Druckartikel: Haftstrafe für Trickdiebe

Haftstrafe für Trickdiebe


Autor: Franz Barthel

Kitzingen, Dienstag, 02. Juli 2013

Trickdiebe fuhren für ein paar Socken von Ratzeburg bis nach Kitzingen. Jetzt geht ihre nächste Fahrt in den Knast.
Symbolbild


Normalerweise belehren Richter zu Beginn eines Prozesses Angeklagte, in dem Fall war es etwas anders. Der Asylbewerber aus Ratzeburg klärte den Richter auf, dass er unschuldig sei und warum es daran keinen Zweifel gebe. "Ich bin Christ und Christen lügen nicht".

Das hat den Richter Thomas Behl erkennbar überhaupt nicht beeindruckt. Er zog eine CD aus der Akte, mit Material aus der Überwachungskamera eines Obstmarktes und da kann man den Angeklagten gestochen scharf sehen, wie er lange mit dem Mann an der Kasse palavert, dann seinen auf der geöffneten Kasse liegenden Geldbeutel an sich nimmt und gleichzeitig einen Schein aus der Kasse holt. Man kann sogar das kleine Tattoo an der linken Halsseite des Angeklagten erkennen, das auch der Kassiererin im Kitzinger NKD-Markt aufgefallen war. Das Schmuckstück am Hals erklärt auch, warum der Angeklagte in der Verhandlung den Kragen seiner Jacke aufgestellt hatte.

Zu Freiheitsstrafen von je zehn Monaten wurden vom Amtsgericht Würzburg zwei iranische Asylbewerber verurteilt, die bereits bundesweit als Trickdiebe mit einer alten Masche aufgefallen sind: Sie kaufen Kleinigkeiten, zahlen mit großen Scheinen und versuchen dann beim Herausgeben des Wechselgeldes das Personal zu verwirren.

Mit einem nicht versicherten Alfa Romeo war ein Asylbewerber aus Ratzeburg im September 2012 zusammen mit einem Landsmann, der in Peine lebt, zu einer Trickdiebstahls-Tour gestartet: In Kitzingen wollten sie im NKD-Markt in der Ritter-straße ein Paar Socken und in einem Würzburger Obst-Markt einige Litschi-Früchte mit großen Scheinen bezahlen. Dabei hat einer das Personal an der Kasse in ein längeres Gespräch verwickelt und seinen Geldbeutel auf die geöffneten Kassen gelegt. Im Obst-Markt nahm er, zunächst unbemerkt, 100 Euro an sich und ging,. Der Verlust ist erst später bemerkt worden.

In Kitzingen blieb es beim Versuch. Da wollte der Kunde von der Frau an der Kasse als Wechselgeld nur 20 Euro-Scheine mit der Seriennummer D. Sehr freundlich sei der Kunde gewesen, erinnerte sich die Zeugin, gut gekleidet und angeblich nach langer Zeit wieder einmal in Deutschland. Deswegen kam sie seiner Bitte nach Geldscheinen der D-Serie nach und nahm ein 20-Euro-Bündel aus der Kasse. Da wollte der Socken-Käufer ihr angeblich beim Suchen helfen und griff nach dem Geldbündel. "Nix da, das mach ich selbst", hat sie gesagt - und daraufhin ist der Käufer geflüchtet. Gerannt ist auch sein Komplize, der im Laden eine Verkäuferin abgelenkt hatte, unter anderem mit der Frage, ob sie auch Mäntel der Marke Boss verkaufen.

Kategorie Trickdiebe

Für die Frau an der Kasse stand fest, dass die beiden Herren der Kategorie "Trickdiebe" angehören, sie verständigte sofort die Polizei. Die konnte die beiden zwar nicht mehr in Kitzingen antreffen, aber die Fahndung nach "zwei arabisch aussehenden Männern" ist in Höchstadt/ Aisch angekommen. Dort hatten die beiden in einer Apotheke ihr Glück versucht. Bei der Überprüfung fand man in ihrem Fahrzeug die Socken-Quittung aus Kitzingen und als man die Namen der beiden in den Polizei-Computer eintippte, stellte sich heraus, dass derzeit sechs Staatsanwaltschaften in Deutschland, weit gestreut, gegen die beiden Iraner wegen Trickdiebstählen ermitteln: In allen Fällen hat der, der auch beim Prozess Regie führte, an der Kasse für Unruhe gesorgt, während der zweite Mann sich darauf beschränkte, andere Mitarbeiter in den Geschäften abzulenken.

Der Gesprächigere von den beiden Angeklagten blieb dabei, dass er nichts gestohlen hat. Auf die Frage, ob er in Würzburg gewesen sei, erklärte er, dass es durchaus sein könne. Man habe einen guten Rechtsanwalt gesucht, in Hamburg keinen gefunden und nun wollte man es in München versuchen. Auf der Fahrt dorthin habe man vermutlich in Würzburg und in Kitzingen eine Pause eingelegt. Er fahre doch nicht, so der Angeklagte, von Ratzeburg 700 Kilometer nach Würzburg, nur um hier 100 Euro zu klauen.

Das sei schon richtig, sagte der Richter, denn es war ja nicht nur der "Einkauf" der Litschi-Früchte in Würzburg geplant.

Bei Prozessbeginn hatte Richter Thomas Behl den beiden Iranern Mut machen wollen zu einem Geständnis: "Wer mich belogen hat", sagte er, " der hat das bisher immer bereut." Beide blieben dabei, nichts geklaut zu haben. Wenn sie gestohlen hätten, so ein Argument der Angeklagten, dann wären sie doch bestimmt gleich eingesperrt worden - oder ? Behl fragte beide, ob das im Iran üblich sei, dass man Richter so "vorführt" und unverschämt belügt, er fühle sich durch das Verhalten der Angeklagten fast schon beleidigt. Die Angeklagten machten weiter: "Wenn wir Geld gestohlen hätten, dann doch bestimmt nicht nur 100 Euro, bei der langen Anreise."

Für die Staatsanwältin haben die Angeklagten "gelogen wie gedruckt". Wer in Ratzeburg und Peine lebt, sich angeblich in München einen Anwalt sucht und dann beim Litschi-Kauf in Würzburg und Socken-Kauf in Kitzingen so auffällt wie angeklagt, der könne nicht mit Bewährung rechnen. So sah es auch der Richter: Wenn ein Gericht über Stunden hinweg so massiv belogen wird, da sei am Ende nichts drin mit Gnade.

Dann, die Verhandlung war schon beendet, überraschte einer der Angeklagten den Richter mit einem Beispiel iranischer Freundlichkeit. Er bedankte sich beim Richter dafür, "dass Sie sich für uns so viel Zeit genommen haben." "Nichts zu danken," so Thomas Behl, "das ist mein Job."