Druckartikel: Fastnachtsmuseum: von Fleischeslust und christlichem Brauchtum

Fastnachtsmuseum: von Fleischeslust und christlichem Brauchtum


Autor: Natalie Schalk

Kitzingen, Freitag, 17. Januar 2014

Der Winter ist bisher ausgefallen, dafür ist die fünfte Jahreszeit bereits in vollem Gange. Ihre Bedeutung erklärt Fastnachtexperte Manfred Ruppert.
Der wilde Mann steht für das Ungezügelte - und ist in allen Faschingsregionen verbreitet. Wo die fränkischen Faschingshochburgen liegen, ist umstritten. Kitzingen ist besonders, weil es das Deutsche Fastnachtsmuseum samt der zugehörigen Archive hat. Veitshöchheim, weil der Bayerische Rundfunk dort "Fastnacht in Franken" aufzeichnet (Erstausstrahlung heuer am 21. Februar). Objektiv zu sagen, wo die fränkischen Faschings-Hochburgen liegen, ist schwer - fest steht aber, dass es in Unterfranken insgesamt mehr närrisches Treiben gibt als im Rest Frankens. Das lässt sich damit erklären, dass einst das Kurfürstentum Mainz bis hierher reichte. Manfred Ruppert vom Kitzinger Museum hat allerdings eine eigene Erklärung: "Wir Unterfranken sind halt lebensfroher. Weil wir auch eine Weingegend sind - nur Bier hat eben doch nicht so eine Wirkung wie Wein und Bier in Kombination."  Foto: ronald Rinklef


Schon Steinzeitmenschen verkleideten sich. "Der Schamane zum Beispiel hat sich ein Hirschgeweih aufgesetzt." Manfred Ruppert vom Deutschen Fastnachtmuseum in Kitzingen sagt, das sei zwar kein Fasching gewesen, hätte aber bereits ein grundlegendes Element beinhaltet: "Sich zu verkleiden war immer verbunden mit Rollentausch. Im Kostüm kann man Tabus brechen. Grenzen überschreiten."



Barocke Lebensfreude
Im Schnelldurchgang vorbei an Masken und Dokumenten aus NS-Zeit und DDR, an Orden und jah rundertealten Gesangbüchern: Ruppert erzählt die Geschichte des Faschings. Er spricht von Festen des griechischen Weingottes Bacchus, wo Sklaven Herren spielten und umgekehrt, von römischen Saturnalien, von vielen Einflüssen, die zu den heutigen Faschingsbräuchen geführt haben. "Wie bei einem Baum gibt es verschiedene Wurzeln.

Hauptwurzel ist das Christentum." Fasching sei eben die ausschweifende Seite der Religion. "Das waren früher gute Psychologen. Die wussten, dass der Mensch sich nicht 24 Stunden an 365 Tagen im Zaum halten kann." Ein entschuldigendes Lächeln: "Er braucht eine Gelegenheit, mal die Sau rauszulassen, den Druck aus'm Kessel zu lassen."


Während der närrischen Tage war also schon immer barocke Lebensfreude voller Ausschweifung angesagt, eine "Fress- und Sauf-Fastnacht" durfte veranstaltet werden. "Es war die Zeit des Fleisches vor der Zeit des Fastens. Eine ungezügelte Zeit." Denn Übermut, Maßlosigkeit und Sinneslust wurden danach vergeben. "Am Aschermittwoch geht jeder Fastnachter in die Kirche, beichtet und bittet um Absolution. Jeder katholische", sagt Ruppert, "denn Luther hat die Fastnacht verteufelt."

Allerdings gehen viele Faschingstraditionen auch auf Volksbräuche aus der bäuerlichen Welt zurück, was das Kitzinger Museum sehr beeindruckend in einer schaurig-schönen Multimedia-Show präsentiert: Lebensgroße Figuren des Winteraustreibens wie der Strohbär, der Effeltricher Fosaleggn und der Spalter Fleckli werden in einer Videoprojektion lebendig und erzählen rasant ihre Geschichte unter beeindruckendem "Hahaha" und "Hohoho", das aus verschiedenen Richtungen aus den Lautsprechern klingt.

Besucher an der Ballettstange
Überhaupt zeigt sich der Fasching in diesem Museum sehr modern: Überall multimediale Elemente, im Keller eine Videoanleitung "Gardetanz für alle", nach der sich die Besucher an der Ballettstange versuchen können. Es ist ein lustiges Konzept - wie es sich bei dem Thema gehört, denn schließlich ist das Kitzinger Museum das einzige dieser Art im deutschsprachigen Raum.

Nach umfangreicher Erneuerung und Investitionen von mehr als vier Millionen Euro wurde es gerade erst wieder eröffnet. Genauer gesagt: am 11.11. - einem Datum, über das die Besucher im Museum noch eine Menge erfahren. Und ein wenig auch in unserer Bildergalerie.