Druckartikel: Gute Begleiter in den Tod

Gute Begleiter in den Tod


Autor: Ralf Dieter

Kitzingen, Mittwoch, 16. Oktober 2013

Sterbenskranke Menschen müssen auf ihrem letzten Lebensabschnitt nicht einsam sein.


Facebook, Twitter, Whatsapp. Wir leben in einem Zeitalter der Kommunikation. Doch im Angesicht des Todes fehlen uns oft die Worte.

Professor Ernst Engelke hat tausende Menschen am Sterbebett begleitet. Seine Erfahrung: Kommunikation kann auch in dieser Phase funktionieren. "Entscheidend ist, dass ich im konkreten Fall wahrnehme, wie es einem sterbenskranken Menschen geht. Was er erlebt, was er hofft, was er sich wünscht, was er befürchtet. Das Problem ist, dass die meisten Menschen Sterbenskranken nicht zuhören."

Gisela Ott hört seit 22 Jahren sterbenskranken Menschen zu. So lange ist die Mainbernheimerin schon beim Hospizverein tätig. Zusammen mit ihren fünf bis sechs ehrenamtlichen Kolleginnen in der Regionalgruppe Kitzingen des Hospizvereins Würzburgs unterstützt sie Angehörige in dieser schwierigen Zeit. Ihre Erfahrung: Genau hinschauen, was der Sterbenskranke braucht, was er sich wünscht.

"Aktivismus ist oft der falsche Weg", sagt sie. Auch wenn sie natürlich verstehen kann, wenn die Angehörigen mehr tun wollen, als "nur" da zu sein und zuzuhören.

Warum fällt das Zuhören den meisten Angehörigen so schwer? Professor Engelke hat eine Antwort. "Viele wollen Hoffnung vermitteln oder positives Denken. Damit wird der Sterbenskranke aber nicht in seinem Leiden und seiner Angst wahrgenommen." Denn Angst haben alle Sterbenden. Das hat Professor Engelke in vielen Gesprächen erfahren. "Aber sie haben auch Hoffnung." Will heißen: Sie befürchten, nicht mehr lange zu leben und hoffen gleichzeitig, noch lange zu leben - oder zumindest eine Weile. "Das begreifen die meisten gesunden Menschen nicht", bedauert der Buchautor. So kommt eine Tragik ins Rollen: Statt zuzuhören, reden viele Angehörige aktiv auf den Sterbenden ein und geben ihm nicht den nötigen Raum. "Und dabei meinen sie es ja gut", sagt Engelke.

"Jeder stirbt seinen Tod alleine", sagt Johannes Jurkat. "Das bedeutet aber nicht gleich Einsamkeit." Der Sickershäuser Pfarrer ist seit drei Jahren auch Klinikseelsorger und begleitet dort unter anderem Langzeitpatienten. Auch für ihn liegt der Schlüssel für eine gute Sterbebegleitung im Zuhören und in einer gewissen Sensibilität. "Es geht darum, einen Raum zu öffnen, in dem den Sterbenden Aufmerksamkeit zur Verfügung gestellt wird."

Eine Aufgabe, die nicht jeder leisten kann. Zumal die Autonomie des Patienten bis zum Schluss gewahrt werden sollte. Für Jurkat hat dies oberste Priorität. "Es geht schließlich um die Würde des Menschen." Das schließt auch Wünsche mit ein, die für die Angehörigen schmerzhaft sein können. "Wenn sich der Sterbende nicht mit den Verwandten versöhnen will, dann ist das auch zu respektieren", sagt Jurkat.

Im Idealfall übernimmt jemand aus dem engen Familienkreis die Aufgabe, den Sterbenden auf seinem letzten Weg zu begleiten. "Aber in der Regel trauert der ja selber", gibt Professor Engelke zu bedenken. "Und er kommt dann selbst nicht mit der Situation zurecht." Jemand, der etwas Distanz hat, und nicht so persönlich berührt ist, könne deshalb oft besser zuhören. "Es wäre auch traurig, wenn sich Menschen in der letzten Phase ihres Lebens mit den falschen Begleitern abgeben müssten", sagt Jurkat.

Mehr als 800000 Menschen sterben Jahr für Jahr in Deutschland. Die Bevölkerung wird nicht jünger. Hospizarbeit ist damit auch in Zukunft ein wichtiges Thema. Ehrenamtliche Helfer sind gesucht. Gisela Ott wäre über Nachwuchs in der Regionalgruppe durchaus froh. Die Arbeit ist zwar anspruchsvoll, die Zeiten sind aber so flexibel wie möglich.

Jeder Helfer begleitet in der Regel eine Person. "Nach einer intensiven Begleitung ist natürlich auch eine Auszeit möglich", sagt Ott. Normalerweise sind zwei bis vier Stunden pro Woche eingeplant.
So einfach, wie es klingt, ist das Zuhören aber keineswegs. Und das liegt nicht nur am Aktivismus, der die meisten Menschen angesichts eines sterbenden Angehörigen befällt. "Viele sind einfach nicht in der Lage, mit den Sterbenden die Angst auszuhalten", erklärt der Buchautor. "Die Klage, den Protest, die Resignation, die Unzufriedenheit. Das ist ja auch schwer."
Dabei gibt es Menschen, die helfen können, die mit so einer Situation umgehen können. "Das ist aber keine Frage der Ausbildung", sagt Engelke. Es sei vielmehr eine Frage der Haltung. "Es sind vor allem Frauen, die dafür eine große Begabung haben."
Frauen wie Gisela Ott oder Ute Dodt von der Hospiz-Regionalgruppe in Kitzingen. Ihr großes Anliegen ist es, die Angehörigen zu entlasten und zu allen Beteiligten ehrlich und wahrhaftig zu sein. "Der Patient soll selbst entscheiden, ob wir wieder kommen sollen", sagt Ott. Ist erst einmal eine Vertrauensbasis geschaffen, erfährt sie so manche Details aus dem Leben der Sterbenskranken und versteht deren Ängste. Aber nur, weil sie gut zuhören kann und gleichzeitig versteht, dass der andere nicht sterben will.

Info
Vortrag: Professor Ernst Engelke spricht am Donnerstag, 17. Oktober, aus Anlass des Lukastages in der Klinik Kitzinger Land. Ab 20 Uhr lautet sein Thema: Gegen die Einsamkeit Sterbender. Wie Kommunikation gelingen kann. Der Eintritt ist frei.

Hospizverein: Die Hospizbewegung nimmt sich Menschen jeden Alters an, die mit schwerer Krankheit, Verlust und Abschied konfrontiert sind.Hospiz begleitet Menschen auf der letzten Wegstrecke des Lebens mit dem Ziel, ihnen bis zuletzt eine möglichst gute Lebensqualität zu erhalten.
Kontakt: Hospizzentrale Würzburg, Neutorstr. 9, Tel.: 0931/53344, Fax: 0931/56686 Mail: hospizverein.wuerzburg @t-online.de; Regionalgruppe Kitzingen; Gisela Ott: Tel: 09323 / 1552 und Ute Dodt: Tel: 09323 / 3379.