Druckartikel: Hilfspfleger soll sechs Menschen getötet haben

Hilfspfleger soll sechs Menschen getötet haben


Autor: Manfred Schweidler

, Mittwoch, 14. November 2018

Einen 87-Jährigen in Kitzingen kostete die Gier seines Pflegers das Leben. Daneben soll der Mann weitere fünf Senioren ermordet haben, meldet die Münchner Polizei.


Für die Mordermittler der Münchner Kripo hat sich binnen zehn Monaten ein furchtbarer Verdacht erhärtet: Aus Geldgier soll ein Hilfspfleger sechs Senioren durch gespritztes Insulin getötet haben , einen von ihnen im Landkreis Kitzingen. Das bestätigten jetzt Polizeipräsidium München und die Staatsanwaltschaft. Bei den deutschlandweiten Überprüfungen gerieten drei weitere Arbeitsplätze des Mannes in Unterfranken ins Visier der Fahnder.

In sechs weiteren Fällen gehen die Ermittler von versuchtem Mord beziehungsweise gefährlicher Körperverletzung aus. Dem 36-jährigen Polen sei es stets darum gegangen, seine Opfer zu bestehlen und schnell wieder aus Vertragsverhältnissen herauszukommen, teilten die Münchner Mordkommission und die Münchner Staatsanwaltschaft mit.

Ohne die Festnahme wäre die Mordserie wohl weitergegangen

Die Mordserie soll schon im April 2017 im schleswig-holsteinischen Dithmarschen begonnen haben. Drei Monate zuvor hatte ein Arzt dem Hilfspfleger wegen dessen Diabeteserkrankung Insulin und ein Injektionsgerät verschrieben. So sei er an das Insulin herangekommen, das er pflegebedürftigen Senioren während seiner Tätigkeit als 24-Stunden-Pfleger verabreicht haben soll.

Anschließend soll der Mann Patienten in Hannover sowie in den Landkreisen Erlangen-Höchstadt, Tuttlingen, Kitzingen und in Ottobrunn bei München umgebracht haben. Kurz nach dem Ottobrunner Todesfall wurde er festgenommen. Ohne die Festnahme wäre die Mordserie nach Einschätzung der Polizei wohl weitergegangen. Dies habe der Hilfspfleger zugegeben, sagt Josef Wimmer, Leiter der Münchner Mordkommission.

Täter war als ungelernte Pflegehilfskraft tätig

Auslöser der Ermittlung war der Tod eines 87-Jährigen in den frühen Morgenstunden des 12. Februar in Ottobrunn. Aufgrund der Verdachtsmomente wurde beim Kommissariat 11 die Ermittlungsgruppe "EG Pen" eingerichtet.

Der 36-jährige polnische Beschuldigte war seit Mai 2015 als ungelernte Pflegehilfskraft im Rahmen von 24 Stunden Betreuungen in Deutschland tätig. Zwischen seinen Tätigkeiten in Deutschland reiste er immer wieder zu seinem Wohnsitz in Polen.
Zuvor befand sich der Beschuldigte bis zu seiner Entlassung 2014 in unterschiedlichen Justizvollzugsanstalten in Polen in Haft, vorwiegend aufgrund von Verurteilungen wegen Vermögensdelikten. Nach Absolvierung eines Pflegekurses in Polen bewarb er sich bei einer Vielzahl unterschiedlicher polnischer und einer slowakischen Vermittlungsagentur als Pflegehilfskraft und wurde durch diese schließlich an Haushalte in ganz Deutschland vermittelt.
Mittlerweile konnten 68 Beschäftigungsörtlichkeiten ermittelt werden, an denen der Beschuldigte generell nur für sehr kurze Zeit tätig war.

