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Hoeneß-Effekt im Landkreis Kitzingen


Autor: Diana Fuchs

Kitzingen, Dienstag, 27. August 2013

Immer mehr Steuer-Oasen trocknen aus. Und der Hoeneß-Effekt macht sich auch im Kreis Kitzingen bemerkbar.
Foto: Diana Fuchs


Uli Hoeneß? Den kennt sie nur vom Fernsehen. Nie hätte Helga Z. (Name geändert) vermutet, dass sie und der Präsident des FC Bayern München etwas Entscheidendes gemeinsam haben könnten. Doch jetzt ist es ihr klar. Es gibt da schon was. Kapitaleinkünfte. Im Ausland. Unversteuert. Ein Straftatbestand. Angst.

Ob Hoeneß schlecht schläft, weiß Helga Z. aus dem Landkreis Kitzingen nicht. Sie selbst aber ist übernächtigt. Die latente Angst vor Strafverfolgung setzt ihr zu. Als ihr Mann, ein Unternehmer, plötzlich starb, vermachte er ihr unter anderem ein Konto in der Schweiz. Helga Z. kümmerte sich nicht darum. Zwar ahnte sie wohl, dass sich das Geld nicht ganz legal vermehrte. Aber so lange es dort still vor sich hin existierte, existierte es eben.
Doch dann kamen Steuerdaten-CDs in Umlauf. Helga Z. wurde nervös. Als schließlich der Fall Hoeneß ans Licht kam und dem großen Strippenzieher sogar eine Haftstrafe drohte, wurde es ihr zu heiß. Sie wandte sich in Kitzingen an Hans Lang, Steuerberater und Fachanwalt für Steuerrecht.

Bei weitem nicht der einzige Fall

Lang forderte sämtliche Unterlagen aus der Schweiz an, bearbeitete sie und formulierte für Helga Z. nach Absprache eine Selbstanzeige. "Dadurch kann sie straffrei aus dem Prozess herausgehen und anschließend über das gesamte Geld legal verfügen", erklärt der Experte. Helga Z. ist bei weitem nicht sein einziger Fall.

Nicht nur "große Tiere" wie Hoeneß haben offenbar viel Geld im Ausland angelegt. Auch zahlreiche Landkreisbürger haben die Vorteile in Luxemburg, Österreich, der Schweiz, Liechtenstein oder gar in afrikanischen Steuer-Oasen genutzt - und heuer dann doch kalte Füße bekommen. "In den letzten Monaten und Wochen sind es ein paar Selbstanzeigen mehr geworden", lässt Christian Neumüller sich entlocken. Der Leiter des Kitzinger Finanzamtes verweist auf das Steuergeheimnis. Konkrete Zahlen könne er deshalb nicht nennen.

Hans Lang sagt, er arbeite derzeit an sieben, acht Fällen der Selbstanzeige. Viele Akten hat er bereits erfolgreich zuklappen können. "Die Tage des Bankgeheimnisses sind gezählt. Das Ende ist eingeläutet", stellt Lang fest.

Das Risiko steigt stetig

Luxemburg will sich ab 2015 am automatischen Informationsaustausch beteiligen, Liechtenstein ebenso. Auch Österreich zeigt sich schon kompromissbereit. In der Schweiz, wo die Anleger noch besondere Verschwiegenheit genießen, hat die EU-Kommission bereits ein Verhandlungsmandat. "Das Schweizer Quellensteuermodell wird fallen", ist Hans Lang sicher. "Das Risiko, dass Steuersünder in Zukunft zur Kasse gebeten werden, steigt stetig." Wer einem Steuerstrafverfahren entgehen wolle, für den sei eine Selbstanzeige das Mittel der Wahl.
Mancherorts raten die ausländischen Banken bereits selbst dazu, weiß Lang. "Nicht aus Fürsorgepflicht, sondern um von ihrem schlechten Image als Gehilfen bei Steuerhinterziehung wegzukommen." Schweizer Großbanken verlangen neuerdings von ihren Kunden einen Nachweis, dass ihr Vermögen beziehungsweise ihre Kapitaleinkünfte versteuert worden sind. Sollte die Meldung nicht fristgerecht bis zum 31. Dezember 2013 eingehen, wird der Bankvertrag gekündigt und der Wert des gesamten Kapitalvermögens dem Kunden "per Verrechnungs-Scheck zur Verfügung gestellt", sagt Lang.

