"Dort leben, wo andere Urlaub machen." Dieses touristische Motto der Stadt Volkach hat eine Eulenfamilie wörtlich genommen und sich spontan in der Altstadt eingenistet. Nachbarn und Naturschützer sind begeistert von diesem Zuwachs.
Seit gut drei Jahren leben die Nachtschwärmer mitten unter den Menschen. Sechs Junge hat die anmutige Waldohreulen-Mama inzwischen großgezogen. Der quietschfidele Nachwuchs geht mittlerweile alleine auf Beutejagd. "Die Tiere brauchen absolut ihre Ruhe", sagt ein Nachbar, der namentlich nicht genannt werden will. Er befürchtet viele neugierige Menschenaugen, wenn bekannt wird, wo sich die Waldohreulen aufhalten.
Es ist schon einige Jahre her, als die Anwohner des Gartens mit einem alten großen Baumbestand auf die Vögel aufmerksam wurden. "Es war damals so, als würde jemand schnarchen", erzählt der Tierfreund von dem Moment, als man zum ersten Mal auf die Eulen aufmerksam wurde. Weil sich niemand in der Nachbarschaft erklären konnte, warum plötzlich ein Schnarcher unter ihnen weilt, holte man sich ein Nachtsichtgerät und kam mit dem optischen Hilfsmittel der Waldohreule schnell auf die Spur. "Der Uhu saß auf einem Dachfirst.
Da kam das Schnarchen her."
Die Waldohreulen-Familie ist mittlerweile zum willkommenen Fernsehersatz für die Anlieger geworden. "Beim Kaffeetrinken am Nachmittag setzen wir uns ans Fenster und beobachten die Eulen ausgiebig", schildert die Frau des Nachbarn. Die Eulenmutter sitzt den ganzen Tag fast regungslos zwischen den Ästen des riesigen Tannenbaums. Man erkennt sie kaum. Die aufgeweckten Jungvögel machen derweil schon öfter mal diverse Ausflüge und Flugstunden. "Die Tiere leben in einem Abbruchgebäude und in einer alten Scheune in unmittelbarer Nähe des Gartens", erzählt der Nachbar. Und seine Frau ergänzt: "Die Vögel sind ganz menschenbezogen und keineswegs scheu. Sie fliegen nicht weg, wenn man das Fenster öffnet."
Gerne erinnert sie sich an eine Begebenheit, als ihre Katze quasi der Eule Auge in Auge gegenüber saß. "Unsere Katze schaute abends aus dem Fenster und fauchte plötzlich ständig.
Als wir nachschauten, saß ein großer Vogel draußen auf dem Fensterbrett und klopfte mit den Krallen an die Scheibe." Für die Nachbarin und ihren Mann war es jedes Mal ein besonderes Schauspiel, als sich dieser tierische Vorgang in den kommenden Wochen mehrfach wiederholte.
Mäuse stehen auf der Speisekarte Der muntere Nachwuchs in den Baumkronen hat natürlich das Interesse aller Nachbarn erregt und nicht nur deren. Auch der Vorsitzende der Ortsgruppe des Bund Naturschutz (BN) Willi Freibott hat "Wind" von der schönen Eulengeschichte bekommen. "Waldohreulen sind bei uns nicht selten", sagt er. Seines Wissens besiedeln die Tiere normalerweise die Waldgebiete Mitteleuropas.
Sie trauen sich aber auch in Randbereiche von Städten und Dörfern, insbesondere wenn diese an landwirtschaftlich genutzte Bereiche grenzen.
"Bei uns gibt es in den nahen Weinbergen und auf den zahlreichen Äckern genügend Mäusefamilien", weiß Freibott, dass Eulen die kleinen Nagetiere zum Fressen gerne haben.
Die tierischen Hinterlassenschaften unter dem Tannenbaum in der Altstadt machen deutlich, dass Mäuse und anderes Kleingetier auf der Speisekarte der Waldohreule stehen. Auch diverse kleinere Singvögel gehören zu ihrer Beute. Den genauen Standort der Waldohreulen will auch Freibott zum Schutz der Tiere nicht preisgeben. "Wir wollen doch der Vogelfamilie die notwendige Ruhe gönnen", betont er ganz im Sinne der Gartennachbarn.
Dass es sich bei den sieben Eulen um eine Familie handelt, bezweifelt derweil Friedrich Heiser. "Der Familienverband der Eulen löst sich sofort nach der Brut auf, wenn die Jungtiere flügge sind", begründet der Vogelexperte der BN-Ortsgruppe Volkach seine Meinung.
"Waldohreulen formieren sich in den Wintermonaten traditionell zu Schlafgemeinschaften. Das können an guten Stellen bis zu 30 Vögel sein."
Friedrich Heiser glaubt, dass es sich bei den Vögeln in dem Garten um eine solche Vereinigung handelt. "Die gehen gerne zum Brüten in die Ortschaften hinein und bevorzugen dichtnadelige Bäume, die häufig jedes Jahr von den Eulen besetzt sind."
Auf alte Nester angewiesen Seit über 50 Jahren führt der 74-Jährige ein vogelkundliches Tagebuch und beobachtet Flora und Fauna nicht nur in seiner näheren Umgebung. Deswegen weiß er, dass Eulen keine Nester bauen. "Die sind angewiesen auf alte Nester von Elstern und Krähen." Und weil es in der Altstadt auch diese Vögel in reicher Anzahl gibt, haben die Waldohreulen schnell dort eine Unterkunft gefunden, wo Menschen gerne ihre Urlaubstage verbringen.