Friedhof Kitzingen: Da wächst viel Gras drüber
Autor: Daniela Röllinger
Kitzingen, Mittwoch, 30. Oktober 2013
Der Leerstand am Alten Friedhof in Kitzingen ist riesig: 161 Gräber sind frei.
Wer Geduld hat, kann durch die Reihen laufen und die grünen Rechtecke zählen. Schon nach wenigen Metern ist klar: Es sind erstaunlich viele. Uwe Plomitzer von der Friedhofsverwaltung weiß die genaue Zahl: 161 Gräber sind derzeit im Alten Friedhof in Kitzingen frei. Wie viele andere Städte muss auch Kitzingen überlegen, wie mit diesem "Leerstand" umgegangen werden soll.
1411 Gräber gibt es im Alten Friedhof, der 1542 angelegt und bis 1889 mehrfach erweitert wurde. Beeindruckende Grabstätten und sogar Gruften erinnern an Menschen, die maßgeblich die Entwicklung der Stadt mitgeprägt haben. Namhafte Unternehmerfamilien, Brauereibesitzer, Komponisten, Bürgermeister sind dort beerdigt.
"Es ist Kitzinger Stadtgeschichte, die man hier liest", sagt Franz Böhm. Er ist seit Mai Vorsitzender der Interessengemeinschaft Alter Friedhof.
Vor etwas mehr als 20 Jahren gab es im Alten Friedhof kein einziges freies Grab, erinnert sich Uwe Plomitzer noch genau. Die Verstorbenen wurden deshalb am neuen Friedhof beigesetzt. Gerade für die Bürger aus der Siedlung hält Böhm den Friedhof gegenüber des Falterturms für ideal, schließlich ist er nicht so weit entfernt wie der neue Friedhof am anderen Ende der Stadt.
Doch auch wenn es jetzt wieder über 160 freie Gräber im Alten Friedhof gibt, sind die nicht leicht zu belegen - aus mehreren Gründen. Zum einen ist das die lange Liegezeit in der Abteilung I, also direkt hinter dem Haupteingangsportal zur historischen Friedhofsanlage, wo es laut Plomitzer einen riesigen Leerstand gibt. 30 Jahre beträgt dort die Ruhefrist, im restlichen Bereich des Alten Friedhofs sind es 20 Jahre. Viele Menschen wollten ihren Angehörigen nicht mehr zumuten, drei Jahrzehnte lang ein Grab zu pflegen. Die freien Gräber in den Abteilungen II und III würden schon eher angenommen, sagt Plomitzer.
Einen weiteren Grund führt Stadtgärtner Johannes Lindner an: In diesem Bereich des Alten Friedhofs kann man nur "einfach tief" beerdigen. Das bedeutet, man kann in einem Grab zwei Särge nicht übereinander platzieren. Wer sich mit seinem Ehegatten bestatten lassen möchte, muss also ein Doppelgrab kaufen. In anderen Friedhöfen sind so genannte doppelt tiefe Gräber möglich.
Der dritte Grund ist freilich der gravierendste: Der Trend geht immer mehr zum Urnengrab. "In diesem Jahr waren zwei Drittel aller Bestattungen Urnenbestattungen", sagt Uwe Plomitzer. Lindner nennt einige Gründe, warum sich immer mehr Menschen für diese Art der Bestattung entscheiden: kleinere Gräber, geringere Kosten und vor allem der geringere Pflegeaufwand.
Dem zunehmendem Leerstand versucht die Stadt seit einigen Jahren entgegen zu arbeiten, um den Alten Friedhof wieder mehr zu beleben, schließlich ist er in Stadtnähe, hat historischen Parkcharakter und ist auch eine Begegnungsstätte für die Menschen. So wurden nebeneinander liegende leere Gräber in der Abteilung I beispielsweise zu einem Urnengarten umgestaltet. Statt großer Grabsteine verweisen kleine Tafeln auf die Verstorbenen, die Pflege der Urnengärten übernimmt die Stadt.
"Wir versuchen, die Gräber zusammenzulegen", sagt Lindner. Frei werdende Flächen könnten dann parkähnlich gestaltet werden, mit einer Bank, oder möglicherweise auch einmal einem Baum. Der Stadtgärtner wäre aber auch sehr zufrieden, wenn jedes frei werdende Grab wieder belegt werden könnte.
Bei aller nötigen Umgestaltung soll in jedem Fall weiterhin das Historische stark im Vordergrund stehen, schließlich verbirgt der Friedhof laut Lindner "richtige Schätzchen". Falls Gräber mit bedeutenden Grabmalen aufgeben werden, müssen diese nicht unbedingt verschwinden, sofern die Angehörigen einverstanden sind. "Wir nehmen uns dessen an", sagt der Stadtgärtner. So ist geplant, einen großen Graphit-Stein dort stehen zu lassen, wo der nächste Urnengarten entsteht. Derzeit wird laut Uwe Plomitzer eine Liste mit den erhaltenswerten Grabmalen erstellt. Wie dann damit verfahren wird, ist allerdings noch nicht entschieden.