Druckartikel: Damit alle Menschen satt werden

Damit alle Menschen satt werden


Autor: Diana Fuchs

Kitzingen, Dienstag, 12. Oktober 2021

Annette Lörner aus Marktbreit erklärt das Nachhaltigkeitsziel 2: „kein Hunger“. „Wir dürfen ruhig anstrengend sein und nachfragen, woher die Produkte kommen“
Es gibt immer zwei Seiten: Annette Lörner sagt, es ist wichtig, globale Zusammenhänge zu verstehen.


Hunger ist gemacht! „Das war uns schon in den 80ern bewusst“, sagt Annette Lörner aus Marktbreit. „Seitdem sind die Erkenntnisse zu Ursachen und Lösungsmöglichkeiten gewachsen – und trotzdem hatten laut UN 2020 mehr als 2,3 Milliarden Menschen, das sind 30 Prozent der Weltbevölkerung, nicht das ganze Jahr über Zugang zu angemessener Nahrung. Das ist ein Skandal und beschämend für die Menschheit.“

Die Erzieherin, sich unter anderem im Verein „We for Future“ in Marktbreit und in der Eine-Welt-Arbeit engagiert, möchte, dass sich jeder Mensch bewusst wird, welche Auswirkungen sein Handeln hat – schon allein beim Einkaufen. Lörner nennt Möglichkeiten, wie Jedermann den Hunger in der Welt bekämpfen kann.

Sie betont: Je nach Weltregion und politischem System sind zum Beispiel korrupte Regierungen, Diktaturen, Misswirtschaft, gewaltsame Konflikte und Naturkatastrophen für Nahrungsmangel in den einzelnen Ländern verantwortlich. Aber die weltweite Hungerkrise – oder besser die Ernährungskrise, denn es gebe genauso viele fehlernährte Menschen wie hungernde – könne nicht losgelöst von den anderen globalen Themen wie Klima, Landwirtschaft, Agrarpolitik, Welthandel, Ernährungsindustrie und auch der Covid-Pandemie gesehen werden.

„Gerade Corona hat viele Fortschritte der letzten Jahre zunichte gemacht“, ist die Marktbreiterin sicher. „Durch Kontakte mit Menschen und Organisationen etwa in Brasilien, im Senegal und auf den Philippinen ist für mich deutlich geworden, dass wieder vermehrt Direkthilfe mit Lebensmittelpaketen nötig ist, um Überleben zu sichern.“ Menschen konnten durch Lockdowns nicht aus dem Haus, verloren ihre Jobs, konnten nicht einkaufen, weil Masken fehlten. „Wichtig ist, dass wir Zusammenhänge verstehen und aufzeigen, dass unser Lebensstil die Lebensgrundlagen der Menschen vor allem im globalen Süden zerstört.“ Deshalb sollten wir uns auch viel vehementer für einen Wandel der Ernährungssysteme einsetzen, so Lörner.

Als Beispiel nennt sie eine „fatale Fehlsteuerung in der Landwirtschaft“: In Brasilien vernichte der Sojaanbau in großem Maße Regenwald, in Europa diene das Soja als Futtermittel der massiven Überproduktion an Fleisch.

„In Afrika werden unsere Fleischabfälle verkauft und zerstören dort noch die lokale Fleischproduktion.“ Dieses Dreieck bestehe genauso bei vielen anderen Produkten wie Milch, Getreide, Gemüse oder auch Kleidung.

„Nicht hinnehmen sollten wir, dass Politik dies rechtfertigt und uns vorzugaukeln versucht, dass unser Weizen, den wir nach Afrika exportieren, dort notwendig ist, um die Menschen zu ernähren. Das Gegenteil ist der Fall!“

„Verbrauchermacht nutzen!“

Annette Lörner findet es wichtig, sich am eigenen Wohnort mit Gleichgesinnten für Nachhaltigkeit und für eine menschlichere, gerechtere Welt einzusetzen. Das sind ihre „Tu Du's“ dafür, dass alle Menschen satt werden:

• Lebensmittel wertschätzen! Nur so viel einkaufen, wie man essen kann. In Deutschland werden jährlich zwölf Millionen Tonnen Lebensmittel weggeworfen, gut die Hälfte davon in privaten Haushalten.

