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Wenn Corona im Kindergarten für Ärger sorgt


Autor: Von Julia Volkamer

Volkach, Dienstag, 08. Februar 2022

Wenn Kindergartenkinder geimpft sind, müssen sie sich nicht mehr testen lassen. Wer diese Regelung für unsinnig hält. Und wem die Hände gebunden sind.
Ein Bild aus unbeschwerten Tagen: Zwei Jungs spielen im Sommer im Obervolkacher Kindergarten Fußball. Ob einer von ihnen geimpft oder getestet war, interessierte damals eher weniger. Mittlerweile ist die Elternschaft bei diesem Thema gespalten.  Archiv


Maria Weidinger ist sauer. Ein bisschen ratlos. Und ziemlich enttäuscht. „Ich kann es einfach nicht nachvollziehen“, sagt die zweifache Mutter, deren älteres Kind den Kindergarten in Obervolkach besucht – zusammen mit einem Fünfjährigen, der bereits durchgeimpft und damit gemäß Verordnung des Ministeriums für Familie, Arbeit und Soziales von der Testpflicht in der Kita entbunden ist. Dass die Familie direkt von dieser Befreiung Gebrauch machte, hat für Ärger gesorgt. Nicht nur rund um den Kindergarten.

Das Thema beschäftigte binnen kürzester Zeit auch die Verwaltung. Es habe Hinweise aus der Elternschaft gegeben, bestätigt Gerhard Wagenhäuser, Geschäftsstellenleiter der VGem Volkach, auf Anfrage. Grundsätzlich spricht er zwar davon, dass die Testungen in den städtischen Kindergärten reibungslos funktionierten. Der Landkreis habe den Trägern mit der Verantwortung dafür auch eine gewisse Gestaltungsfreiheit eingeräumt, jede Einrichtung könne konkret festlegen, wie die Einrichtungen das Einhalten der Testverpflichtungen prüfen. Bezüglich der Vorgabe, dass geimpfte Kinder nicht mehr getestet werden müssten, seien der Stadt Volkach laut Wagenhäuser aber die Hände gebunden. „Es gibt einen Aufnahmevertrag, der besagt, dass es um das Wohlergehen des Kindes geht und die Eltern letzte Entscheidungsinstanz sind.“

Omikron rauscht einfach durch

So lange der Gesetzgeber es also – wie in diesem konkreten Fall – nicht vorschreibt, dass auch geimpfte Kinder getestet werden müssen, könne man die Familien nicht dazu zwingen – auch wenn in den politischen Gremien darüber durchaus lebhaft diskutiert worden sei.

Maria Weidinger stellt diese Begründung nicht zufrieden. „Das geimpfte Kind kann das Virus doch trotzdem übertragen.“ Sie denkt vor allem an das Personal, das im Obervolkacher Kinderhaus durchweg geimpft und geboostert ist, sich aber trotzdem jeden zweiten Tag testet. Und an diejenigen, die sich nicht impfen lassen können. An Omas und Opas oder auch die vielen Schwangeren, die derzeit in ihrem Ort unterwegs sind. „Für sie kann eine Infektion trotz Impfung lebensgefährlich werden“, warnt Simone Weidinger und fragt sich: „Was ist denn schon so ein Test gegen eine Infektion?“

Ähnlich sieht es auch Kinderarzt Dr. Stephan Küntzer. Er kann es nicht nachvollziehen, warum geimpfte Kinder nicht weiterhin regelmäßig getestet werden sollten. „Übertragen können sie das Virus nämlich trotzdem“, weiß der Mediziner. „Und Omikron schert sich gerade nicht im Geringsten darum, ob jemand geimpft ist oder nicht. Es rauscht einfach durch.“

Was Küntzer nachdenklich stimmt: In seiner Praxis bekommt er nicht selten falsche positive oder negative Schnelltests zu Augen. Der Grund: Die Menschen sind oft schon ein bis zwei Tage vor einem positiven Test ansteckend. Für ihn stellt sich deshalb die Frage, ob die aktuellen Massentestungen in Gemeinschaftseinrichtungen für Kinder wirklich sinnvoll sind. Die mittlerweile sehr hohe Durchseuchung wie auch die deutlich weniger und leichter werdenden Komplikationen machen diese Massentests in seinen Augen überflüssig.

