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Ein akuter Anfall von Ruhestand


Autor: Von Harald Meyer harald.meyer@mainpost.de

Kitzingen, Mittwoch, 12. April 2017

Wer sich mit zunehmender Faltung der Gesichtszüge dem verdienten Ruhestand nähert, kennt das Dilemma. Was mach' ich, wenn ich ins Freizeit-Nirwana plumpse?


Wer sich mit zunehmender Faltung der Gesichtszüge dem verdienten Ruhestand nähert, kennt das Dilemma. Was mach' ich denn dann? Das ist sicher kein Problem für Schrauber, die einer alten Rostlaube neues automobiles Leben einhauchen wollen, oder hyperaktiven Heimwerkern, die als Alterswerk einen Barockschrank mit Holzintarsien planen.

Wirklich in Not ist der ganz normale Mann, der von jetzt auf nachher aus dem Beruf ins Freizeit-Nirwana plumpst. Was tun, wenn nichts zu tun ist? Den lieben langen Tag Sport machen, hört sich zwar gut an – wenn nicht die Knochen und die Muskeln genau so alt wären, wie der ganze Kerl. Wie sagte der Doktor: „Sie haben eine sehr gute Kondition. Aber ihre Technik ist 63.“ Volltreffer.

Der Kampf im Garten

Bleibt der Garten. Keine schlechte Idee. Endlich die Chance, es meinen Erzfeinden heimzuzahlen, den bislang siegreichen Nacktschnecken. Aber ein Kleinkrieg zwischen Salatköpfen und Kräuterecke ist nicht abendfüllend. Ob mit oder ohne Schneckenkorn und Bierfalle für die Schleimer.

Neben dem Ringen mit den Fressfeinden tobt im heimischen Grün die Dauerschlacht zwischen Gut und Böse, zwischen mir und dem Unkraut. Das ist gut investierte Zeit. Prinzipiell. Allerdings setzen der Rücken, die Blasen an den Händen und die enorme Wuchsgeschwindigkeit der Garten-Nichtsnutze dem grünen Daumen des ergrauten Gärtners zeitliche Grenzen.

Aufräumen, entrümpeln, streichen

Sport, Garteln, Lesen – alles schön und gut, lobt die mir angetraute Erziehungsberechtigte. Die hat aber noch ein paar Kleinigkeiten, die – ich zitiere wörtlich – „wir noch erledigen sollten“. Wir sollten die Wände neu streichen, den Keller entrümpeln, einige Schränke aufräumen und, und, und.

Lange Liste gegen die Langeweile. Ich denke drüber nach, inhaliere zwei den Nacktschnecken zugedachte Weißbierfallen. Dann geht's auf die Campingliege. Uuuups. Plötzlich arbeitsunfähig. Ein akuter Anfall von Ruhestand. Könnte chronisch werden.