Forderung: Pflegezeit nach dem Vorbild der Elternzeit
Autor: Claudia Kneifel
Kitzingen, Donnerstag, 19. April 2018
In 20 Jahren wird es mehr alte und pflegebedürftige Menschen geben. Wie die Pflege der Zukunft aussehen könnte, weiß die Kitzinger Gerontologin Petra Dlugosch.
In der Familie zu pflegen wird in 20 Jahren vielfach schwieriger. Die alten Menschen werden mehr. Auf eine Familie kommen oft mehrere alte Menschen, die Sorge oder Pflege benötigen. Eltern, Schwiegereltern, eventuell auch noch hochaltrige Großeltern, denn unsere Gesellschaft wird auch älter. Dann werden oft noch Kinder zu versorgen sein, da der Zeitpunkt der Familienphase mit Kindern immer mehr nach hinten rückt. Wie die Pflege der Zukunft aussehen kann, ist auch Thema beim Diözesanfamilienrat, der Samstag, 21. April, im Burkardushaus in Würzburg tagt. Über ein Pflegegeld, ähnlich dem Elterngeld, und Netzwerke, haben wir mit der Gerontologin und Leiterin der Caritas-Fachstelle für pflegende Angehörige, Petra Dlugosch, gesprochen.
Wie wird Pflege in 20 Jahren aussehen – und vor allem, wer wird diese leisten?
Petra Dlugosch: In 20 Jahren werden wir im Vergleich zu heute eine deutlich veränderte Bevölkerungsstruktur vorfinden. Die sogenannte Babyboomer-Kohorte, Menschen, die zwischen 1955 und 1969 geboren sind, werden dann zwischen 69 und 82 Jahre alt sein. Demgegenüber wird es deutlich weniger Menschen unter 50 geben als heute, die auch noch bereit sind, einen Pflegeberuf auszuüben. Einmal, weil es weniger gibt, zweitens, weil aufgrund der wirtschaftlichen Lage auf dem Arbeitsmarkt der Konkurrenzkampf um Arbeitnehmer zunehmen wird. Wenn es nicht gelingt, den Pflegeberuf aufzuwerten, werden wir nicht genügend Personal zur Verfügung haben, um die Welle an Pflegebedürftigen zu versorgen.
Der Pflegeberuf hat immer noch einen schlechten Ruf. Wie kann man das Berufsbild attraktiver machen?
Petra Dlugosch: Der Pflegeberuf hat sich in den letzten Jahren schon deutlich verbessert. Wichtig sind eine gute Ausbildung, mehr Zeit für die einzelnen Pflegesachleistungen und natürlich eine bessere Bezahlung. In der Pflege wird gute Arbeit geleistet – nur wird darüber zu wenig berichtet.
70 Prozent der Pflege in Deutschland wird von Familien geleistet. Welche Hilfen bekommen Pflegende bislang?
Petra Dlugosch: Bei der Pflege bedürftiger Menschen gilt bei uns der Leitsatz „ambulant vor stationär“. Das ist natürlich auch das, was wir alle im Alter wollen. Aber auch die Sozialversicherungen, Politik und Spitzenverbände favorisieren diesen Ansatz. Deshalb gab es auch gerade für diesen Bereich die meisten Verbesserungen. So können sich Pflegende von der Arbeit teilweise oder ganz freistellen lassen. Sie erhalten auch Zuschüsse zur Rentenversicherung, finanzielle Leistungen zur Entlastung und Unterstützung zur Finanzierung von Betreuungsangeboten, Haushaltsdienstleistungen oder Kurzzeitpflege, damit die eigene Erholung und auch Urlaub möglich sind. Einige dieser Leistungen können auch umgewidmet werden, aber das ist schwierig und dazu braucht es Beratung und Information.