Täter beklaute die oft wehrlosen Personen

Wie der Beschuldigte bei Vernehmungen einräumte, belastete ihn aus verschiedenen Gründen seine Tätigkeit als Pflegehilfskraft und 24-Stunden Betreuer häufig stark. In diesen Fällen war er auch nicht bereit, seine Tätigkeiten tatsächlich über einen längeren Zeitraum auszuführen.
„Zudem nutzte er diese Gelegenheiten, um ungestört die Häuser und Wohnungen der von ihm betreuten und oft wehrlosen Personen auf stehlenswerte Gegenstände zu durchsuchen und sich selbst durch die Begehung von Diebstählen zu bereichern,“ heißt es in der Presseerklärung. Gab es offensichtlich nichts zu stehlen, gab er wahrheitswidrig vor, dass nahe Angehörige von ihm ernsthaft erkrankt oder gar verstorben seien und er deswegen dem Beschäftigungsverhältnis nicht weiter nachkommen könne.
An 17 der 68 festgestellten Örtlichkeiten, an denen der Beschuldigte beschäftigt war und den von ihm betreuten Personen kein Insulin verabreichte, konnten noch nachvollziehbare Diebstahlshandlungen festgestellt werden. Hierbei wurden überwiegend Bargeld und Schmuck gestohlen, aber auch verschiedenste Haushaltswaren und Lebensmittel.

Beginnend ab 12. April 2017 können dem Beschuldigten bei zwölf von ihm betreuten Personen medizinisch nicht indizierte Verabreichungen von Insulin mittels Pen zugeordnet werden. Der Beschuldigte hat zwischenzeitlich alle Insulinverabreichungen bei den zwölf Personen gestanden. Er bestreitet jedoch eine absichtliche vorsätzliche Tötung der betreuten Personen.
Dem Beschuldigten werden sechs Fälle des Mordes, drei Fälle des versuchten Mordes sowie drei Fälle der gefährlichen Körperverletzung vorgeworfen.

Im Einzelnen handelt es sich um folgende Fälle:

• Mord und Diebstahl zum Nachteil eines 77-Jährigen im Landkreis Dithmarschen in Schleswig-Holstein am 12.04.2017
• Versuchter Mord und Diebstahl zum Nachteil eines 91-Jährigen in Mühlheim an der Ruhr am 25.05.2017
• Versuchter Mord zum Nachteil eines 90-Jährigen im Landkreis Esslingen am 02.06.2017
• Versuchter Mord zum Nachteil eines 82-Jährigen im Landkreis Weilheim-Schongau am 27.06.2017
• Mord und Diebstahl zum Nachteil eines 77-Jährigen im Landkreis Erlangen-Höchstadt am 06.07.2017
• Mord und Diebstahl zum Nachteil einer 88-Jährigen im Landkreis Tuttlingen in der Nacht vom 25. auf den 26.07.2017
• Mord und Diebstahl zum Nachteil eines 66-Jährigen in Hannover am 30.07.2017
• Gefährliche Körperverletzung und Diebstahl zum Nachteil eines 81-Jährigen im Landkreis Neuburg-Schrobenhausen am 29.08.2017
• Gefährliche Körperverletzung und Diebstahl zum Nachteil einer 79-Jährigen in Hamburg in der Nacht vom 15. auf den 16.12.2017
• Gefährliche Körperverletzung und Diebstahl zum Nachteil eines 82-Jährigen im Landkreis Rems-Murr-Kreis (Baden-Württemberg) am 21.12.2017
• Mord und Diebstahl zum Nachteil eines 84-Jährigen im Landkreis Kitzingen in der Nacht vom 16. auf den 17.01.2018
• Mord und Raub mit Todesfolge zum Nachteil eines 87-Jährigen in Ottobrunn am 12.02.2018

  • Zu den Tätigkeitsorten des Hilfspflegers

Täter hatte bereits neue Beschäftigungsstelle in Aussicht

Es muss davon ausgegangen werden, dass durch die Festnahme des Beschuldigten weitere gravierende Straftaten verhindert wurden. So hatte der Beschuldigte schon eine neue Beschäftigungsstelle in Aussicht.

Aufgrund der Öffentlichkeitsfahndung wurden 23 Beschäftigungsörtlichkeiten, darunter vier Fälle der Insulinverabreichung, bekannt. 45 Örtlichkeiten konnten durch eigens durchgeführte Ermittlungen festgestellt werden, darunter in Unterfranken neben dem Kitzinger Fall zwei im Landkreis Rhön-Grabfeld und eine im Landkreis Würzburg.