Aluhüte und Schlafschafe
Autor: Diana Fuchs
Kitzingen, Mittwoch, 10. März 2021
Überall lauern fiese Mächte – zumindest für Verschwörungstheoretiker. Warum ihr Weltbild psychologisch erklärbar und menschlich ist, aber trotzdem falsch, erklärt Markus Appel, Professor für Kommunikationspsychologie und Neue Medien an der Universität Würzburg.
So eine Pandemie verunsichert. Ist das der Grund dafür, dass manche Menschen an teils krude Verschwörungstheorien glauben? Markus Appel, Professor für Kommunikationspsychologie und Neue Medien an der Universität Würzburg, sagt: Es steckt oft mehr dahinter.
Markus Appel: Das Phänomen „Verschwörungstheorien“ ist nicht neu. Denken wir nur an die Dolchstoß-Legende nach dem Ersten Weltkrieg, mit der man die Niederlage Deutschlands erklärte. Auch Krankheitsausbrüche wie die Pest hat man früher dadurch zu begründen versucht, dass bestimmte Personen im Hintergrund Böses beabsichtigen – etwa, Juden würden Brunnen vergiften. Wir leben heute wieder in besonderen Zeiten. Da greifen verschiedene Faktoren ineinander und befeuern abenteuerliche Theorien.
Welche Faktoren sind das?Der erste Faktor ist die Beunruhigung, die Corona auslöst, weltweit. Das Thema betrifft quasi alle Menschen, viele fürchten um ihre Existenz. Der zweite Punkt ist: Es gibt viele offene Fragen. Im Detail unterscheiden sich auch die Meinungen von Wissenschaftlern. Das ist der perfekte Nährboden für Verschwörungstheorien. Es ist ganz einfach: Wer sich bedroht fühlt, greift nach jedem Strohhalm. Die Faktenlage und die Gemengelage in den Medien ist komplex. Verschwörungstheorien dagegen sind einfach. Da sagt einer: „Corona, das ist gar keine schlimme Sache, wie Grippe halt.“ So eine einfache Lösung wünschen sich viele.
Die soziale Komponente. Wer in seiner Gruppe Entsprechendes postet, gehört dazu, bekommt Schulterklopfen.
Das könnte man meinen. Aber auch Multimillionäre denken ans Geld, auch für sie ist die Corona-Krise subjektiv gesehen eine Notlage – ohne Engagements, ohne Gagen. Manche haben zudem vielleicht schlechte PR-Berater oder sind persönlich so gestrickt, dass sie sich Verschwörungstheorien gerne öffnen. Wieder andere zeichnen ihr öffentliches Bild sicher ganz bewusst – dahinter steckt Strategie. Man möchte in den Medien präsent sein, egal wie.
Wie gefährlich ist das alles?Viele Menschen orientieren sich an Personen des öffentlichen Lebens, die in den Schlagzeilen sind. In der Masse kann das gefährlich werden, es muss aber nicht. Nehmen wir den Musiker und Trump-Fan Michael Wendler, der sich auf Instagram als Corona-Leugner outete. Darüber haben auch seriöse Medien ausführlich berichtet, was dazu führte, dass sein Gedankengut indirekt weiterverbreitet wurde – einfach, indem man die Geschichte erzählte.
Heißt das, Sie geben auch dem Qualitätsjournalismus eine Mitschuld daran, dass sich Verschwörungstheorien verbreiten?Es ist Fakt, dass für viele Menschen der Zugang zu Informationen über klassische Nachrichtenmedien erfolgt: Tageszeitung, Radio, Fernsehen. Medien machen manche Themen groß. Beziehungsweise sie wirken in den Medien größer als sie sind. Das ist auch bei Corona-Leugnern eine Gefahr. Wenn der Bayerische Rundfunk vorbeischaut, ist das ihre größte Auszeichnung…