Querelen bei Eltern

Noch kritischer steht er allerdings der Impfung der jüngsten Altersklasse gegenüber. „Bisher zählte das Argument, dass diejenigen, die sich impfen lassen, nicht nur sich, sondern auch alle anderen mit schützen.“ Inzwischen seien aber vor allem die Menschen in den Risikogruppen zum Großteil geimpft („Für diese Gruppe ist die Impfung definitiv wichtig“), Omikron bringe weniger schwere Verläufe und eine Übertragung erfolge oft auch trotz Impfung. „Beim Impfen der Kinder fehlt mir der Mehrwert für sie selbst, da sie nur in Einzelfällen und schweren Komplikationen oder Long Covid leiden“. In seiner Praxis habe er täglich mit den verschiedensten bakteriellen und viralen Erkrankungen zu tun. Gemessen an der Schwere sei Corona da nur eine unter vielen.

Christine Sendner, die Leiterin des Obervolkacher Kindergartens, wäre trotzdem leichter ums Herz, wenn ihre Schützlinge weiterhin getestet würden. Sie kann es nicht nachvollziehen, dass es keine klaren, für Kindergärten und Schulen einheitlichen Richtlinien von den zuständigen Ministerien gibt. „So haben wir keine Handhabe. Die geimpften Kinder sind von der Testpflicht ausgenommen und fertig“, sagt die Erzieherin. „Wir können nur an die Eltern appellieren.“

Der große Teil der Elternschaft halte sich an die Empfehlungen und komme der Nachweispflicht mit großer Sorgfalt nach. „Es hat sich sehr gut eingespielt“, bestätigt Sendner – die Stimmung in der Kindergartenfamilie leide aber schon sehr darunter, dass die Sichtweisen bezüglich der Sinnhaftigkeit des Testens derart unterschiedlich sind. „Die Querelen unter den Eltern belasten uns natürlich auch“, sagt Christine Sendner.

Dabei könnten alle so zufrieden sein mit der Situation. Bisher gab es, im Gegensatz zu manchem Kindergarten aus der unmittelbaren Umgebung, noch keine krankheitsbedingten Kürzungen oder gar Schließungen. „Wir sind bisher sehr gut durchgekommen“, sagt die Kindergartenleiterin und klopft drei Mal auf Holz.

Und Maria Weidinger? Sie will die aktuelle Situation im Kindergarten erst mal zu Hause aussitzen und hofft, dass sich so wenig Erzieher und Kinder wie möglich anstecken, und wenn doch, dass sie möglichst schnell und unkompliziert genesen. Ein frommer Wunsch vielleicht angesichts manch positiven Selbsttests, der Anfang der Woche in Obervolkach gemeldet wurde. Die Tatsache wird sie in ihrer Meinung bestätigen – und die Kindergartenfamilie womöglich noch tiefer spalten.

Impfen und Testen

Pflicht Die Testnachweispflicht gilt seit dem 10. Januar für alle Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr bis zur Einschulung. Schulkinder werden bereits im Rahmen ihres Schulbesuchs regelmäßig verpflichtend auf eine Coronavirus-Infektion getestet. In den Ferien, in denen Schulkinder ausschließlich den Hort und nicht die Schule besuchen, benötigen Schulkinder ebenfalls einen dreimal wöchentlichen Testnachweis und können hierfür beispielsweise einen Selbsttest unter Aufsicht im Hort durchführen.

Befreit Vollständig geimpfte bzw. genesene Kinder sind von der Testnachweispflicht befreit. Als genesen gelten nach aktueller Vorgabe des RKI Personen, deren Testung mindestens 28 und höchstens 90 Tage zurückliegt.

Verpflichtet Geimpfte und genesene Schüler dürfen nur dann am Präsenzunterricht, an sonstigen Schulveranstaltungen sowie an der Mittagsbetreuung und Angeboten der schulischen Ganztagsbetreuung teilnehmen, wenn sie einen negativen Testnachweis vorlegen können.