Alles Gute, Steigerwald!
Autor: Diana Fuchs
Kitzingen, Mittwoch, 26. Mai 2021
50 Jahre Naturpark Steigerwald: Wir stellen die schönsten Plätze vor. Heute: Förster Andreas Leyrer lässt sich besonders gern auf einem Bänkchen am Franziskusweg nieder.
Er weiß, wo im Wald die „dicksten Schinken“ wachsen. Wo der Wolf durchzieht. Und wo der Halsbandschnäpper am liebsten sein Liedchen pfeift. Im Steigerwald macht ihm so schnell keiner etwas vor. Nur bei einem tut sich Andreas Leyrer schwer. Auf die Frage nach seinem Lieblingsplatz im Naturpark windet sich der Förster ein bisschen. „Es gibt so viele tolle Plätze“, sagt er. Auch wenn er versucht, die Vielfalt immer mehr einzugrenzen: Am Ende bleiben gleich drei Orte übrig, an die es ihn immer wieder zieht: eine Methusalem-Buche, die Aussichtskanzel an der Ruine Stollburg und ein kleines Bänkchen am Franziskusweg.
Letzterer beginnt quasi direkt vor seinem Büro im Handthaler „Steigerwald-Zentrum – Nachhaltigkeit erleben“, wo sich Leyrer um alle forstlichen Belange kümmert. Wenn der 59-Jährige mal eine Pause braucht, läuft er ein Stück auf dem rund zwei Kilometer langen Rundweg Richtung Waldrand. Zu hören sind hier nur Vogelgezwitscher und der Wind, der sich in den hellgrünen jungen Trieben der Laubbäume fängt; es ist „herrlich ruhig und friedlich“. Der Heilige Franz von Assisi habe Tiere geliebt, weiß Leyrer. Der Förster freute sich deshalb sehr, als Pfarrer Stefan Mai aus den franziskanischen Quellen acht Tierlegenden aussuchte und daraus Geschichten für einen Franziskusweg im Steigerwald machte. Acht Wegstationen gibt es seit dem vergangenen Jahr. Auf einer oxidierten Stahlstele wird je eine Geschichte oder Fabel über ein Wildtier wie Hase, Wolf, Fasan oder Falke erzählt. Mai übernahm die Texte nicht eins zu eins, sondern übertrug sie in ein „heutiges Deutsch“.
Ein wunderschöner Ort zum Entspannen
An der Falken-Stele stoppt Leyrer. „Ich sitze sehr gern hier und schaue rüber zum markanten Stollberg“, erzählt der Forstmann, während er auf einem Bänkchen an der Stele Platz nimmt. „Es ist ein wunderschöner Ort zum Entspannen.“ Hinter ihm liegt der Wald, vor ihm, von der Sonne beschienen, das Tal unterhalb der Stollburg mit seinen Feldern und Weinbergen. Unten im Dorf lugt der Turm der Magdalenenkapelle durch die Baumspitzen; dort endet – beziehungsweise beginnt – der Franziskusweg. Hat Leyrer mehr Zeit, steuert er gerne auf den höchstgelegenen Weinberg Frankens zu, den Stollberg, der von der Ruine Stollburg bewacht wird. Oberhalb des Handthaler Bachs und an mehreren Weihern vorbei geht es bergan. Immer wieder blickt der Förster ins Tal hinunter und freut sich über den malerischen Anblick. Warum er als gebürtiger Niederbayer – Leyrer stammt aus der Holledau – den Steigerwald so liebgewonnen hat? „Ich habe wohl den besten Grund dafür“, sagt er und lächelt. „Mit einer Gemüsegärtnerin aus Albertshofen habe ich quasi eine Steigerwälderin geheiratet – und das auf dem ?heiligen Berg? des Steigerwaldes, dem Schwanberg.“
Schon immer habe es ihn fasziniert, was man aus einem Blick auf die Landschaft alles herauslesen kann, sagt der 59-Jährige, als er die Aussichtsplattform hinter der Ruine Stollburg betritt und sich das fränkische Keuperstufenland unter seinen Füßen ausbreitet wie eine riesige Picknickdecke. „Das ist eine typische Zisterzienser-Landschaft“, sagt er. „Ein Wald mit schönen Eichen und Buchen, eine Quelle, Fischteiche und eine ertragreiche Landwirtschaft: Das waren gute Voraussetzungen fürs Leben.“ Die Ebracher Mönche hätten das erkannt und von der Landwirtschaft sowie von der Holznutzung gut leben können. Rund um Iphofen, am Westrand des heutigen Naturparks, gab es Eichenhaine für die Tiermast. „Auf den größten Eichen wachsen die dicksten Schinken“, erinnert Leyrer an die so genannte „Eichelmast“ der Schweine. Und noch eine Besonderheit war schon vor Jahrhunderten ein Garant für den Wohlstand der Iphöfer: Jahrhundertelang durften die Bürger in den Wäldern das Unterholz im Abstand von etwa 30 Jahren als Brennholz einschlagen, während das Oberholz geschont wurde. So entstand sogenannter Mittelwald, der heute Kulturerbe ist. Besonders die Eichen-Hainbuchenwälder erhielten so ihr charakteristisches Aussehen – und enormen Artenreichtum.
Die Landschaft ist menschengemacht
Anders in Bamberg. Rund um die heutige Oberfrankenmetropole waren die Böden ärmer, das heißt weniger ertragreich. „Man musste den Bauern und Bürgern deshalb auch Flächen innerhalb der Wälder zur Verfügung stellen, die diese dann rodeten“, sagt Leyrer. Viele Rodungsinseln seien dadurch entstanden. Aufgeforstet worden sei oft mit der schnellwüchsigen Kiefer. „Aus heutiger Sicht war das nicht nachhaltig.“ Doch es sei ein gutes Beispiel dafür, „dass unsere Landschaft nicht naturgegeben, sondern menschengemacht ist“. Beim Abstieg von der Stollburg, auf der übrigens der mittelalterliche Minnesänger und Dichter Walther von der Vogelweide zur Welt gekommen sein soll, fallen einige Totholzstämme ins Auge, die im Wald liegengelassen wurden. „Wir wissen heute längst, dass eine vermeintlich schlampige Bewirtschaftung viel besser ist als ein total auf- und ausgeräumter Wald“, betont der Fachmann. „Nur dort, wo es einen vielfältigen Baumbestand mit reichen Strukturen und auch ein wenig Wildnis gibt, hat die Artenvielfalt bei Insekten, Vögeln und Pilzen eine echte Chance.“ Ulrich Mergner von den Bayerischen Staatsforsten, die den Staatswald im Naturpark bewirtschaften, hat dafür ein wegweisendes integratives Naturschutzkonzept entwickelt, das inzwischen europaweit Anerkennung findet, sagt Leyrer. „Schutz trotz Nutzung“, laute das Motto, durch das die Artenvielfalt verbessert und trotzdem die Ernte des wertvollen Rohstoffes Holz ermöglicht werden soll.