• Wert auf Qualität legen. Lieber weniger einkaufen, aber auf Qualität und kurze Transportwege achten.

• Saisonal, regional, öko und fair kaufen, wenn möglich.

• Anstrengende Verbraucher:innen sein! Nachfragen, woher die Produkte kommen, unter welchen Bedingungen sie hergestellt werden. Unsere Verbrauchermacht nutzen!

• Jeder kleine Beitrag ist wertvoll! Doch wir dürfen das große Ganze nicht aus den Augen verlieren und die Politik nicht aus der Verantwortung entlassen. Deshalb: protestieren, Petitionen unterschreiben, Systemwechsel unterstützen!

Annette Lörner verweist zudem auf politische Forderungen der Katholischen Landvolkbewegung (KLB), deren Arbeit sie in der Diözese Würzburg unterstützt. Wichtig ist demnach „Ernährungssouveränität“, das heißt, jedes Land entscheidet selbst, was angebaut wird, um die Bevölkerung mit ausreichend gesunder Nahrung zu versorgen. „Natur, Boden und Wasser sollen schonend genutzt werden, sie dienen vorrangig dem Leben aller Menschen und nicht dem Profit einzelner Konzerne.“

Für Lörner ist klar, dass Kleinbauern die Welt ernähren. Deshalb gelte es, die bäuerliche Landwirtschaft zu fördern, nachhaltig und ökologisch auszurichten – „und das nicht nur in den Ländern des Südens, sondern genauso auch bei uns.“

Damit verbunden ist das Thema „faire Preise“ für die Produzent:innen von Lebensmitteln, denn diese fairen Preise sichern die Existenzen der Erzeuger:innen. „Es gilt, die internationale Handelspolitik zu verändern: nämlich humaner und gerechter zu gestalten.“

Nicht vergessen dürfe man einen ganz wesentlichen Punkt, um Hunger zu reduzieren: Lernen zu teilen! „Um Hunger zu bekämpfen, sollten wir als Wohlstandsgesellschaft lernen, von unserem Überfluss abzugeben. Verzicht ist sicher nötig, aber nicht auf das Lebensnotwendige, sondern auf überhöhte Ansprüche und Luxus.“

17 Nachhaltigkeitsziele: Klimawandel, Armut und Hunger, Flucht und Migration gehen uns alle etwas an. Wir entscheiden, welche Produkte wir kaufen. Wir entscheiden, wie viel Energie wir verbrauchen. Wir entscheiden, wie wir mit den Ressourcen und Schätzen der Erde umgehen. Unser Lebensstil und unsere Art zu wirtschaften haben Folgen – für uns, andere und besonders für zukünftige Generationen. Als Wegweiser dient die Agenda 2030 der Vereinten Nationen (UN) mit ihren 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung. Diese wurde im September 2015 von 193 Staats- und Regierungschefs beim UN-Gipfeltreffen in New York verabschiedet und sollen bis 2030 umgesetzt sein.

Walk of Future: Mit dem „Walk of Future“ stellt der Verein „We for Future“ (Marktbreit) seit Anfang September jede Woche eines der 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung vor und gibt Anregungen, was jede*r Einzelne tun kann, um unsere Welt ein wenig besser zu machen. In einer extra erstellten „Walk of Future“-App werden Initiativen und Organisationen vorgestellt, die sich weltweit und in unserer Region für die Ziele einsetzen.

Der „Walk of Future“ läuft noch bis Jahresende, die Ziele sind an markanten Punkten der Marktbreiter Altstadt zu finden. Alle Infos: we-for-future.org