Oft wollen die Steuersünder nicht nur das verhindern, sondern "die Sache generell so schnell wie möglich hinter sich bringen", ist Hans Langs Erfahrung. Die Angst vor Entdeckung und vor möglichen neuen Steuerdatensammlungen werde immer größer. Lang rät dennoch jedem, einen kühlen Kopf zu bewahren - und einen versierten, erfahrenen Fachanwalt oder Steuerberater aufzusuchen.

Wesentlich sei, dass die Strafanzeige "wirksam" ist - und das ist sie nur, wenn sie fehlerfrei gestellt wurde. "Andernfalls kommt man nicht so einfach aus der Geschichte raus - siehe Uli Hoeneß'." Dessen Berater-Team habe unvollständige Angaben gemacht. Daraufhin sei es zur Hausdurchsuchung und sogar zum Haftbefehl gekommen. "Man kann bei der Selbstanzeige viele, viele Fehler machen."

Hinfahren und heimtragen?

Einfach hinfahren, das Geld abheben und heimfahren - das sei übrigens ebenfalls nicht ratsam. Insbesondere an den Grenzen zur Schweiz und nach Luxemburg würden verstärkt Kontrollen durchgeführt. Jede Person dürfe höchstens 10.000 Euro in bar bei sich haben. Oft sei jedoch das Hundertfache im Ausland angelegt. Und selbst Eheleute, die zum Beispiel 19.000 Euro im Geldbeutel herumtragen, handeln zwar nicht illegal, machen sich aber trotzdem verdächtig: "Die Kontrolleure melden das dem Wohnsitz-Finanzamt, das dann Auskunft über Kapitalanlagen im Ausland verlangt."

Besser, als diesen Stress in Kauf zu nehmen - oder einen Verstoß gegen das Geldwäschegesetz, wenn man es mit Überweisungen versucht - , sei auf jeden Fall die Selbstanzeige. Allerdings gibt es Gesetzentwürfe, nach denen das Selbstanzeigeverfahren erheblich verschärft werden soll.

Derzeit allerdings ist es noch so: Beißt der Steuersünder in den sauren Apfel und zahlt seine Schuld nebst Zinsen, kann er bald wieder ruhigen Gewissens schlafen. Sobald alle Steuer-Nachzahlungen einschließlich gesetzlicher Zinsen und Hinterziehungszinsen beglichen sind, wird das Verfahren eingestellt.

Helga Z. fiebert diesem Tag entgegen. Sie möchte nur eins: "Die Sache erledigt haben." Und jegliche Gemeinsamkeit mit Uli Hoeneß ad acta legen.


Der Hoeneß-Effekt: Steuersünden beichten


Selbstanzeige: Wer eine so genannte "wirksame Selbstanzeige" wegen Steuerhinterziehung beim heimischen Finanzamt einreicht, darf auf Straffreiheit hoffen - das ist einzigartig im deutschen Strafrecht.

Voraussetzung: Der Steuersünder zahlt die hinterzogenen Gelder (nebst mindestens sechsprozentiger Verzinsung) für jedes Veranlagungsjahr nach und macht "reinen Tisch" bei allen seinen ausländischen Konten. Nach dem Steuerstrafrecht verjährt Steuerhinterziehung in nicht besonders schweren Fällen nach fünf Jahren, nach den Einkommensteuer-Veranlagungen dagegen erst nach zehn Jahren. Das Finanzamt kann also die zurückliegenden Einkommensteuerbescheide der letzten zehn Jahre "berichtigen".