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Eine Unterschrift, die Leben rettet


Autor: Ralf Dieter

Kitzingen, Donnerstag, 23. Januar 2014

Die Zahl der Organspender nimmt im Deutschland immer weiter ab. Die Entwicklung bereitet dem Transplantationsbeauftragten der Klinik Kitzinger Land, Dr. Hartmut Marquart, Sorgen.Er setzt auf Aufklärungsarbeit.
Wichtige Unterschrift: Mit einem Ausweis signalisiert man die Bereitschaft, Organe zu spenden. Foto: Diana Fuchs


Hannelore Seitz hat ihre ganz eigenen Erfahrungen mit dem Thema gemacht. Keine schönen Erfahrungen. Ganz im Gegenteil: Ihr Mann ist gestorben. Weil er zu lange auf eine Spenderniere warten musste. Heute ist Hannelore Seitz Vorsitzende der Interessensgemeinschaft Niere Schweinfurt/Haßberge. Sie kämpft dafür, dass die Zahl der Organspender in Deutschland steigt. Das Gegenteil ist der Fall.

2013 hat die Zahl der Organspender in Deutschland einen Tiefpunkt erreicht. 876 Spender bedeuten den niedrigsten Stand seit Verabschiedung des Transplantationsgesetzes 1997. Zahlen, die Dr. Hartmut Marquart, Transplantationsbeauftragter an der Klinik Kitzinger Land, nur allzu gut kennt. Zahlen, die ihm große Sorgen bereiten. "Der Skandal von 2012 wirkt noch nach", sagt er. Was dagegen hilft? "Aufklärungsarbeit", sagt der Mediziner.



Mit der Werbung für Organspende durch Poster oder ähnliche Werbemittel sei es jedenfalls nicht getan, meint auch Dr. Mathias Pfau, Transplantationsbeauftragter des Juliusspitals in Würzburg. Die Klinik hat 2010 den Bayerischen Organspendepreis gewonnen. "Wir brauchen eine massive Infokampagne quer durch alle Medien", fordert er. Sonst sei der negative Trend kaum aufzuhalten.


Hannelore Seitz: Immer mehr Menschen sterben, weil es kein Spenderorgan gibt."


Nach Angaben der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) warten deutschlandweit rund 11000 Patienten dringend auf ein Spenderorgan. Die Wartezeit für eine Spenderniere beträgt durchschnittlich acht Jahre. Dank der Dialyse lässt sich auch ohne Niere leben. Eingeschränkt zwar, aber immerhin. Wer auf eine Lunge oder ein Herz angewiesen ist, der braucht schnelle Hilfe. "Immer mehr Menschen sterben, weil es kein Spenderorgan gibt", sagt Seitz.

2012 waren Manipulationen an Patientendaten an einigen deutschen Kliniken bekannt geworden. So sollten die eigenen Patienten auf den Wartelisten weiter oben landen. Der Anfang eines Vertrauensverlustes, der sich in den aktuellen Zahlen niederschlägt. Dr. Marquart wünscht sich Unterstützung von Seiten der Politik. In Ländern wie Spanien habe eine massive Aufklärungskampagne Wirkung gezeigt. Auf eine Million Menschen kommen dort 35 Organspenden. In Deutschland liegt das Verhältnis bei einer Million zu zehn Organspenden.

An der Klinik Kitzinger Land werden keine Organe transplantiert. Es kommt auch äußerst selten vor, dass einem hirntoten Patienten Organe entnommen werden. Seit zwölf Jahren ist Dr. Marquart Transplantationsbeauftragter. Zwei bis drei Organspenden hat er in dieser Zeit an die DSO gemeldet. Die schickt dann ihre Vertreter, um alles Weitere zu regeln. "Die Mechanismen greifen", versichert der Mediziner. "Es wird genau hingeschaut."
Der Hirntod muss beispielsweise von zwei unabhängigen Neurologen diagnostiziert werden. "Kein Patient wird zu früh aufgegeben", sagt Dr. Marquart. Aber genau solche Ängste und Sorgen kursieren. "Mit speziell geschulten Ausbildern wäre das zu verhindern", sagt der Mediziner. Dann würden die Angehörigen aus kompetentem Mund hören, wie die Organspende vorbereitet und durchgeführt wird: Ist der Hirntod zweifelsfrei festgestellt, wird der Patient so lange künstlich am Leben erhalten, bis die Organe entnommen worden sind. "Er wird künstlich beatmet und künstlich ernährt", berichtet Dr. Marquart. "Für die Angehörigen sieht der Patient in diesem Moment alles andere als tot aus." Daher rührt eine Verunsicherung. Die andere rührt aus dem Imageschaden, den die Manipulationen von 2012 ausgelöst haben. Es wird dauern, bis das Vertrauen wieder aufgebaut ist, befürchtet der Vorsitzende der DSO, Rainer Hess.

Im Landkreis Kitzingen findet Aufklärungsarbeit statt. Gerade bei den jüngeren Menschen. "Ich habe in Schulen referiert", sagt Dr. Marquart. "Und das Interesse war immer groß." Die gleiche Erfahrung hat Hannelore Seitz von der Interessensgemeinschaft für chronisch Nierenkranke gemacht. Sie bietet seit Jahren Vorträge an Schulen an. Das Thema sollte ihrer Meinung nach aber verpflichtend im Lehrplan besprochen werden. Damit das Verständnis für das Problem wächst und die Zahl der Organspender wieder ansteigt. Denn die Leidtragenden des Imageschadens sind die Patienten. Und die müssen immer länger warten.

Hintergrund


Nur 20 Prozent: Laut Umfragen stehen die meisten Bundesbürger der Organspende positiv gegenüber. Aber nur etwa 20 Prozent haben ihre Entscheidung in einem Organspendeausweis festgehalten.

Belastend für Angehörige: In den Krankenhäusern entscheiden in neun von zehn Fällen die Angehörigen über eine Organspende, weil der Verstorbene seine Entscheidung nicht mitgeteilt oder dokumentiert hat. Dies ist für viele Angehörige sehr belastend in einer ohnehin schon schwierigen Situation.

Voraussetzungen: Der sichergestellte Tod ist die medizinische Voraussetzung für eine Organspende. Zudem muss eine Einwilligung des Verstorbenen oder der Angehörigen vorliegen.

Info: Umfassende Informationen zum Thema Organspende und den Organspendeausweis gibt es unter www.dso.de und www.organspende-info.de. Infotelefon Organspende: 0800 / 90 40 400.