Corona in der Altenpflege: So leiden ältere Menschen unter den Beschränkungen
Autor: Ralf Dieter
Marktbreit, Donnerstag, 26. November 2020
Gudrun Herrlen von der Ambulanten Pflege in Marktbreit berichtet, wie einsam sich die meisten ihrer Kunden fühlen – und was das für Konsequenzen hat.
Leicht haben sie es nicht, die Bewohner in den Seniorenheimen des Landes. Aber tendenziell geht es ihnen besser als den Menschen, die zu Hause auf ambulante Pflege angewiesen sind.
Gudrun Herrlen ist Pflegedienstleiterin der Ambulanten Pflege der AWO in Marktbreit. Jeden Tag sind sie und ihre 20 Mitarbeiterinnen unterwegs. Besuch bei Menschen, die auf Hilfe angewiesen sind. 150 bis 180 Menschen stehen auf ihrer Kartei. „Manche sehen wir dreimal am Tag, andere einmal die Woche“, berichtet sie.
Corona bei Senioren: "Seit März gibt es kaum noch Geselligkeit für diese Menschen"
Was bei allen gleich ist: Die Freude, wieder mal einen Mitmenschen zu sehen. „Seit März gibt es kaum noch Geselligkeit für diese Menschen“, weiß Herrlen. Manche hatten es vor Corona noch alleine zum Gesangverein geschafft oder sind von Freunden zu einem Schoppen abgeholt worden. Die Kontakteinschränkungen treffen diese Menschen besonders hart, ihnen fehlen die sozialen Kontakte besonders.
Video:
Den ersten Lockdown im März und April hätten die meisten noch ganz gut weggesteckt. „Aber jetzt kippt die Stimmung“, bedauert die Pflegerin. Die Demenz schreitet bei manchen Kunden schneller voran, andere reagieren zunehmend aggressiv. Und dann gibt es Menschen, die keine Lust mehr am Leben haben. „Sie fühlen sich nur noch eingesperrt“, erklärt Herrlen. Kein Wunder: Oft sind die ambulanten Pflegerinnen der einzige Kontakt zur Außenwelt. „Und wir müssen ja auch schnell wieder weiter.“
Im Haus der Senioren in Marktbreit leben derzeit 120 Bewohner. Auch sie leiden unter den Corona-Beschränkungen. Aber im Vergleich zu den Senioren, die alleine in ihrer Privat-Wohnung leben, gehe es ihnen gut. Davon ist Einrichtungsleiter Ludger Schuhmann überzeugt. Friseur, Fußpflege, Physiotherapie: „Alles wieder möglich“, sagt er. „Natürlich unter strengen Hygieneauflagen.“ In ihrem jeweiligen Wohnbereich können sich die Menschen seit Ausbruch der Pandemie, begleitet von Betreuungsassistenten treffen und austauschen. Und für die Besucher ist ein eigener Bereich eingerichtet worden. Alleine im Oktober zählten seine Mitarbeiter 235 Besuchskontakte.
Überstunden und Organisationsaufwand: Wie werden Corona-Regeln in Heimen umgesetzt?
Also eitel Sonnenschein im stationären Bereich? Schuhmann muss bei der Frage vernehmlich durch schnaufen. Die Arbeit, die hinter all diesen Maßnahmen steckt, sehe kein Mensch. Schuhmann zieht mehrere Ordner aus einem Regal. „Unsere Pandemie-Mappen.“ Die Anweisungen von Gesundheitsministerium, Gesundheitsamt, Regierung von Unterfranken und der Heimaufsicht füllen hunderte Seiten. „Jeden Tag was Neues“, sagt Schuhmann und zieht die Augenbraue hoch. Oft kommt ein Ministerialbrief an einem Freitag. Dann stehen am Wochenende wieder mal Überstunden an. Betriebsabläufe müssen verändert, Dienstpläne umgeschrieben werden. Und die ersten Angehörigen melden sich am Telefon, weil sie in den Nachrichten gehört haben, dass sich etwas verändert.
Einmal pro Woche setzt sich Schuhmann mit seinem hausinternen Krisenstab zusammen, zu dem auch Gudrun Herrlen gehört, um die neuesten Veränderungen und Verordnungen zu besprechen, um das tägliche Miteinander immer wieder an die neuen Richtlinien anzupassen. Mit das Schwierigste ist die Kommunikation. Nicht nur die Mitarbeiter müssen eingebunden und informiert werden, auch die Bewohner und Angehörigen. „Das Verständnis ist nicht immer gleich“, sagt Schuhmann. „Und das ist noch sehr vorsichtig ausgedrückt.“ Es gab schon Fälle, in denen Angehörige ihre Verwandten im Rollstuhl abgeholt haben und ein paar Meter vom Heim entfernt in größeren Gruppen eng zusammenstanden – ohne Maske. „Da war dann Schluss für mich“, erinnert sich Schuhmann.