Druckartikel: Lange Haftstrafe als Chance für Heranwachsende

Lange Haftstrafe als Chance für Heranwachsende


Autor: Franz Barthel

Würzburg, Mittwoch, 27. März 2013

Im Prozess um Überfälle auf zwei Taxifahrer, einen Pizza-Boten und einen Einbruch in einen Einkaufsmarkt hat einer der Angeklagter am Mittwoch während der Urteilsverkündung eine Handbewegung horizontal zum Hals gemacht, die als Drohung verstanden werden könnte.


Als der Vorsitzende Richter Bernd Krieger den 19-Jährigen aus Dettelbach fragte, für wen das Signal bestimmt gewesen sei, antwortete der zunächst nicht und sagte dann: "Nur für mich. Wie soll ich denn nach diesem Urteil meiner Mutter noch einmal in die Augen schauen".
Der junge Mann war, wie ein weiterer Angeklagter, der aus dem Landkreis Kitzingen stammt, zu vier Jahren und drei Monaten verurteilt worden. Tatorte waren Würzburg, die Stadtrandgemeinde Höchberg und Dettelbach.
Das Gericht hatte, als es zu der "Einlage" kam, gerade versucht, diesen beiden Angeklagten den "Marschbefehl" in die Justizvollzugsanstalt Ebrach als Chance erläutert. So könnten sie doch noch die Kurve kriegen.

Eine Berufsausbildung hinter Gittern setzte, wenn sie erfolgreich sein soll, eine längere Freiheitsstrafe voraus, um dort auch abgeschlossen zu werden.
Von den unter anderem wegen Raub und räuberischer Erpressung angeklagten 18 und 19 Jahre alten Angeklagten erhielt einer 18 Monate mit Bewährung. Bei einem anderen wird erst nach sechs Monaten Probezeit in Freiheit entschieden, ob seine Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten auch zur Bewährung ausgesetzt werden kann.
Dass bei den Überfällen "nur" Schreckschuss-Pistolen eingesetzt wurden, könne, so das Gericht, nicht strafmildernd angerechnet werden, wie die Verteidiger das angeregt hatten. Entscheidend sei, wie die bei der Tat benutzte " Waffe" vom Opfer wahrgenommen wird. "Auch eine Spielzeug-Pistole mit Zündblättchen ist geeignet, Menschen in Todesangst zu versetzen", meinte der Richter. Denn bei einem Überfall könne ein Opfer sich nicht erst davon überzeugen, ob es sich bei der Waffe um eine scharfe handelt oder nur um eine Attrappe.
Keine Rolle spiele bei der Abrechnung vor Gericht auch, dass die Angeklagten bei drei Überfällen innerhalb weniger Tage nur eine Beute von unter 500 Euro machten. "Sie haben mitgenommen, was ihre Opfer bei sich hatten", kommentierte der Richter. Dass die Serie der Überfälle in der letzten Novemberwoche 2012 bereits nach Fall Nummer drei zu Ende war, ist nur einem Zufall zu verdanken.
Keines der Opfer hätte, so das Gericht, einen der vermummten Täter identifizieren können. Weder die Taxifahrer noch der Pizza-Bote haben als Zeugen vor Gericht einen der Täter wieder erkannt.
Nach dem Überfall auf einen Taxifahrer in Höchberg hatte sich das Trio sofort getrennt. Einer der Beteiligten, der die Rolle des "Fahrgastes" gespielt hatte, wollte anschließend schnell nach Würzburg zurück. Er rannte zu einer Haltestelle, um den gerade ankommenden Bus nicht zu verpassen. Dadurch ist er Polizeibeamten, die zur Fahndung unterwegs waren, "aufgefallen". Die folgten dem Bus, haben den jungen Mann nach dem Aussteigen kurz "interviewt" und der hat den Überfall sofort zugegeben und die Namen der Mittäter genannt.
Dafür haben die anderen drei Angeklagten sich vor Gericht beim vierten Mann bedankt: Ohne Festnahme, sagte einer, wäre das mit den Überfällen so weiter gegangen. Man sei nicht sauer, dass der Mittäter sie "verpetzte". Ein Beteiligter, ein junger Mann mit sechs Vorstrafen und hohem Gewaltpotenzial, hatte vorübergehend eine Ausbildung zum Kinderpfleger absolviert.
Dem Angeklagten, der Bewährung bekam und dem, der nach sechs problemlosen Monaten damit rechnen kann, hat das Gericht ein festes Korsett an Auflagen verpasst. Dazu gehört in einem Fall ein striktes Alkoholverbot. Der junge Mann, der aus der Untersuchungshaft nach Kitzingen entlassen wurde, müsse damit rechnen, so das Gericht, dass die Kitzinger Polizei immer wieder mal unangemeldet zwecks Alkoholkontrolle bei ihm vorbei schaut.

Enttäuscht vom Jugendamt

Maßlos enttäuscht war der Jugendrichter über das Verhalten des Kitzinger Jugendamtes im Fall eines der Angeklagten. Der sei 14 Jahre alt gewesen, als die allein erziehende Mutter Kitzingen aus beruflichen Gründen verließ - so der Bericht des Jugendamtes . Sie zahlte die Wohnung und den Lebensunterhalt, die Behörde habe sich damit "abgefunden", dass der Jugendliche allein zurecht kommt. Ohne Schulabschluss und Berufsausbildung ist der dann als Obdachloser auf der Straße gelandet.