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Fehrer kündigt "nur" 180 Mitarbeitern


Autor: Ralf Dieter

Kitzingen, Mittwoch, 15. Januar 2014

Das Kitzinger Unternehmen Fehrer baut 180 Stellen ab - das sind weniger Streichungen als ursprünglich gedacht. Stattdessen deutet sich ein Hoffnungsschimmer in Marktheidenfeld an.
Proteste: Die Mitarbeiter von Fehrer gingen im letzten Jahr häufig auf die Straße. Jetzt werden 180 Kündigungen ausgesprochen.


Die Mitarbeiter sind informiert. 180 an der Zahl. Deutlich weniger als ursprünglich befürchtet. Ein Erfolg?
"Fehrer baut in Kitzingen weniger Stellen ab als im Interessensausgleich vorgesehen. Durch Versetzungen innerhalb des Unternehmens konnte die Zahl der abzubauenden Arbeitsplätze in Kitzingen auf 180 reduziert werden". So beginnt der Wortlaut der Presse-Info des Unternehmens.

Und tatsächlich: Als im März des letzten Jahres das erste Mal von einer Schließung der Produktion die Rede war, geisterte die Zahl von 500 Entlassungen durch die Medien. Wenig später war von 400 Entlassungen die Rede, dann von maximal 231. Im Sozialplan hatten sich Geschäftsführung und Gewerkschaft im Juli 2013 auf 214 geeinigt. Weitere 34 Mitarbeiter konnten im Verlauf der Verhandlungen auf andere Stellen im Unternehmen versetzt werden, überwiegend in Wiesentheid und Kitzingen. "Zuerst müssen den Kollegen freie Arbeitsplätze in den Werken Großlangheim und Wackersdorf angeboten werden. Kündigungen werden entsprechend der einzelnen Verlagerungsschritte gestaffelt ausgesprochen. Weiterhin wurde im Interessenausgleich festgelegt, dass Dauerarbeitsplätze in den Werken Kitzingen und Wiesentheid nicht von Leiharbeitern besetzt werden dürfen", erklärt Betriebsratsvorsitzender Holger Lenz.

180 Entlassungen. Weniger als gedacht. Immer noch 180 zu viel. "Wir haben das Beste rausgeholt", meint Walther Mann, 1. Bevollmächtigter der IG Metall. "Aber das Beste ist nicht gut genug." Die Entwicklung bei den meisten Automobilzulieferern macht Mann nachdenklich. "Die unternehmerischen Entscheidungen sind eindeutig. Arbeitsplätze werden ins Ausland verlagert." Im Fall der Sitzeproduktion heißt der Standort der Zukunft Pilsen.

Der Trend auf dem Automobilmarkt macht auch Holger Lenz zu schaffen. Er weiß von Automobilherstellern zu berichten, die Aufträge nur noch dann vergeben, wenn nicht in Deutschland produziert wird. "Dabei könnte man auch hierzulande profitabel produzieren", ist Walther Mann überzeugt. "Aber die Diskussion ist müßig. Wir werden immer mit Verlagerungen konfrontiert sein."

Bleibt also die Frage, wie diese Arbeitsplatzverlagerungen am besten abgefangen werden können. Die betroffenen 180 Mitarbeiter sollen Ende Januar ihre Kündigungen erhalten. Sie bekommen eine Abfindung und können dann für sechs Monate in eine Transfergesellschaft wechseln. Diese Gesellschaft ermöglicht und finanziert Qualifizierungsmaßnahmen. "Jeder Arbeitnehmer wird individuell betrachtet", berichtet Wolfgang Albert, Pressesprecher der Agentur für Arbeit in Würzburg. Je nach Alter, Qualifikation und Motivation wird nach einer Lösung für die Zukunft gesucht.

Wer bei Fehrer eine Stelle gefunden hat, der ist in der Regel auch dort geblieben. 18,6 Jahre beträgt die durchschnittliche Arbeitsdauer eines Fehrianers. Keine einfache Aufgabe, nach einer so langen Zeit wieder auf Arbeitssuche zu gehen. Sechs Monate in der Transfergesellschaft. 80 Prozent des Gehalts werden so lange gezahlt. Und dann?

"Es kommt vor allem auf die Qualifikation der Arbeitnehmer an, letztendlich aber auch immer auf die Bereitschaft jedes Einzelnen", sagt Wolfgang Albert. Je älter und je weniger qualifiziert, desto schwieriger wird es auf dem Arbeitsmarkt. Und das, obwohl der Raum Kitzingen mit einer Arbeitslosenquote von 3,3 Prozent sehr gut da steht. "Es gibt auch offene Stellen", berichtet Albert. "Aber fast nur für qualifizierte Leute."

Die Kollegen so schnell wie möglich wieder in Brot und Arbeit bringen. Das ist auch das Ziel von Walther Mann und Holger Lenz. Einen kleinen Hoffnungsschimmer sieht Mann im Nordwesten aufziehen. In Altfeld bei Marktheidenfeld will der Automobilzulieferer Cummins neue Arbeitsplätze in der Abgassparte schaffen. "Ich habe nächste Woche einen Gesprächstermin", sagt Mann. Dann will er auf die Mitarbeiter aufmerksam machen, die jetzt bei Fehrer ihre Kündigung bekommen haben. Bei Frankenguss will er ebenfalls vorsprechen.

Offene Stellen gibt es derzeit vor allem im Handwerk, berichtet Wolfgang Albert. Wer eine Ausbildung als Elektriker, Maler, Schreiner oder Dachdecker vorweisen kann, der hat nach seinen Worten gute Aussichten, nach einer Qualilfikationsphase wieder Fuß zu fassen.

Und die Kollegen, die bei Fehrer bleiben? Walther Mann ist skeptisch. Zumindest was die Produktion angeht. Bis 2017 wird die Heißschaumanlage weiter laufen. Sollte in dieser Zeit nicht in eine neue Anlage investiert werden, wird es für die rund 100 Mitarbeiter eng. Das Schneidzentrum in Wiesentheid und das Werk in Großlangheim wachsen derzeit sogar, wenn auch geringfügig. "Diese Bereiche sind in ihrer Substanz nicht gefährdet", urteilt Mann. Holger Lenz kann sich vorstellen, dass diese Sparten eines Tages am Standort Kitzingen integriert werden. Kapazitäten werden in Kürze frei.