Kitzinger Musiker wollen Ton angeben
Autor: Sabine Memmel
Kitzingen, Mittwoch, 03. April 2013
Musikvereine im Landkreis sehen rot. Die Künstlersozialkasse fordert Abgaben, kassiert einen Teil der Lehrerhonorare. Die Vereine kämpfen um ihre Existenz und ziehen bis nach Berlin.
"Wo sollen die Vereine das Geld hernehmen?", fragt sich Peter Müller (Name von der Redaktion geändert) immer wieder und schlägt die Hände vor sein Gesicht. Seit Jahren ist er Leiter eines Jugendblasorchesters. Jetzt sieht er schwarz: "Das ist der Ruin für alle Vereine, das ist eine Zumutung." Die Zumutung, von der er spricht, ist die neueste Forderung der Künstlersozialkasse (KSK). Sie hat die Musikvereine den Musikschulen gleichgestellt und kassiert nun einen Teil der gezahlten Honorare der Lehrer - auch wenn die selbst gar nicht dort versichert sind. Und das ist noch nicht alles: Die Kasse fordert sogar rückwirkend die Abgaben der letzten fünf Jahre. "Für einzelne Musikvereine werden dabei Beträge im fünfstelligen Bereich fällig", erklärt Andreas Kleinhenz, Geschäftsführer des Nordbayerischen Musikbunds.
Keine Bildungseinrichtung
"Wir wissen, dass die Abgabe für freiberufliche Lehrer wichtig ist. Aber es ist ungerecht, wenn Musikvereine eins zu eins wie Musikschulen behandelt werden", ärgert sich Stefan Wolpert, Bundesjugendleiter des Nordbayerischen Musikbunds. Immerhin bilden Musikvereine ihren eigenen Nachwuchs aus - ein Kriterium, dass die Vereine bisher von der Abgabepflicht freistellte. Und das machen sie ehrenamtlich - ohne staatliche Förderungen, auf die Musikschulen zurückgreifen können.
Während sich nämlich ein Musikverein zu 90 Prozent ausschließlich aus Eltern- und Mitgliedsbeiträgen finanziert, machen das in der Musikschule lediglich 35 Prozent aus. 50 Prozent sind dagegen kommunale Zuschüsse, zehn Prozent staatliche Mittel. Musikvereine haben zudem im Gegensatz zu Musikschulen keinen allgemeinen Bildungsauftrag und werden nicht von hauptamtlichen Geschäftsführern geleitet. "Musikvereine tragen sich selbst durch ehrenamtliches Vereinsengagement", sagt Wolpert.
Die Vereine reagieren auf die Abgabepflicht nun verhalten, fürchten sie - und die KSK. Sie wollen die Kasse auf keinen Fall auf sich aufmerksam machen. Auch Peter Müller bleibt deshalb lieber anonym. Ein Prüfungsverfahren steht bei Vereinen mit über 60 Schüler an. "Im Landkreis gibt es nicht viele, die über diese Grenze hinausgehen", sagt Wolpert. Kann ein Verein die Abgaben nicht zahlen, kann der Vorstand persönlich haftbar gemacht werden. "Da hat auch irgendwann keiner mehr Lust, das Amt zu übernehmen", befürchtet Wolpert. Zumal, wenn das eigene Musizieren vor lauter Verwaltungsarbeit droht, auf der Strecke zu bleiben. "Was heute in Sachen Haftung und finanztechnischer Kompetenz von Vereinsvorständen erwartet wird, ist mehr als grenzwertig." Eine Gebührenerhöhung könnte laut Kleinhenz eine weitere mögliche Folge der Abgabepflicht sein. Seien Abgaben zu leisten, wirke sich das auch auf den Fortbestand und damit die Nachwuchsgewinnung aus: "Dabei müssen wir schauen, dass wir konkurrenzfähig bleiben zu den Musikschulen."
Vor wenigen Wochen fuhr Kleinhenz gemeinsam mit Andreas Horber, Geschäftsführer des Bayerischen Blasmusikverbands, und anderen nach Berlin. Im Petitionsausschuss des Bundestags begründeten sie ihre Forderung, die ehrenamtlich geführten Musikvereine von der Abgabepflicht an die Künstlersozialkasse zu befreien. Zuvor wurden 36 000 Unterschriften aus 650 Vereinen gesammelt. "Es wurde uns vermittelt, dass Handlungsbedarf besteht. Ob die Musikvereine wieder aus der Abgabepflicht herausgenommen werden, steht noch nicht fest. Wir werden keine schlechte Lösung akzeptieren", sagt Kleinhenz überzeugt. Zumindest sollen die Kriterien künftig so aufgestellt sein, dass auch "ganz normale Musikvereinsvorsitzende" sie verstehen.
Letztendlich könnte die Abgabepflicht auch für die Gemeinde schlimme Folgen haben: "Es könnte soweit kommen, dass der oft einzige Kulturträger vor Ort stirbt", bedauert Kleinhenz. Für Wolpert wäre das unvorstellbar: "Man darf nicht vergessen, dass Musikvereine zahlreiche gesellschaftliche und kirchliche Anlässe bereichern und unsere fränkische und bayerische Heimat prägen."
Jugendarbeit ist das A und O
Und schließlich kommt es doch vor allem auf eins an: dem Nachwuchs mit dem Erlernen eines Instruments eine Aufgabe zu geben und seine Persönlichkeitsentwicklung zu fördern: "Die Jugendarbeit geht über das Musizieren hinaus, sie findet auch vor und nach den Proben statt", so Wolpert. Und genau darum geht es auch Peter Müller. Er will ganz dem nachgehen, was er schon immer macht: Kindern und Jugendlichen die Liebe zum Musizieren weitergeben. Ohne Angst, dass die KSK gleich vor der Tür steht.
Sand am Main musste in die Vereinstasche greifen:
Fallbeispiel Auch das Blasorchester Sand am Main wurde bereits Opfer der Abgabepflicht der KSK und musste seine Nachwuchsausbildung bis auf weiteres einstellen. Insgesamt 10 000 Euro waren an die Kasse zu zahlen. Der Nordbayerische Musikbund reichte nun eine Klage gegen die Zahlung ein. "Wenn die Politik nichts macht, dann sollen eben die Gerichte merken, dass Handlungsbedarf besteht", argumentiert Andreas Kleinhenz, Geschäftsführer des Nordbayerischen Musikbunds.
Empfehlung Kleinhenz rät Musikvereinen, sich mit der Öffentlichkeitsarbeit im Ausbildungsbereich zurückzuhalten. Sollte die KSK aufmerksam werden, wird geraten, den Meldebogen der Kasse nur unter juristischer Begleitung auszufüllen. Der Musikbund stellt einen Rechtsbeistand.