden Wochenende jogge ich wieder zwei Mal.
Daniela Röllinger (Achtsamkeit): Ich kann laufen. Schon ziemlich lange. Sitzen noch ein bisschen länger. Man sollte also meinen, dass ich beides beherrsche. Weit gefehlt. „Hock Dich gscheit hin“, ermahnt mich Kollege Die. schon seit Jahren immer wieder. Ich brumme darauf ein bisschen vor mich hin, nehme die Füße von den Stuhlrädern und stelle sie parallel vor mich auf den Boden, rücke den Rücken gerade. Spätestens zwei Minuten später ziehen unsichtbare Magneten den Körper wieder in eine schiefe Haltung und die Füße überkreuz, ohne dass ich es überhaupt registriere. Jetzt, da ich achtsam bin und meine Aufmerksamkeit gezielt auf meine Haltung beim Sitzen, Stehen und Laufen richte, merke ich, wie recht der Kollege hat. Wann bin ich bloß so krumm geworden? Die linke Schulter ist tiefer als die rechte, der Kopf fast immer leicht gedreht, beim Stehen drücke ich ein Knie durch, das andere nicht, beim Laufen schwingt der eine Arm mehr als der andere. „Hat die ‘nen Knall?“, denkt wahrscheinlich manch einer, der mich im Moment spazierengehen sieht. Alles wird ausprobiert: kleine Schritte, große Schritte, Blick mehr nach vorn, mehr nach unten, in den Knien federnd laufen, den Fuß abrollen, den Fuß hart aufsetzen, mit eingezogenem Bauch laufen, mit angehaltenem Atem, mit zusammengebissenen Zähnen, mit einem Lächeln auf dem Gesicht. Was passiert da jeweils mit dem Rest des Körpers? Erstaunlich, wie sich selbst eine kleine Veränderung auswirkt. Meine Erkundungstour verläuft spannender, als ich dachte.
DIANA FUCHS (jeden Tag eine gute Tat): Meine Freundin Dani steht in sicherer Entfernung jenseits des Gartenzauns und fasst das ganze Dilemma in einem Satz zusammen: „Wie machste das in der Quarantäne jetzt mit den guten Taten?“ Tja, da ist guter Rat teuer. Ich hatte mir tolle Sachen ausgedacht, mit denen ich sogar völlig Fremde beglücken wollte. Doch jetzt sitze ich auf Anweisung des Gesundheitsamts auf wenigen heimischen Quadratmetern fest. Dem Rest der Familie geht es nicht besser. Bei einem von uns war der Corona-Test positiv, bei den anderen drei (bisher) negativ. Jeder soll daheim jedem aus dem Weg gehen, so die gut gemeinte Sicherheitsanweisung vom Amt. Leider haben wir keine vier Bäder und auch keine vier Küchen. Unsere Nervenstränge werden von Tag zu Tag dünner. Ist es nicht schon eine gute Tat, wenn ich vor jeder Tür, die ich passieren muss, ganz laut „Voooorsicht!“ schreie? Dani ist gnädig mit mir. Mehr noch. Im Wissen um scharfe Küchenutensilien und zugleich steigende Stresslevel bei einem 17- und einem 15-Jährigen sowie deren Eltern in Zwangsisolation sinniert sie: „Ich glaube, es gilt auch als gute Tat, wenn man Dinge, die man im Affekt tun möchte, nicht tut.“ Na wenn das so ist, Kollegen, bin ich wieder voll im Rennen um die Fastenkrone!