Landwirt verliebte sich in Frau, die es gar nicht gibt
Autor: Franz Barthel
Würzburg, Mittwoch, 05. Juni 2013
Mehr als eine halbe Million Euro hat ein Landwirt aus dem Landkreis Würzburg verloren. Er hat sich in die sündhaft teure Jaqueline verliebt - eine Frau, die es gar nicht gibt.
Nicht nur bildhübsch, sondern angeblich auch stinkreich war eine junge Frau, die eine deutsch-österreichische Bande auf einen seit längerer Zeit schon "Frau suchenden Bauern" im Landkreis Würzburg angesetzt hat. Der Erbe eines großen Hofes wurde über Jahre hinweg mit abenteuerlichen Stories "gemolken". Dabei hat er über eine halbe Million Euro verloren.
Von zahlreichen, zum Teil namentlich bekannten Mittätern bei dem filmreifen Abzocken, ist ein 64 Jahre Rentner aus Ensdorf in Österreich der bisher einzige, der angeklagt und im November 2012 vom Amtsgericht Würzburg wegen versuchtem gewerbsmäßigem Bandendiebstahl zu drei Jahren verurteilt worden war. In der Berufungsinstanz vor einer Strafkammer des Landgerichts wollte er jetzt einen Freispruch haben oder wenigstens eine vorzeitige Entlassung aus der Haft, zur Bewährung, da er seine kranke Frau mit dem Hochwasser in Österreich nicht allein lassen könne.
Nachdem die Vorsitzende Richterin Susanne Krischker ihn allerdings darauf aufmerksam gemacht hatte, dass die Strafe nach Aktenlage in der neuen Prozessrunde durchaus auch über drei Jahren liegen könne, nahm der Angeklagte seine Berufung ganz schnell zurück. Der auf drei Verhandlungstage angesetzte Prozess war nach knapp 45 Minuten rechtskräftig beendet. Die nicht-juristische Bemerkung der Richterin, dass sie nicht nur bellen, sondern auch beißen könne, hatte der Mann verstanden. Für den Rentner war das die erste Verurteilung in Deutschland, aus Österreich brachte er 28 Vorstrafen mit, unter anderem für Betrug und Waffenhandel.
"Jaqueline" war nur Lockvogel
Die Gauner hatten gründlich recherchiert: Anfang 2004 stellte sich ein gut gekleideter Mann, angeblich Franzose, auf dem Bauernhof im Landkreis Würzburg als Sohn eines Zwangsarbeiters vor, der während des Krieges dort gearbeitet hätte und stets gut behandelt worden sei. An den konnten sich die alten Bauersleute noch gut erinnern, die Freude über den Besuch war groß. Und dabei hatte der Franzose "Jaqueline", angeblich seine Nichte, die sich sofort in den "Jung-Bauern"(44) verliebte und auf schnelle Verlobung drängte. Danach kam sie immer wieder, aber nur für höchstens zehn Minuten. Sie besuchte den Landwirt meist mit dem Taxi und konnte nicht lange bleiben, weil sie angeblich nach Frankreich oder USA zurück fliegen müsse.
Dann kam vom Onkel aus Frankreich eine gute Nachricht und eine schlechte: Jaqueline sei ganz plötzlich gestorben, aber vorher habe sie den Geliebten vom Land noch zu ihrem Allein-Erben eingesetzt: Das Vermögen, das sie hinterlassen hat, betrug nach Schätzung der "Verwandten" anfangs 600 000 Euro und zuletzt 32 Millionen. Darunter war ein Grundstück mit Villa in Kalifornien.
Bei den Ermittlungen später stellte die Polizei allerdings fest, dass man dem Bauern das Anwesen von Jennifer Lopez in Beverly Hills präsentiert hatte.
Um das Vermögen aus Amerika in das kleine Dorf im Landkreis Würzburg zu transferieren, mussten angeblich dies- und jenseits des Atlantik erfahrene Rechtsanwälte eingeschaltet werden und Notare nach USA fliegen.
Meist sind dafür Beträge von 10 000 und 30 000 Euro "angefallen", angefordert und abgeholt worden. Zu Gesprächen über den aktuellen Stand der Abwicklung erschienen auf dem Bauernhof ein angeblicher Generalstaatsanwalt, der mit "Jaqueline" verwandt war, ein Notar mit zwei Doktortiteln und ein Polizist, der angeblich auch mit der Überführung der Millionen aus USA in den Landkreis Würzburg zu tun hatte.
Von keinem der Gesprächspartner hatte der Landwirt eine Adresse, nur eine Handynummer vom Onkel der Jaqueline. Immer wieder, so der Landwirt vor Gericht, sei ihm gesagt worden, im Dorf nicht über das Vermögen der Verlobten zu reden, es müsse nicht jeder wissen, wie reich er demnächst sei.
Die Auszahlung von Jaquelines Erbe hat sich dann jahrelang verzögert und das wurde mit abenteuerlichen Geschichten begründet: Ein mit der Abwicklung beauftragter Notar sei bei einem Attentat gestorben, ein anderer Beteiligter bei einem Tornado ums Leben gekommen, ein anderer bei einem Verkehrsunfall. Und immer wurden Kosten fällig für neue Leute, die sich erst in den Fall einarbeiten mussten. Dafür verkaufte der Landwirt Äcker, besorgte sich Darlehen bei der Bank und pumpte zuletzt Leute im Dorf an mit der Zusicherung, dass sie ihr Geld bald wieder bekommen.
Hinweis von der Bank
Der Rentner aus Enzdorf ist festgenommen worden, als er im Februar 2012 angeblich die letzten vor der Vermögens-Auszahlung fällig werdenden Kosten in Höhe von 32 000 Euro abholen wollte. Da wartete die Polizei bereits auf ihn, durch Telefon-Überwachung "im Bild", nachdem ein Bank-Mitarbeiter die Polizei informiert hatte, dass einer ihrer Kunden ganz offensichtlich von Betrügern "ausgenommen" wird, aber das nicht wahr haben will. Sogar die Polizei wurde zunächst nicht ernst genommen, als man den Bauern und seine Eltern vor den Betrügern warnte.
Den Junggesellen beschrieb das Amtsgericht in seinem Urteil als grundehrlich und glaubwürdigen Zeugen, "teils bauernschlau, teils einfach gestrickt" . Er habe auch nicht daran Anstoß genommen, dass die Geldübergabe für die Abwicklung der Millionen-Erbschaft nie auf seinem Hof stattfand, sondern meist auf dem Parkplatz eines Würzburger Elektronikmarktes. So wollten die Gauner verhindern, dass sie von Dorfbewohnern gesehen und bei einer späteren Gegenüberstellung vielleicht wieder erkannt werden.
Dem Angeklagten und den Leuten, die hinter ihm stehen, sei es einfach gemacht worden, so das Gericht, sie hätten eine bodenlose Gutmütigkeit ausgenutzt und dabei die Existenz einer Landwirts-Familie nahezu vernichtet.