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Glosse: Creme-Schwindel im Faltengebirge


Autor: Von harald meyer harald.meyer@mainpost.de

Kitzingen, Sonntag, 08. November 2015

Der frühe Vogel fängt den Wurm. Der frühe Senior fängt sich eine Depression ein. Vor dem Spiegel: Da rasiert sich gerade ein Typ, der einem im Frühsommer entdeckten Winterapfel gleicht. Um diesem Schrecken ein Stück Knittrigkeit zu nehmen, verabreiche ich meinem Antlitz schon seit langem – des Morgens und des Abends – einen duftenden Glattstrich.


Der frühe Vogel fängt den Wurm. Der frühe Senior fängt sich eine Depression ein. Vor dem Spiegel: Da rasiert sich gerade ein Typ, der einem im Frühsommer entdeckten Winterapfel gleicht. Um diesem Schrecken ein Stück Knittrigkeit zu nehmen, verabreiche ich meinem Antlitz schon seit langem – des Morgens und des Abends – einen duftenden Glattstrich.

Anti-Aging verspricht das teure Produkt. Ob die Creme mich wirklich gegen das Altern verteidigt, weiß ich nicht so recht. Trotzdem hat sie eine nachweisbare Wirkung: Sie erleichtert meinen Geldbeutel. Und zwar ziemlich dreist.

Beim letzten Einkauf der teuren Salbe holte ich dieselbe aus dem Kartönchen, staunte ein wenig über das geschrumpfte Töpfchen und entdeckte den Schwindel. Damit der doofe Kunde nix vom Creme-Schwund merkt, musste das Töpfchen auf ein Podestchen im Karton. Der ist vermutlich in zehn Jahren leer, wenn der Hersteller den Preis hält und den Inhalt weiter auf Diät setzt.

Ist mir wurscht: Ich habe Schluss gemacht. Mit Anti-Aging-Mittelchen. Weil alles nix hilft und Falten in dieser hektischen Welt ein Höchstmaß an Entschleunigung bieten. Langsamer knittern eigentlich nur die Berge.

Und wenn ich mein Antlitz – in der Version nach etwa 10 Uhr morgens – so recht betrachte, ähnelt es den Alpen. Eine Charakterlandschaft. Ein Faltengebirge, dessen Anblick dir am frühen Morgen nur zwei Möglichkeiten lässt: Entweder jodelst du den Spiegel an oder wählst die einzig sichere Anti-Aging-Methode – du pfeifst aufs Alter.