Wo kommen die ganzen Wähler her, die ihr Kreuz bei der AfD machen?
Wolf: Aus ganz unterschiedlichen Bereichen. Einige waren CSU/CDU- Wähler, viele Nichtwähler sind dabei, einige kommen sogar von der linken Schiene. Ihnen gefällt, dass die AfD den Protektionismus betont.
Wie entwickelt sich die AfD weiter? Wird die Partei auf lange Sicht erfolgreich bleiben?
Wolf: Ich denke schon. Sobald weniger Flüchtlinge kommen und das Thema abkühlt, wird sich die AfD allerdings neuen Themen zuwenden müssen. Eventuell wird es auch zu Streitigkeiten innerhalb der Partei kommen. Vor allem, wenn zu viele Mitglieder mit extremem rechten Gedankengut beitreten.
Das heißt: Als Beraterin der AfD würden Sie empfehlen, den ganz rechten Flügel nicht allzu stark aufkommen zu lassen?
Wolf: Björn Höcke sollte für die Partei quasi der Rechtsaußen sein. Wenn Menschen wie er in Massen kommen, wäre das fatal für die AfD.
Zumal die Partei ja auch intern über ihren Kurs streitet.
Wolf: Die internen Streitigkeiten lassen sich aber auch positiv instrumentalisieren. Je mehr Flügel ich in einer Partei habe, desto mehr Wählerpotenzial kann ich abgreifen. Bei der AfD reicht das ja vom christlich fundamentalistischen Ansatz bis zum rechtsnationalen. Politisch gesehen macht es Sinn, mehrere Aushängeschilder zu haben. Der Wählerpool lässt sich so vergrößern.
Steckt dahinter eine Strategie oder ist das Zufall?
Wolf: Das entwickelt sich eher automatisch. Frauke Petry wurde früher dem rechten Rand der Partei zugerechnet, heute ist sie eher am linken Rand beheimatet.
Wird die AfD auch in Bayern in den Landtag einziehen?
Wolf: In Bayern ist alles ein bisschen anders. Die CSU ist weiter rechts als die CDU. Sie kann mehr Leute aus diesem Spektrum als ihre Schwesterpartei integrieren. Das ist übrigens eine sehr geschickte Strategie.
Mit der sich andere Parteien traditionell schwer tun. Allen voran die SPD. Ist der Schulz-Effekt schon gänzlich verpufft?
Wolf: Es wurden zu viele Hoffnungen in ihn gesteckt. Der erster Eindruck ist ja der: Schulz ist sympathischer als Merkel, er wirkt irgendwie menschlicher. Aber für viele Wähler ist er der Inbegriff der bösen EU, der Bürokratie.
Sind Emotionen für die Wähler mittlerweile wichtiger als die Inhalte?
Wolf: Leider ja. Die Bürger haben die Nase voll von Experten und von Fakten. Themen wie TTIP oder die Finanzkrise sind ja auch unglaublich komplex. Die sind im Wahlkampf kaum zu erklären. Dennoch sind politische Inhalte in Deutschland noch wichtiger als anderswo.
Was meinen Sie?
Wolf: Denken Sie an die USA. Ein mehrfach angezeigter Mensch ist dort Präsident geworden. Warum? Weil er für den Inbegriff des erfolgreichen Selfmade-Mannes steht. Der er im Übrigen gar nicht ist. Den Wählern war es aber völlig egal, was er gesagt hat. Es ging nur um die Hülse, um das Image.
Sieht so die Zukunft eines erfolgreichen Politikers auch hierzulande aus? Werden wir irgendwann auch einen deutschen Trump haben?
Wolf: Früher hat man den Politikern jedenfalls genauer auf die Finger geschaut. Guttenberg hat seine Doktorarbeit gefälscht. Das ging gar nicht. Heute wäre das wahrscheinlich okay. Es wird sogar ein bisschen erwartet, dass Politiker lügen.
Angela Merkel entspricht diesem Bild aber gar nicht.
Wolf: Sie wirkt absolut undramatisch und das tut in diesem Betrieb schon als Gegensatz gut. Außerdem hat sie sich bewiesen, in der Finanzkrise und der Flüchtlingskrise. In ihrer Kanzlerschaft gab es mehr Krisen zu bewältigen als bei ihren Vorgängern. Und wenn wir ehrlich sind: So richtige Alternativen hat es bei den bisherigen Wahlen ja auch nicht gegeben.
Welche Themen werden im bevorstehenden Bundestagswahlkampf entscheidend sein?
Wolf: Finanzen und Flüchtlinge.
Das wird der AfD in die Karten spielen.
Wolf: Davon muss man ausgehen.
Wird es die AfD nicht mehr geben, wenn das Thema Flüchtlinge wegfällt?
Wolf: Schwer zu sagen. Die Partei hat ihre Wandlungsfähigkeit schon bewiesen. Erst war der Euro Thema, jetzt die Flüchtlinge. Vielleicht kommt wieder ein anderes Thema und sie schafft den Wandel. Wenn nicht, kann es schnell vorbei sein.
Ist die Fähigkeit zum Wandel eine Voraussetzung für den langjährigen Erfolg als Partei?
Wolf: Parteien ohne eine Wertebasis können jedenfalls schneller reagieren, im Gegenteil zur SPD und CDU. Die müssen neue Themen immer auf ihre Basiswerte hin abchecken.
Zur Person: Tanja Wolf ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Uni Würzburg und arbeitet am Institut für Politikwissenschaften und Soziologie. Sie promoviert zum Thema „Rechts-extremismus und Rechtspopulismus“ und hat im Springer-Verlag ein Buch herausgebracht. Titel: „Rechtspopulismus - Überblick über Theorie und Praxis.