Druckartikel: Eine schützende Hand für kleine Igel

Eine schützende Hand für kleine Igel


Autor: Pat Christ

, Samstag, 08. Sept. 2012

Gudrun Martin pflegt in der Igelstation Unterfranken in Gerbrunn verwaiste Igelbabys. Bis zu 330 Tiere werden dort jedes Jahr aufgepäppelt.
Aus einem Umkreis von mehr als 100 Kilometern um Würzburg bringen Menschen verwaiste Igeljungen und nicht überwinterungsfähige große Igel in die Auffangstation nach Gerbrunn. Dort kommen sie in die liebevollen Hände von Gudrun Martin.


Gudrun Martin stellt die Tasse mit dem Futter erneut in die Mikrowelle. Das Essen für das Igelmädchen in ihrer Hand ist kalt geworden. Alle drei Stunden wird die Kleine von ihrer Pflegemama gefüttert. Seit 22 Jahren kümmert sich Gudrun Martin mit ihrem Mann Herbert in der einzigen unterfränkischen Igelstation in Gerbrunn um Igel, die alleine in der Natur nicht überleben würden. Im Umkreis von 120 Kilometern um Würzburg werden ihr zwischen Juli und Ende Januar Igel gebracht.
Bei den Martins werden die Stacheltiere gegen Parasiten behandelt, von Zecken befreit, per Spritze gefüttert und täglich gewogen. Um sechs Igel kümmert sich das Ehepaar derzeit. Das ist wenig. An manchen Tagen wird diese Anzahl auf einmal ins Haus gebracht. Nicht alle Igel sind in einem Zustand, der das Entzückenswort "süß!" auslöst. Manche kommen halbtot in die Station. Weil sie schon lange keine Mutter mehr gehabt hatten.

Oder von Menschen falsch behandelt wurden. Gudrun Martin ist es am liebsten, wenn Igelfinder die Tiere einfach zu ihr bringen - ohne ihnen "Gutes" zu tun: "Neulich kam ein Igel zu uns, den man mit Salzbrezel und Salami füttern wollte."

Genauso wichtig wie die Pflege kranker Igel ist Gudrun Martin die Aufklärungsarbeit.

Viel wird nach ihrer Aussage falsch gemacht mit den kleinen Säugetieren. Oft werden sie zum Beispiel in enge Kartons oder Käfige gesperrt. Dabei sind Igel Lauftiere, die viel Platz brauchen. Herbert Martin zimmerte für die jährlich bis zu 330 Igel, die in der Gerbrunner Station aufgepäppelt werden, drei großzügige Gehege, die sich im Garten des Ehepaars befinden. "Das kleinste ist sechs, die beiden anderen sind 25 Quadratmeter groß", beschreibt Igelmama Gudrun. Weitere Gehege andernorts in der Region wären schön: "Wir suchen momentan dringend nach Pflegestellen."
Der Igel, immerhin unser größter Insektenfresser, hat zwar viele Freunde unter den Menschen. Aber wenige Tierliebhaber sind bereit, sich so intensiv wie die Martins um die Stacheltiere zu kümmern. In Brigitte Ales hat sie eine Mitstreiterin, außerdem wurde im Mai in Retzbach im Kreis Main-Spessart eine Außenstation der Gerbrunner Einrichtung eröffnet. Gut kooperieren die Igeleltern Gudrun und Herbert Martin auch mit regionalen Tierärzten. Medikamente gibt es von dort kostenlos, außerdem werden kranke Igel umsonst eingeschläfert. Es bleibt jedoch finanziell noch genug am Ehepaar hängen: "Wir investieren jedes Jahr mehrere tausend Euro in unsere Station."

Weil Menschen wenig über Igel wissen, muss Gudrun Martin oft klarstellen, was nach Art der Igel ist und was nicht.

Nach wie vor sei unbekannt, dass Igelmuttis ihre Kinder nicht mehr annehmen, wenn sie von Menschen angefasst wurden. Auch, das Wissen darum, dass der Igel ein Dämmerungs- und Nachttier ist, sei erstaunlich wenig verbreitet: "Deshalb kommt es vor, dass wir um Mitternacht einen Anruf erhalten, weil einem Spaziergänger ein Igel über den Weg lief." Über solche Anrufe ärgert sich Gudrun Martin sehr. Denn ihr Schlaf ist kostbar. Viel Ruhe hat sie nicht, müssen doch die kleinen Igel auch nachts alle drei Stunden gefüttert werden.
Gudrun Martin freut sich nach 22 Jahren immer noch über ein kunstvoll mit Laub und Gras ausgestopftes Igelnest unter einem Reisighaufen im Garten. Und sie kämpft unverdrossen um jeden kleinen Igel, der ihr gebracht wird. Nach wie vor schlimm ist für sie, wenn sie ein Tier zum Einschläfern bringen muss, weil es so schwer krank ist, dass eine Genesung aussichtslos erscheint: "Manchmal denke ich dann, ich mag nicht mehr." Doch von vier Igeln bringt sie im Durchschnitt drei durch. Für mehrere Wochen sind sie bei ihr zu Gast. Bis sie mindestens 400 Gramm wiegen. Dann werden sie, ein kleines bisschen wehmütig, in die Igelfreiheit entlassen.