Es wird eng für die Hilfskräfte
Autor: Ralf Dieter
Kitzingen, Montag, 20. Januar 2014
Einsatzkräfte von Feuerwehr, BRK und THW verlieren kostbare Zeit in der Rettungsgasse. Fahrer kommen deshalb oft gestresst am Einsatzort an. Welche Lösungen gibt es, damit sich Autofahrer bei Unfällen und Pannen aufmerksam und richtig verhalten?
Wenn Sekunden entscheidend sein können, dann sind Minuten, die unnötig verrinnen, eine Qual. Die Rettungsgasse auf den Autobahnen gerät immer häufiger zu einer qualvollen Erfahrung. Rettungskräfte schlagen Alarm.
Bernhard Wehner ist seit 23 Jahren Kommandant der Geiselwinder Feuerwehr. "Das mit der Rettungsgasse war schon immer ein Problem", sagt er. "Aber in letzter Zeit ist es schlimmer geworden."
Zwischen 20 und 30 Einsätze fahren die Geiselwinder Feuerwehrleute pro Jahr auf der nahen Autobahn. Und immer müssen sie durch einen Stau. In der Hauptreisezeit kann der sechs bis sieben Kilometer lang sein. "Wir verlieren wertvolle Zeit, weil die Leute so undiszipliniert sind", bedauert Wehner. Stellenweise müssen er und seine Kollegen sogar aus dem Einsatzfahrzeug aussteigen, um die Autofahrer aufzufordern, endlich zur Seite zu fahren.
Ähnliche Erfahrungen machen die Einsatzkräfte des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK). "Die neuen Automodelle dämpfen den Lärm von außen und manche Leute hören zu laut Musik", sagt Sven Appold. Außerdem sei die Verkehrsbelastung auf deutschen Autobahnen insgesamt gestiegen. Mehr Autos bedeuten mehr Unfälle und mehr Staus.
Und gerade dort reagieren viele Verkehrsteilnehmer falsch. Appold berichtet von Autos, die mitten in der Gasse parken und von Menschen, die aussteigen und in der Mitte der Fahrbahn stehen. "Manche lassen sogar ihre Kinder auf die Fahrbahn. Da kann man sich als Fahrer eines Rettungsfahrzeuges zu Tode ärgern."
Autofahrer, die im Stau nicht wissen, wie sie sich verhalten sollen, wenn ein Einsatzfahrzeug kommt: Für Stefan Müller vom THW in Kitzingen nichts Neues. "Manche versuchen noch schnell, von links nach rechts zu wechseln, andere bleiben vor lauter Schreck mitten auf der Fahrbahn stehen", erzählt er. Und etliche Lkw-Fahrer bleiben einfach auf ihrer Spur, anstatt nach rechts auf den Standstreifen auszuweichen.
Fahrer sind gestresst
Die wertvolle Zeit, die in der Rettungsgasse verloren geht, ist nur ein Problem. "Der Fahrer kommt nach so einer Fahrt gestresst am Unfallort an", gibt Appold vom BRK zu bedenken. "Dabei sollte er doch möglichst ausgeruht sein, wenn er die Unfallopfer versorgen muss."
Gestresst am Einsatzort. Das kennt auch Bernhard Wehner von der Geiselwinder Feuerwehr. Er berichtet von einem Fall, bei dem ein Löschfahrzeug zweieinhalb Kilometer hinter einem Lkw herfahren musste. Und wenn das zweite Rettungsfahrzeug nicht direkt hinter dem ersten fährt, droht mit Sicherheit ein weiteres Phänomen: "Dann ist die Rettungsgasse gleich wieder zu", sagt Wehner.
Seine Erklärung für das Verhalten: "Die Leute haben alle keine Zeit mehr." Und daraus folgt die nächste Schwierigkeit: Kaum sind die gröbsten Spuren des Unfalls beseitigt, fahren die Verkehrsteilnehmer schon wieder los. "Drüber über den Dreck und die Scherben", wundert sich Wehner. "Für die Kollegen vor Ort ist so ein Verhalten natürlich ganz schön gefährlich."
Richtiges Verhalten bei Unfällen und Pannen
Die Lösung? Appelle wie der Aufruf des Landesfeuerwehrverbandes dürften nur bedingt helfen. Mit einem Flyer macht der Verband auf das richtige Verhalten bei Unfällen und Pannen aufmerksam: Bereits bei stockendem Verkehr muss demnach eine Rettungsgasse in der Mitte der zwei Fahrstreifen gebildet werden. Bei mehrspurigen Autobahnen lautet die Devise: eins links, zwei rechts.
In Österreich funktioniert das einwandfrei, wie Matthias Felber von der Polizeiinspektion Biebelried berichtet. Seine Kollegen decken 144 Autobahnkilometer in Unterfranken ab und haben auch immer wieder mit verstopften Rettungsgassen zu kämpfen. "In Österreich sind die Strafen halt auch härter", sagt Felber. Dort ist das Freihalten einer Rettungsgasse im Verkehrsgesetz verankert. Für die Behinderung von Einsatzfahrzeugen oder widerrechtliches Befahren der Rettungsgasse werden Strafen von bis zu 2180 Euro fällig. In Deutschland "droht" ein Bußgeld von mindestens 20 Euro. "Aber wer spricht schon ein Verwarnungsgeld aus, während er durch eine Rettungsgasse fährt", gibt Felber zu bedenken.