"Ein Spahnsinniger": Mutter aus Franken wettert gegen Impfpflicht - wie geht es nun weiter?
Autor: Julia Volkamer
Kitzingen, Dienstag, 07. April 2020
Seit dem 1. März ist das Impfheft auch Eintrittskarte für Kita und Schule. Und ab Sommer 2021 gilt: Nur wer gegen Masern geimpft ist, wird betreut.
Fünf Frauen, 13 Kinder, null Verständnis. Zumindest nicht für die Entscheidung der Bundesregierung und Gesundheitsminister Jens Spahn, die Masern-Impfpflicht einzuführen.
„Über das Impfen an sich brauchen wir nicht diskutieren, da muss jeder seinen eigenen Weg gehen“, findet Sabine (Namen von der Redaktion geändert), deren zwei Söhne im Schulalter und nicht geimpft sind. Sie selbst hat sich eingelesen, etliche Vorträge zur individuellen Impfentscheidung angehört, ist regelmäßig in Foren und auf Diskussionsplattformen im Internet unterwegs. Eltern seien nun dazu gezwungen, ihr Kind impfen zu lassen, und das verstoße gegen das Grundgesetz. „Nur weil ein Spahnsinniger im Bundestag sitzt, können doch nicht alle einen Impfausweis vorlegen müssen.“
Ausbaden müssen die Entscheidung der Regierung auch die Gesundheitsämter, wobei „die internen Verfahrensabläufe im Gesundheitsamt“ in Kitzingen laut dem neuen Leiter Dr. Jan Allmannritter „aktuell in Entwicklung“ sind. Wer die Informationen, die seit dem 1. März nach und nach auf seinem Tisch landen, in welcher Form weiterverarbeitet, ist noch nicht klar. Eindeutig ist aber die Aussage, dass die Einrichtungen „Nachweise eines ausreichenden Impfschutzes oder einer Immunität gegen Masern oder einer medizinischen Kontraindikation“ für alle Kinder und die Angestellten vorlegen können. Wenn Nachweise fehlen, muss das spätestens bis zum 31. Juli 2021 beim Gesundheitsamt gemeldet werden. Aufgrund der Corona-Krise sind die Planungen zur Organisation der Masern-Impfpflicht natürlich in den Hintergrund gerückt – wie in allen Bereichen.
Problem bei der Personalsuche
Wer weiß, was bis 2021 mit dem Masernschutzgesetz passiert? „Die erste Verfassungsklage ist ja schon eingereicht“, weiß Andrea. Ihre beiden Kinder kamen mit relativ großem Abstand auf die Welt, beide sind nicht geimpft. Das Risiko, sich in ihrer zweiten Schwangerschaft zum Beispiel mit Röteln anzustecken, habe sie nach ausführlichem Hadern auf sich genommen. Spätestens jetzt meldet sich das ungute Gefühl mit Nachdruck zurück. „Letzten Endes kann ich es mir nicht leisten, 2500 Euro zu bezahlen“, schüttelt sie den Kopf über die hohe Bußgeldsumme. „Darum werde ich meine Kinder wahrscheinlich doch noch impfen lassen.“ Auch wenn es gegen ihre Überzeugung – und die ihres Mannes – geht.
Petra Prokot vom Evangelischen Dekanat in Kitzingen ist selbst gespannt, wie viele ungeimpfte Kinder an Ende beim Gesundheitsamt gemeldet werden müssen. Sie betreut einige evangelische Kindertagesstätten im Landkreis. Etliche Leitungen haben schon ihre Bedenken angemeldet, dass sie und ihre Teams den großen Aufwand nicht leisten können. „In einer unserer Kitas stand die leitende Erzieherin die gesamte Bringzeit über im Vorraum und fing die Eltern ab, um ihnen zu sagen, dass sie bitte die Impfausweise ihrer Kinder mitbringen sollen“, berichtet Petra Prokot. „Das alles kostet viel Zeit und Geld und geht letztendlich auf Kosten der Betreuung der Kinder.“
Ihrer Meinung nach sollte die Prüfpflicht auf die Behörden übertragen werden. Sie kann nachvollziehen, dass die Impfpflicht in den Betreuungseinrichtungen eingeführt wurde – zum Schutz derjenigen, die nicht geimpft werden können. Trotzdem sieht sie diese Voraussetzung auch bei der Suche nach Personal als weitere Hürde. „In unserer Branche ist es eh schon schwer, Fachkräfte zu finden. Die Impfpflicht macht es sicher nicht leichter.“
Das Argument, dass sehr junge, sehr alte oder chronisch kranke Menschen, die aus verschiedenen Gründen nicht geimpft werden können, nur dann geschützt seien, wenn mindestens 95 Prozent der Restbevölkerung immun sind, will Hanna nicht zählen lassen. „Dann müssten ja auch 95 Prozent der Bevölkerung gegen Grippe oder jegliche Art von ansteckender Krankheit geimpft sein.“