Geschmack und Gesundheit aus Franken
Autor: Diana Fuchs
Abtswind, Donnerstag, 21. März 2019
Von Anis bis Zwiebel: 420 Mitarbeiter veredeln luftgetrocknete Rohstoffe - Kunden in aller Welt ordern Kräuter, Gemüse und Gewürze aus Abtswind
Augen schließen, tief einatmen. Sind wir plötzlich in einem Zitronen-Hain im sonnigen Süden? "Lemongras", sagt Axel vom Berg. Ein paar Schritte weiter riecht es auf einmal nach... Brathähnchen? Der Produktionsleiter lacht. "So duftet es, wenn wir Paprikapulver entkeimen." An der nächsten Halle flutet intensiv-aromatischer Thymian die Lunge und erinnert an Urlaub auf Korsika. Eine Ecke weiter liegt etwas Zwiebeliges in der Luft. "Kosten Sie ruhig mal!" Axel vom Berg öffnet die Tür zur Abfüllanlage und reicht einem ein paar getrocknete, hellgrüne Flocken. Sie schmecken würzig, wie Gemüsechips. "Weißkohl. Der wird zum Beispiel für Suppen verwendet."
Lange, beige-weiße Hallen: Von außen sieht man dem Betriebsgelände der Kräuter Mix GmbH im mainfränkischen Abtswind (Kreis Kitzingen) nicht an, dass von hier aus Geschmack und Gesundheit in alle Welt gehen. Jeder Rundgang wird zum sinnlichen Erlebnis. Dem Firmengründer, der 1919 die ersten Pfefferminzfelder anlegte, würde das bestimmt gefallen. Was der (Ur- )Großvater der heutigen Chefs wohl sagen würde, wenn er wüsste, dass 420 Mitarbeiter für Kräuter Mix aktiv sind und im vergangenen Jahr für 115 Millionen Euro Umsatz gesorgt haben? Oder dass 2000 Industrie- und Handelskunden rund um den Globus bedient werden, und zwar in den Brachen Lebensmittel, Tee, Pharma, Tiernahrung und Spirituosen?
Der Duft der großen, weiten Welt. Wenn er irgendwo zu erschnüffeln ist, dann hier im Herzen Frankens. Den Grundstein dafür hat vor 100 Jahren - am 1. April 1919 - ein ebenso mutiger wie zielstrebiger junger Drogist gelegt: Christoph Mix, geboren 1887 in Rehweiler. Sein Motto: "Der Herr lässt die Arznei aus der Erde wachsen und ein Vernünftiger verachtet sie nicht." Nach dem Ersten Weltkrieg zieht er mit seiner Frau Anna nach Abtswind. In der Umgebung des Häuschens Nr. 38 baut der Pionier Arzneipflanzen an und handelt mit ihnen. Historische Bilder zeigen lachende Menschen beim Jäten, Ernten und Trocknen von Ringelblumen und Baldrian.
In den 30er Jahren investiert Christoph Mix in eine größere Halle zur Trocknung und Lagerung der Pflanzen. Unter seinen Söhnen Bernhard und Walter Mix wächst die Firma weiter, neue Maschinen werden gekauft, das Sortiment umfasst nun auch Gewürzkräuter.
Der Name des Firmengründers lebt in seinem Enkel weiter. Christoph Mix übernimmt nach dem plötzlichen Tod seines Vaters 1973 in dritter Generation die Geschäftsführung. Er ist erst Anfang 20, hat aber, wie seine sechs Geschwister, schon immer im Betrieb mit angepackt. "Wenn ich aus der Schule heimgekommen bin, konnte ich wählen: Erst helfen, dann Hausaufgaben - oder umgekehrt", erzählt der 67-Jährige. Er erinnert sich lebhaft an die Betriebsgebäude als großen Abenteuerspielplatz - "da war HighLife" -, und auch daran, dass er so manches Mal statt zum Lernen erst mal zum "Strüpfen" ging. So bezeichnete man das Abstreifen der Blätter von Pfefferminz- oder Melissepflanzen. "Zum Trocknen hat man die Blätter dann auf Drahtgeflecht-Rahmen gelegt. Die wurden auf mehrstöckigen Holzgestellen gelagert."
Als Chef richtet Christoph Mix den Betrieb Stück für Stück auf den internationalen Wettbewerb aus. Er treibt Innovationen voran, erweitert die Geschäftsbeziehungen ins Ausland. Neben Arzneikräutern und Tees werden von nun an auch Trockengemüse und Gewürzmischungen produziert.
"Das Unternehmen ist immer weiter gewachsen. Und es geht immer noch weiter." Immer mehr Großkunden zu bedienen, erfordert eine Erweiterung des Portfolios und die Einrichtung neuer Produktionsverfahren. In Wiesentheid entsteht 2005 ein zweiter Standort mit eigenem Versandbereich. Insgesamt stehen dem Unternehmen heute in Abtswind und Wiesentheid 64.000 Quadratmeter Lagerfläche zur Verfügung.